Offene Worte: Papst Franziskus in Straßburg

Offene Worte: Papst Franziskus in Straßburg
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Von Euronews
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Der Besuchs des Papstes an diesem Dienstag in Straßburg gilt ausdrücklich Europa. Franziskus will eine Rede vor dem Europaparlament halten und eine zweite vor dem Europarat. Das Oberhaupt der katholischen Kirche besucht die europäische Volksvertretung auf Einladung des Parlamentspräsidenten Martin Schulz. Der Aufenthalt wird insgesamt nur drei Stunden und 50 Minuten dauern. Zwar hätten sich die Kirchenoberen in Straßburg eine Messe im Münster gewünscht, doch diese findet nicht statt. Als bisher einziger Papst hat Johannes Paul II. im Herbst 1988 vor dem Europaparlament gesprochen. Er besuchte damals auch den Europarat. Der Heilige Stuhl hat in der Staatenorganisation, der 47 Mitglieder angehören, Beobachterstatus. Johannes Paul forderte das Europaparlament auf, seinen Blick nach Mittel- und Osteuropa zu richten, das sich damals hinter dem Eisernen Vorhang befand. Franziskus hat noch kein EU-Land außerhalb Italiens besucht. Als er im Sommer 2013 nach Lampedusa reiste, kritisierte er die Flüchtlingspolitik Europas.

Welches wird die Botschaft des Papstes an das Europaparlament sein? Darüber sprachen wir mit Franca Giansoldati, Vatikan-Korrespondentin der Zeitung “Il Messagero”. Giansoldati zählt zu wenigen ihres Fachs, denen der Papst ein Interview gewährte.

Franca Giansoldati:
“Hallo allerseits.”

euronews:
“Warum besucht Franziskus ausgerechnet jetzt Straßburg, nachdem das Parlament und die EU-Institutionen erneuert wurden?”

Franca Giansoldati:
“Der Papst stammt nicht aus Europa und hat sich nie zu Europa geäußert. Sicher, er besuchte im vergangenen Jahr Flüchtlinge in Lampedusa, er kam mit einigen Europaparlamentariern zusammen, doch er hat nie über das gemeinsame Haus Europa gesprochen. Er will es jetzt tun.”

euronews:
“Hat ihn der Besuch in Lampedusa 2013 verändert?”

Franca Giansoldati:
“Auf einem Schiff der Küstenwache unterwegs nach Lampedusa lernte er erstmals unmittelbar das Mittelmeer kennen und begriff, dass es ein riesiger Friedhof geworden ist. Das hat ihn tief bewegt.”

euronews:
“Während seines Besuchs nahm er sich kein Blatt vor den Mund…”

Franca Giansoldati:
“Er richtete seine Worte an die Führungen der Institutionen. Es ist ein Widerspruch, dass so viele Flüchtlinge an den Grenzen Europas ihr Leben verlieren, während die Institutionen, die Menschen gleichgültig bleiben.”

euronews:
“Ein Thema wird somit die Einwanderung sein, ein weiteres die Arbeitswelt. Welches wird diesbezüglich die Botschaft sein?”

Franca Giansoldati:
“Sein zweites Thema wird die Wirtschaft sein, die sozialen Aspekte der Wirtschaft. Ohne Jobs gibt es keine Hoffnung. Jobs aber gibt es nur in einer Wirtschaft, die den Menschen, die Familie berücksichtigt. Über Fragen der Bioethik hingegen wird Franziskus nicht sprechen.”

euronews:
“Auch die gleichgeschlechtliche Ehe ist in Europa umstritten. Was meint der Papst dazu?”

Franca Giansoldati:
“Er verurteilt sie nicht. Natürlich zählt die gleichgeschlechtliche Ehe nicht zur göttlichen Schöpfung und der Papst verteidigt die Prinzipien der christlichen Moral. Doch zugleich versucht er bei den Katholiken um Verständnis dafür zu werben, dass sich die soziale Umwelt verändert hat und dass es Verhältnisse gibt, die nicht der Regel entsprechen und die nicht verurteilt sondern akzeptiert werden sollten. Die Fürsorge des Papstes gilt den Kindern homosexueller und lesbischer Paare.”

euronews:
“Franziskus gilt als ein volksnaher, beinahe als ein linker Papst. In welchem Sinn verändert er die katholische Kirche?”

Franca Giansoldati:
“Die katholische Kirche wird sich dessen mehr und mehr bewusst, dass sie in Europa eine Minderheit darstellt. Die Kirchen bleiben leer. Darum lenkt der Papst die Aufmerksamkeit zu den Rändern, nicht nur zu den geografischen sondern auch zu den kulturellen und existentiellen Rändern.”

03.08 euronews:
Ist er ein politischer Papst, wie Johannes Paul II. einer war?

03.15 Franca Giansoldati:
Ihm geht es vor allem um die Sozialpolitik. Das ist jedoch etwas anderes als Politik. Johannes Paul hatte ein ganz bestimmtes Ziel, denn die Welt war zweigeteilt und die Kirche agierte auf dem Feld der Politik. In der Auffassung des Papstes Franziskus hingegen hält sich die Kirche zurück und betreut die Menschen.

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