„Islamistische Gewalt ist der Boomerang unserer eigenen Kriege“

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Von Euronews
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Jürgen Todenhöfer ist der bisher einzige deutsche Journalist, der in die von IS-Dschihadisten kontrollierten Gebiete gereist ist und dort in Mosul ein Interview mit einem IS-Kämpfer geführt hat.

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Mit seinem Interview mit einem deutschen Dschihaidstenhat der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer eine Kontroverse ausgelöst. Todenhöfer sprach im Dezember in Mossul mit dem 30-jährigen Abu Qatadah aus Solingen. Die Welt spricht von "zweifelhafter Propaganda für den IS", die Süddeutsche von einem "Infoporno". Todenhöfer hat sich seit vielen Jahren mit der Islamischen Welt auseinandergesetzt, er ist ein scharfer Kritiker der US-Invasionen in Afghanistan und im Irak.

Er ist der bisher einzige deutsche Journalist, der in die von IS-Dschihadisten kontrollierten Gebiete gereist ist und dort in Mosul ein Interview mit einem IS-Kämpfer geführt hat. In seinen Büchern verteidigt Jürgen Todenhöfer den Islam. Er sagt: “Erst wenn wir die muslimische Welt genauso fair behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen, werden wir die Gewalt terroristischer Minderheiten überwinden”.

Kirsten Ripper, euronews: Herr Todenhöfer, was sagen Sie zu den Razzien in mehreren europäischen Staaten und zu den Anschlagsplänen in Belgien?

Jürgen Todenhöfer: Ich finde, dass unsere Sicherheitsorgane alles Notwendige tun sollten, aber ich warne vor Hysterie.

euronews: Seit Jahren treten Sie in Ihren Büchern für mehr Verständnis mit dem Islam ein. Warum glauben Sie, dass der Islam unfair behandelt wird?

Todenhöfer: In den letzten 200 Jahren hat nie ein arabisches Land den Westen überfallen. Wir müssen erklären, warum wir Kriege führen in Afghanistan, in Irak und in Libyen. Und wenn man den Grund sucht, warum es diese schreckliche Organisation IS gibt, muss man seine Geschichte anschauen: IS ist wenige Wochen nach dem Einmarsch der Amerikaner in Bagdad gegründet worden. IS ist ein Baby von George W. Bush. Und die Gewalt, die uns jetzt entgegenschlägt, das ist der Boomerang unserer eigenen Kriege.

euronews: Was hat Sie im von ISIL kontrollierten Gebiet am meisten überrascht?

Todenhöfer: Dass diese Organisation viel stärker ist als unsere Politiker, unser westlichen Politiker glauben; dass wir keine Strategie gegen IS haben, denn Städte zu bombardieren, Millionenstädte zu bombardieren, in denen gerade mal 5.000 IS-Kämpfer sind, würde dazu führen, dass wieder Tausende Zivilisten getötet werden und dass führt zu neuem Terrorismus, das führt nicht dazu, dass IS geschlagen wird.

euronews: Nach Ihrem Interview mit dem Dschihadisten aus Deutschland hat es viel Kritik gegeben. Hätten Sie kritischer nachfragen können?

Todenhöfer: Es kam doch nicht darauf an, was ich denke. Was ich über IS denke, hab’ ich mehrfach geschrieben. Mein Urteil über IS ist vernichtend. Sondern es kam darauf an herauszufinden, was der IS denkt. Und deswegen musste ich schauen, dass dieser Mann redet und dass er offen redet. Und ich kann – weil sie das angedeutet haben – jedem Journalisten, der meint, er hätte in der Höhle des Löwen noch härter rangehen müssen, dem kann ich empfehlen, dem kann ich vielleicht sogar eine Einreise ermöglichen – und der kann dann mal mit den Führern des IS die Gespräche führen, die er gerne führen würde.

Das Gespräch führte Kirsten Ripper.

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