Absage der Gaspipeline South Stream erwischt Transitländer und europäische Lieferanten kalt

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Im Kräftemessen zwischen Russland und Westeuropa hat die Absage des Gaspipeline-Projekts South Stream Transitländer und europäische Lieferanten kalt erwischt.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte das seit sieben Jahren vorangetriebene Projekt quer durch das Schwarze Meer bei einem Besuch in der Türkei völlig überraschend für tot erklärt. Offiziell wussten bis Dienstag Abend weder Lieferanten wie Salzgitter oder Voestalpine vom Ende des
Milliardenvorhabens. Noch die Transitländer wie Bulgarien. Serbien, Ungarn, Slowenien oder Österreich. Sie hatten zum Teil schon mit dem Bau begonnen.

Salzgitter und Voestalpine hatten im Januar einen Großauftrag für die Lieferung von Stahlröhren für die Pipeline erhalten. Die italienische Ölservice-Firma Saipem sollte die Pipelinerohre im Schwarzen Meer verlegen.

Nach jüngsten groben Schätzungen sollte der Bau von South Stream 23,5 Milliarden Euro kosten, das Projekt insgesamt 32 Milliarden. South Stream sollte am Ende etwa ein Zehntel des europäischen Erdgasbedarfs decken. Träger des Projekts waren bisher neben Gazprom der italienische Versorger Eni, das französische Energieunternehmen EDF, der deutsche Chemiekonzern BASF und die österreichische OMV. Leitidee war die Umgehung der Ukraine als Transitland von Russland nach Westeuropa.

Vorbei. “Das Projekt ist vom Tisch. Das war’s” sagte der Chef russischen Energiemonopolisten Gazprom, Alexei Miller. Und Putin: Wenn Europa das Projekt nicht wolle, dann werde es eben nicht gebaut. Brüssel hatte vor allem die Vormachtstellung von Gazprom gestört, als Lieferant und Mitbetreiber des Liefernetzes. EU-Außenpolitikerin Federica Mogherini:

“Die Entscheidung ist gefallen, Russland hat sie bekanntgegeben. Also sind jetzt für uns nicht nur die Lieferwege der Energie für die Europäische Union wichtig, sondern auch diversifizierte Energiequellen.” Als Verlierer des Energiestreits gelten Länder wie Bulgarien, die auf Durchleitungsgebühren verzichten müssen. “Wäre es besser, wenn wir South Stream hätten? Absolut”, so der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic. “Wir bezahlen den Preis in einem Konflikt zwischen zwei Großmächten.”

Gazprom muss schätzungsweise 5 Milliarden Dollar in den Wind schreiben. Einen Gewinner gibt es auch: Die Türkei wird künftig bevorzugt beliefert, zu günstigeren Preisen.

su mit Reuters

Für euronews hat Gabor Kovács mit dem Energieexperten András Deák in Budapest gesprochen.

Gabor Kovács, euronews: “András Deák, Forschungsdirektor an der Zentraleuropäischen Universität – wer sind die Gewinner und wer die Verlierer nach dieser unerwarteten Annullierung des ‘South Stream’-Projekts? Wie wird sich das auf die Energie-Abhängigkeit auswirken?”

András Deák, Forschungsdirektor an der Zentraleuropäischen Universitä Budapest: “Nun, es ist offensichtlich, dass, sollte es ein neues Projekt geben, das ‘South Stream’ umgeht, die Türkei ein absoluter Gewinner wäre. Sie wird mehr Gastransite im Land haben und Russland würde seine Transitabhängigkeit von der Ukraine auf die Türkei verlagern. Das würde der Türkei mehr Verhandlungsstärke verschaffen. In gewisser Weise könnte die Europäische Kommission ihr Prestige erhöhen, sie könnte Russland in dem Konflikt zurückdrängen. Offensichtlich wären beide Seiten mit einem Kompromiss besser bedient gewesen, wenn die Kommission die rechtlichen Prozeduren anerkannt hätte, die Russland durchsetzen wollte.

Die Verlierer sind ganz klar die zentral- und osteuropäischen Länder, die Staaten, durch die die Pipeline verlaufen wäre. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts werden sie nur die ukrainische Pipeline haben. Die Situation ist für sie auch schlechter geworden, weil sie eine langsame Energie-Diversifikation brauchen, sowie die Pflege und langsame Erneuerung der europäischen Gas-Beziehungen zu Russland.”

euronews: “In den vergangenen Jahren war Ungarn einer der größten Unterstützer dieses Projekts. Warum ist es so wichtig für Ungarn? Ist die Annullierung ein politischer oder wirtschaftlicher Schlag für Ungarn?”

András Deák: “Es ist wahr, dass die russisch-ungarische Wirtschaftskooperation sich auf spektakuläre Weise entwickelt hat. Im Januar wurde ein Vertrag über Atomkraft unterzeichnet. Während des Sommers hat Ungarn die Gasversorgung mit der Ukraine beendet. In den vergangenen Monaten hat Ungarn ‘South Stream’ wie wild unterstützt.

Natürlich steckt ein makro-ökonomischer Grund und Profit dahinter; etwas, das Russland der Regierung angeboten hat, aber wir sehen es nicht. Die Frage ist, ob es das wert ist, immer zu den Russen gegen die Europäische Kommission, die europäische Solidarität, zu stehen? Diese Botschaft zeigt klar, dass es das nicht wert ist, katholischer als der Papst zu sein, russischer zu sein als Moskau. Es ist sinnlos, ein Projekt zu unterstützen, aus dem Russland auch aussteigt. Das wird Ungarn lediglich mehr isolieren.”

Gabor Kovács, euronews:

“Wir schalten nun in unser Studio in Budapest und András Deák, Forschungsdirektor an der Zentraleuropäischen Universität. Guten Abend. Wer sind die Gewinner und wer die Verlierer nach dieser unerwarteten Annullierung des ‘South Stream’-Projekts? Wie wird sich das auf die Energie-Abhängigkeit auswirken?”

András Deák:

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“Nun, es ist offensichtlich, dass, sollte es ein neues Projekt geben, das ‘South Stream’ umgeht, die Türkei ein absoluter Gewinner wäre. Sie wird mehr Gastransite im Land haben, und Russland würde seine Transitabhängigkeut von der Ukraine auf die Türkei verlagern. Das würde der Türkei mehr Verhandlungsstärke verschaffen. In gewisser Weise könnte die Europäische Kommission ihr Prestige erhöhen, sie könnte Russland in dem Konflikt zurückdrängen. Offensichtlich wären beide Seiten mit einem Kompromiss besser bedient gewesen, wenn die Kommission die rechtlichen Prozeduren anerkannt hätte, die Russland durchsetzen wollte.

Die Verlierer sind ganz klar die zentral- und osteuropäischen Länder, die Staaten, durch die die Pipeline verlaufen wäre. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts werden sie nur die ukrainische Pipeline haben. Die Situation ist für sie auch schlechter geworden, weil sie eine langsame Energie-Diversifikation brauchen, sowie die Pflege und langsame Erneuerung der europäischen Gas-Beziehungen zu Russland.”

euronews:

“In den vergangenen Jahren war Ungarn einer der größten Unterstützer dieses Projekts. Warum ist es so wichtig für Ungarn? Ist die Annullierung ein politischer oder wirtschaftlicher Schlag für Ungarn?

András Deák:

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“Es ist wahr, dass die russisch-ungarische Wirtschaftskooperation sich auf spektakuläre Weise entwickelt hat. Im Januar wurde ein Vertrag über Atomkraft unterzeichnet. Während des Sommers hat Ungarn die Gasversorgung mit der Ukraine beendet. In den vergangenen Monaten
hat Ungarn ‘South Stream’ wie wild unterstützt. Natürlich steckt ein makro-ökonomischer Grund und Profit dahinter; etwas, das Russland der Regierung angeboten hat, aber wir sehen es nicht. Die Frage ist, ob es das wert ist, immer zu den Russen gegen die Europäische Kommission, die europäische Solidarität, zu stehen? Diese Botschaft zeigt klar, dass es das nicht wert ist, katholischer als der Papst zu sein, russischer zu sein als Moskau. Es ist sinnlos, ein Projekt zu unterstützen, aus dem Russland auch aussteigt. Das wird Ungarn lediglich mehr isolieren.”

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