Sind wir alle "Lügenpresse"?

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Vielen Journalisten ist bei diesem Wort unwohl. Jetzt ist das Wort “Lügenpresse” von deutschen Sprachwissenschaftlern in Darmstadt zum Unwort des Jahres gewählt worden.

In den vergangenen Monaten ist der Begriff “Lügenpresse” nicht nur im Internet und in den sozialen Medien zur generellen Kritik verwendet worden. Tagtäglich bringen Zuschauer und Leser mit dem Wort “Lügenpresse” ihren Missfallen an Berichten zum Ausdruck. Und er gehört zu den Hauptargumenten der Pegida-Bewegung Pegida-Bewegung , der “Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes”.

Das Schlagwort “war bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff und diente auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien”, teilte die “Unwort”-Jury unter dem Vorsitz der Sprachwissenschaftlerin Nina Janich am Dienstag in Darmstadt mit. “Lügenpresse” werde “von Leuten gezielt verwendet, die Pegida steuern wollen”, sagte Nina Janich. Hintergrund seien “rechtsextreme Gründe” – was aber nicht allen Teilnehmern der Pegida-Demonstrationen bewusst sei.

Mit dem Ausdruck würden Medien allgemein diffamiert. “Eine solche pauschale Verurteilung verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit.”
Der Ausdruck sei siebenmal eingesandt worden. Insgesamt hatte es rund 1250 Vorschläge gegeben. Die sprachkritische Jury entscheidet aber unabhängig und richtet sich nicht nach der Häufigkeit der Einsendungen.

“Dass Teile der Gesellschaft Journalisten pauschal mit einem historisch belasteten Kampfbegriff diffamieren, offenbart eine erschreckende Geringschätzung für die Unabhängigkeit der Medien und für ihre Rolle in einer offenen Gesellschaft”, sagte der Geschäftsführer von REPORTER OHNE GRENZEN Christian Mihr in Berlin. “Es ist nur angemessen, diesen Begriff als Unwort zu brandmarken, bevor aus solchem Gedankengut Taten folgen.”

Der Begriff “Lügenpresse” muss nach Ansicht von Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der “Süddeutschen Zeitung”, angeprangert werden. “Es ist ein Begriff, der zu Kritik und Diskussion nicht ermuntert, sondern sie erschlägt”, sagte der Ressortleiter Innenpolitik der “SZ” der Deutschen Presse-Agentur dpa. Der Begriff dürfe nicht salonfähig werden. Wer solche Begriffe deklamiere, der attackiere nicht nur die Presse und die Pressefreiheit, sondern die Demokratie. “Dagegen anzutreten,ist immer richtig”, so Prantl. Er betonte, dass er auch Kritik an der Presse für wichtig halte. “Die Presse ist nicht sakrosankt. Man darf sie natürlich kritisieren – denn Pressefreiheit ist Recht und Pflicht”, sagte Prantl. “Wer aber die Presse als “Lügenpresse” betitelt, der kritisiert nicht, sondern verunglimpft, der gebraucht Nazi-Jargon, der verwendet eine Vokabel, die zum Standardvokabular der Rechtsextremen gehört.”

Mit dpa

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