„Der Iran ist Opfer eines medialen und politischen Terrorismus“

„Der Iran ist Opfer eines medialen und politischen Terrorismus“
Von Euronews
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Die Lage der Menschenrechte im Iran wird wieder einmal genau unter die Lupe genommen. Ein kürzlich erschienener UN-Bericht verurteilt besonders den Mangel an Bürgerrechten in dem Land. In Genf befragte euronews Mohammad Javad Larijani, Generalsekretär der iranischen Menschenrechtskommission, zur Kritik an Teheran.

euronews:
„Mohammad Javad Larijani, vielen Dank, dass Sie hier auf euronews mit uns sprechen. Es wurde viel über die Lage der Menschenrechte im Iran berichtet. Es gab Vorwürfe wegen Folter und Unterdrückung der Opposition. Eine Menge seriöser Anschuldigungen. Nicht nur von den Vereinten Nationen, sondern auch seitens Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty und Human Rights Watch. Wie lautet Ihre Reaktion darauf?“

Mohammad Javad Larijani, Generalsekretär der iranischen Menschenrechtskommission:
„Ich denke, der Iran ist zu einer Zielscheibe geworden, zum Opfer einer neuen Art von Terrorismus. Ich bezeichne es als medialen und politischen Terrorismus. Schauen Sie sich die Zahl der Leute an, die im UN-Menschenrechtsrat über den Iran gesprochen haben…mehr als 100 Staaten haben ihre Meinung über den Iran geäußert, darunter etwa 50 Länder, vor allem die USA und europäische Länder, die den Iran kritisierten. Der Rest, über 70 Staaten, waren dem Iran gegenüber sehr freundlich gestimmt. Für uns besteht die Welt nicht nur aus den USA, Großbritannien und Frankreich. Wir berücksichtigen alles. Ja, diese Leute machen viel Aufhebens und sie sind die Anführer der Menschenrechte. Aber der Bericht der USA ist doch sehr düster.“

euronews:
„Der Gedanke, dass es eine Art Befangenheit gegenüber dem Iran gibt, scheint nicht ganz korrekt. Denn dieselben Organisationen, die ich genannt habe: Amnesty und Human Rights Watch, waren den USA, vor allem in Hinblick auf Guantanamo, sehr kritisch eingestellt. Es gibt nicht wirklich eine Voreingenommenheit gegenüber
dem Iran, oder?“

Mohammad Javad Larijani:
„Bei den Regierungen, die uns kritisieren, ist ganz klar, dass es eine politisch strukturierte Kritik gibt. Politisch manipuliert.
Dann gibt es noch die NGO’s. Das ist der zweite Punkt bezüglich der Kritik uns gegenüber. Unterschiede werden übersehen. Unsere Erfahrung der letzten 35 Jahre besteht darin, eine politische und gesellschaftliche Struktur zu erschaffen, eine Staatsorganisation, die auf islamischer Logik beruht, demokratisch aber nicht liberal oder weltlich.“

euronews:
„Sie gehören zu den Ländern mit der höchsten Hinrichtungsrate. Sind sie als Generalsekretär der iranischen Menschenrechtskommission stolz darauf?“

Mohammad Javad Larijani:
„Ganz und gar nicht. Wir sind ziemlich unglücklich damit. Wir geben uns die größte Mühe, die Gesetze zu ändern, die diese Situation herbeiführen.
Wie Sie wissen, stehen mehr als 80 Prozent der Hinrichtungen in Zusammenhang mit Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ich denke, wenn wir dieses Gesetz ändern, würden 80 Prozent unserer Exekutionen gestoppt werden können. Das wäre ein erster und pragmatischer Schritt, die Zahl der Hinrichtungen zu senken.“

euronews:
„Ich würde gern auf spezifischere Fälle eingehen. Ein Reporter der Washington Post, Jason Rezaian, wird bereits seit mehr als 100 Tagen festgehalten. Was hat er falsch gemacht?“

Mohammad Javad Larijani:
„Nun ja, ich bin nicht in der Lage zu urteilen, ich kann nur berichen, dass die Sicherheitsbehörden ihn beschuldigen, Aktivitäten außerhalb des Journalismus nachgegangen zu sein.“

euronews:
„Was heißt das?“

Mohammad Javad Larijani:
„Nun ja, Aktivitäten, die die Sicherheit des Staats verletzen.“

euronews:
„Der letzte Artikel, den er schrieb, bevor er inhaftiert wurde, handelte von der Liebe der Iraner zum Baseball. Inwieweit betrifft das die nationale Sicherheit?“

Mohammad Javad Larijani:
„Nein, das ist es natürlich nicht, was zu einer Anklage gegen ihn führt.“

euronews:
„Ihr Bruder ist der Vorsitzende der Iranischen Justiz. Er hat die Macht, jemanden für eine Begnadigung durch den obersten Führer zu empfehlen. Wie wahrscheinlich ist sein Wille, ihn in den kommenden Tagen freizusprechen?“

Mohammad Javad Larijani:
„Vielleicht wird das Gericht ihn freisprechen, dann ist alles in einem ersten Schritt schon vorbei. Wenn er jedoch verurteilt wird, kann eine Amnestie in Betracht gezogen werden. Wir sollten also diesem Mechanismus folgen. Es geht nicht ohne Umschweife.“

euronews:
„So in ein bis zwei Wochen?“

Mohammad Javad Larijani:
„Ich rechne mit weniger als einem Monat.“

euronews:
„Ich würde auch sehr gerne über den Fall von Ghoncheh Ghavami sprechen, der britisch-iranischen Staatsbürgerin, die ihr Recht einforderte, ein Volleyball-Spiel zu sehen. Sie ist jetzt seit über 125 Tagen inhaftiert. Sie hatte ihren Anwalt das erste Mal im Gericht gesehen. Was ist passiert?“

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Mohammad Javad Larijani:
„Es ging dabei nicht um das Zuschauen bei einem Spiel. Es geht vielmehr darum, dass sie provokant gehandelt und viel Aufsehen erregt hat. Die Orte rund um die Spielfelder sind ziemlich unberechenbar. Wie auch in westlichen Ländern, eine kleine Handlung und schon bricht Gewalt aus.“

euronews:
„Aber ist es nicht ein Zeichen von Schwäche, dass die Islamische Republik Iran solche Angst vor einer 25-Jährigen Juraabsolventin hat?“

Mohammad Javad Larijani:
„Überhaupt nicht. Wieso Schwäche? Wir sind sehr stark darin, unseren Lebensstil und unsere Vorschriften zu befolgen.
Angenommen, jemand würde in der Londoner U-Bahn etwas falsch machen – die Polizei würde ihn festnehmen. Das ist keine Schwäche, wir sagen nicht, dass die britische Regierung Angst hat, das ist Strafverfolgung wie überall anders auch.“

euronews:
„In ihrem Fall gibt es ziemlich viele Unregelmäßigkeiten. Laut ihrer Familie wird diese auseinandergerissen. Würden Sie zustimmen, die Familie zu treffen?“

Mohammad Javad Larijani:
„Die Tür meines Büros steht immer offen, ob für die Familie der Angeklagten oder der Opfer. Ich denke nicht, dass in diesem Fall Unregelmäßigkeiten vorliegen.
Sie können gerne kommen und wir werden der Familie alles mittels eines Gutachtens erklären. Die Anwälte können auch gerne zu unseren Büros kommen. Falls wir irgendwelche Fehler entdecken sollten, werden wir uns sofort mit dem Fall befassen, weitere Schritte unternehmen und die Sache aufklären.“

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euronews:
„Also werden Sie in diesem Fall ermitteln?“

Mohammad Javad Larijani:
„Wenn wir Fehler vorfinden, dann natürlich.“

euronews:
„Es wäre unpassend, Sie nichts über die Atomverhandlungen zu fragen, die mit der 5+1-Gruppe stattfinden. Offensichtlich hängt es vom guten Glauben aller Beteiligten ab, ob es diesen Monat noch zu einer Einigung kommen wird. Wie wahrscheinlich ist das?“

Mohammad Javad Larijani:
„Ich bin optimistisch, weil ich mir bewusst bin, dass die westliche Gemeinschaft zu dem Schluss kommen wird, den Iran auf dem Gebiet der Atomtechnik zu den fähigsten Ländern zu zählen.
Und der Iran kommt seiner Pflicht nach.
Wenn diese beiden Tatsachen zu einem gewissen Grad anerkannt werden, denke ich, dass wir uns einigen können…aber proportional zu diesem Grad.“

euronews:
„Es gibt Politiker aus den USA und Israel, viele wahrscheinlich rechts, die denken, dass Sie eine Bombe bauen wollen.“

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Mohammad Javad Larijani:
„Ich denke, dass die rechten Politiker zum Psychiater gehen sollten. Ich meine, irgendwas mit ihrer mentalen Verfassung stimmt doch nicht. Die Welt bewegt sich nicht in die von ihnen gewollte Richtung.
Wir sind ein starkes Land auf der Welt und sie können das nicht ändern, wie sie es gerne hätten.
Es ist die richtige Zeit für die Länder, die beanspruchen die Welt zu regieren, sich Ideen zu suchen, die fähig sind die Welt zu regieren.
Die extreme Art von Verdacht und Vorurteil sind nicht fähig, die Welt zu führen.“

euronews:
„Dr Larijani, vielen Dank.“

Mohammad Javad Larijani:
„Danke. “

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