Die Antikultur des Dschihads - Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Asiem El Difraoui

Die Antikultur des Dschihads - Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Asiem El Difraoui
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euronews: Guten Morgen nach Berlin! Werden die Anschläge der vergangenen Woche Europa verändern? Werden sie Frankreich verändern? Asiem El

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euronews:
Guten Morgen nach Berlin! Werden die Anschläge der vergangenen Woche Europa verändern? Werden sie Frankreich verändern?

Asiem El Difraoui:
Ich glaube natürlich, dass die Anschläge in Frankreich geschichtliche Bedeutung haben. Und dabei stellt sich die große Frage: Wird die französische Gesellschaft, die ohnehin durch die Wirtschaftskrise, durch einen gewissen Mangel an Selbstvertrauen geschwächt ist, den Horror als Chance nutzen, um enger zusammenzurücken, um über Integration nachzudenken oder werden gewisse politische Kräfte diesen Moment nutzen, um zu polarisieren? Dabei denke ich natürlich vor allem an die rechtsextreme Nationale Front.

euronews:
Stellt sich nicht auch die Frage, ob die Anschläge eine Bewegung wie Pegida in Deutschland stärken werden?

Asiem El Difraoui:
Diese Frage stellt sich, glaube ich, nicht nur für Deutschland, sie stellt sich ebenfalls für Gesamteuropa. Werden diese Anschläge Islamophobie weiter stärken, werden rechtsextreme Gruppen, populistische Gruppen mehr Zulauf bekommen? Ich glaube, wir stehen wirklich in einem ganz entscheidenden Moment, wo alle gemäßigten Politiker, die muslimischen Verbände zusammenrücken müssen.

euronews:
Welche Rolle spielt der Islamismus, der religiöse Fundamentalismus bei diesen Anschlägen? Ist er nur eine Folie oder ist das mehr?

Asiem El Difraoui:
Ich glaube, eine ganz grundsätzliche Frage ist: Hat der Dschihadismus noch etwas mit dem Islam zu tun oder ist das eine Sekte oder eine Antikultur des Dschihads, die den Islam nur als Fassade benutzt? Selbst der Islamismus, das heißt, Menschen, die fordern, dass der Islam eine politische Rolle spielt, selbst Menschen, die einen islamischen Staat fordern, sagen, dass dieser Dschihadismus gar nichts mit der Religion zu tun hat. Er ist wirklich eine extreme Sekte, die sich außerhalb des Islams bewegt.

euronews:
In den vergangenen Jahren haben sich Tausende von in Europa geborenen muslimischen Jugendlichen radikalisiert, Hunderte kämpfen im Irak und in Syrien. Gibt es dafür eine Erklärung?

Asiem El Difraoui:
Da kommen ganz zahlreiche Faktoren zusammen. Im Grunde hat sich eine Antikultur des Dschihads unter jungen Menschen verbreitet, zum Glück sind es relativ wenige. Es ist nicht mehr schick, Punk zu sein, sondern wenn man sich von der westlichen Gesellschaft ausgeschlossen fühlt, wenn man ganz anders sein möchte, wenn man seine Ablehnung ausdrücken will, dann wird man relativ leicht Dschihadist. Zudem hat der Dschihadismus ja noch ein Heilsversprechen, er sagt ja jungen Leuten nicht nur, dass es im Grunde wirklich subversiv ist, Dschihadist zu werden. Dieses Heilsversprechen der dschihadistischen Sekte besagt auch: Kommt zu uns, kommt zu der anbeglich wahren Glaubensgemeinschaft und euch werden alle Sünden vergeben!

euronews:
Besteht nicht auch die Gefahr, dass muslimische Gemeinschaften in Europa nun kriminalisiert werden?

Asiem El Difraoui:
Natürlich besteht diese Gefahr. Je mehr Menschen abgelehnt werden, je mehr ganze Glaubensgemeinschaften abgelehnt werden, desto desto größer ist natürlich die Gefahr, dass sie sich radikalisieren.

euronews:
Wie kann Europa dem Islamismus entgegenwirken?

Asiem El Difraoui:
Die europäischen Sicherheitsdienste müssen viel intensiver kooperieren. Gleichzeitig geht es bei der Bekämpfung des Dschihadismus um ganz langfristige Maßnahmen, um großangelegte Präventionsmaßnahmen, die über Jahre dauern, wo man diesen Jugendlichen, die sich am Rande der Gesellschaft befinden, erklärt, dass der Dschihadismus keine Lösung ist, dass das nichts mit Islam zu tun hat. Aber es wird natürlich ein langfristiges Problem sein, mit dem sich Europa noch Jahrzehnte beschäftigen wird.

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