IWF-Chefin Christine Lagarde: "Wachstum in den USA, in der Eurozone nicht"

IWF-Chefin Christine Lagarde: "Wachstum in den USA, in der Eurozone nicht"
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Christine Lagarde ist eine der mächtigsten Frauen der Welt. Sie steht an der Spitze des Internationalen Währungsfonds, der langfristig für weltweite

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Christine Lagarde ist eine der mächtigsten Frauen der Welt. Sie steht an der Spitze des Internationalen Währungsfonds, der langfristig für weltweite Stabilität sorgen soll. Wir haben sie im irischen Dublin getroffen, um mit ihr über Griechenland, die Zukunft der Eurozone und die weltweite Wirtschaft 2015 zu sprechen.

James Franey, euronews: “Christine Lagarde, sie sind Chefin des IWF. Sie sind hier in Dublin, um darüber zu sprechen, was wir aus der Rettungsaktion in Irland lernen können. Ist Irland wirklich ein Modell, wenn Sie die sozialen Folgen betrachten?”

Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds: “Wenn ich mir die Zahlen ansehe, dann ist der irische Aufschwung außergewöhnlich. Das Wachstum ist das höchste in der Eurozone. Die Arbeitslosigkeit ist um fast drei Punkte heruntergegangen. Die Schuldenlast sinkt. Das Defizit hat sich fast halbiert. All diese Zahlen sind wirklich solide und gehen in die Richtung eines guten Aufschwungs. Die Arbeitslosigkeit liegt immer noch bei über zehn Prozent, mehr als 20 Prozent der Jugendlichen sind noch arbeitslos. Wir haben es also noch nicht geschafft. Auch wenn Irland einen guten Start hingelegt hat, muss es noch daran arbeiten, die Arbeitslosigkeit zu senken und Arbeitsplätze zu schaffen. Das sind die Schlüssel für den derzeitigen und zukünftigen irischen Aufschwung.”

euronews: “In Irland leben Regierungsstatistiken zufolge eine dreiviertel Million Menschen in Armut. Wenn Sie hören, welche Folgen die Sparpolitik für das Leben der Menschen hatte: Was fühlen Sie als das Gesicht des IWF? Es gibt die schreckliche Geschichte eines 77-jährigen Apothekers in Athen, der sich erschossen hat, weil er nicht wollte, dass seine Kinder Schulden haben werden. Was fühlen Sie, wenn Sie so etwas hören?”

Christine Lagarde: “Nun, was jeder andere Mensch auch fühlt. Angesichts solcher Tragödien und dieser Not fühlen wir uns schrecklich.

euronews: “Bereuen Sie etwas an dieser Politik?”

Christine Lagarde: “Wenn wir uns auf ein solches Gebiet begeben müssen, wenn ein Land um Hilfe ruft, dann doch wohl, weil es allein die Situation nicht in den Griff bekommt. Sie haben viel mehr ausgegeben, als sie sich leisten konnten, sie kontrollieren die öffentlichen Finanzen nicht mehr. Die Lage ist sehr schlecht. Also müssen wir hingehen und dem Land helfen, seine Wirtschaft wieder aufzubauen, den Zugang zu Finanzierungen wieder herzustellen und sicherstellen, dass Arbeitsplätze geschaffen anstatt zerstört werden.”

euronews: “Das Mantra heisst also: Sei ruhig und spar weiter. Hätten wir nicht etwas anderes tun können, als diese harten Sparmaßnahmen?”

Christine Lagarde: “Wissen Sie, ich denke im Fall Irland war das Ziel ganz klar. Der Fokus lag auf der Wirtschaftspolitik. Es gab Entschlossenheit. Es gab öffentliches und privates Eigentum. Alle wollten aus der tiefen Finanzkrise herauskommen. Es gab auch eine außerordentliche menschliche Kompetenz, das durchzuziehen und Ergebnisse zu erzielen. Die Leistung und die Arbeitsplätze, die geschaffen wurden, sieht man jetzt.”

euronews: “Lassen Sie uns über Griechenland reden. Das ist ein sehr sensibles Thema. Es gibt bald Wahlen.”

Christine Lagarde: “Aus diesem Grund werde ich dazu auch nicht viel sagen.”

euronews: “Reden wir trotzdem darüber.”

Christine Lagarde: “Versuchen wir, respektvoll zu sein.”

euronews “Ich verstehe. Aber der Führer von Syriza, Alexis Tsipras, sagt, er wolle von der Troika eine große Schuldenabschreibung. Denken Sie, die wird er bekommen?”

Christine Lagarde: “Ich denke, wir müssen bis Freitag warten. Sehen, was das Ergebnis der Wahl sein wird und welche Koalition es dort geben wird. Griechenland ist Verpflichtungen gegenüber seinen europäischen Partnern eingegangen. Seinen Kreditgebern. Dann gab es noch die Strukturreformen, die die griechische Wirtschaft wieder herstellen sollten. Von diesen Verpflichtungen sind nur wenige erfüllt worden, es muss noch mehr Arbeit erledigt werden. Nicht wir, nicht die europäischen Partner, nicht das EU-Parlament, wie Herr Schulz gesagt hat – die Griechen selbst müssen das tun.”

euronews: “Und einige nordeuropäische Banken auch.”

Christine Lagarde: “Wenn es um Steuereinnahmen geht, werden kaum die geltenden Standards respektiert. Als ich sagte, die Griechen selbst – auch die Wohlhabenden – mussten Steuern zahlen, das meinte ich. Steuereinnahmen sind ein Ziel, das eingehalten werden muss.”

euronews: “Sind Griechenlands Schulden tragbar?”

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Christine Lagarde: “Das werden wir sehen, wenn wir die Überprüfungen und Verhandlungen mit den Behörden fortsetzen, sobald die Wahl vorüber ist, und sobald es eine Koalition gibt, wenn eine nötig sein sollte.”

euronews: “Haben Sie keinen Plan für den Notfall?”

Christine Lagarde: “Auch wenn ich einen hätte, würde ich Ihnen nichts sagen. Danke, dass Sie es versucht haben, aber nein.”

euronews: “Was steht also auf dem Spiel?”

Christine Lagarde: “Nebenbei: Der IWF ist fast täglich ein Notfallplan, wenn ein Mitglied um Hilfe bittet.”

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euronews: “Was steht bei der Wahl in Griechenland auf dem Spiel?”

Christine Lagarde: “Wissen Sie, das ist wie bei jeder Wahl. Es ist an den Menschen, demokratisch darüber zu entscheiden, was sie für die Zukunft erwarten.”

euronews: “Für Griechenland die Mitgliedschaft in der Eurozone?”

Christine Lagarde: “Es liegt nicht bei mir, darüber zu entscheiden. Das ist Sache der europäischen Partner und Griechenlands. Aber ich habe dazu viele Kommentare gehört, Sie sicher auch.”

euronews: “Was könnten die Folgen sein, wenn Griechenland die Eurozone verlässt? Was würde das für die griechische Wirtschaft bedeuten? Ich weiss, das ist eine hypothetische Frage, aber ich interessiere mich für Ihren Standpunkt als Chefin des IWF.”

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Christine Lagarde: “Aus einer sehr, sehr hypothetischen Frage nach einem Mitglied, das die Eurozone verlässt, würde ich sagen, das ist nach den Regeln der Eurozone gar nicht möglich. Die Folge wären aber massive finanzielle Kosten.”

euronews: “Lassen Sie uns über die weltweite Wirtschaft sprechen. Was sehen Sie als Herausforderungen für 2015?”

Christine Lagarde: “Wachstum und Arbeitsplätze, das ist nicht anders als 2014, außer dass wir uns Sorgen um das Wachstumspotenzial der fortgeschrittenen Wirtschaften machen – außer den USA. In den USA gibt es einen klaren Aufschwung. Das sehen wir derzeit aber weder in der Eurozone, noch in Japan. Wir sehen es in Großbritannien, aber nicht in…”

euronews: “Warum nicht in der Eurozone?”

Christine Lagarde: “Die Kombination einer allmählichen und langsamen Rekapitalisierung… Fakt ist, dass wir eine sehr, sehr niedrige Inflation haben, das hat klare Folgen für das Wachstumspotenzial und deshalb auf das Vertrauen. Man ist in diesem gefährlichen Zyklus, aus dem man herauskommen muss, um wieder Vertrauen herzustellen und wieder Investitionen zu haben, die das Wachstum wieder herstellen.”

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euronews: “Nur noch eine letzte Frage, wenn ich mich Ihrer persönlichen Karriere zuwenden darf. Ich weiss, dass Sie sich – wie alle guten Politiker und Beamten – auf Ihren Job konzentrieren. Aber Herr Sarkozy…”

Christine Lagarde: “Da haben Sie die Antwort.”

euronews: “Aber Herr Sarkozy ist jetzt zurück in der französischen Politik. Sie standen ihm sehr nah, als sie Mitglied der französischen Regierung waren. Jetzt ist er Chef der UMP. Wenn er Sie nun anrufen und fragen würde, ob Sie sich ihm in Frankreich wieder anschließen wollen. Was würden Sie ihm sagen?”

Christine Lagarde: “Ich werde die französische Politik nicht kommentieren, denn…”

euronews: “Sie haben überhaupt keine Pläne?”

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Christine Lagarde: “Denn das ist nicht meine Aufgabe, nicht mein Auftrag, das interessiert mich nciht.”

euronews: “Sie haben keine Pläne, in die französische Politik zurückzukehren?”

Christine Lagarde: “Ich sagte, dass ich darauf nicht antworten werde.”

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