Was darf Satire? Frankreich diskutiert über umstrittenen Comedian Dieudonné

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Von Alexandra Leistner
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Ist das was als Witz gemeint sein soll über die Pariser Anschläge Satire? Sind Mohammed-Karikaturen Satire? Ein Blick auf den Fall Dieudonné und in das französische Recht.

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Wo endet Meinungsfreiheit und wo beginnt Hassrede? Auf diese Frage sucht man in Frankreich nun eine Antwort. Dort steht der Komiker Dieudonné für Terrorverherrlichung unter Anklage. Sein Prozess, der am kommenden Mittwoch beginnen soll, wird in Frankreich scharf beobachtet. Die Frage, warum Charlie Hebdos Karikaturen als Humor angesehen werden – Dieudonnés Äußerungen jedoch nicht, spaltet die Grande Nation.

Dieudonné hatte nach dem Trauermarsch für die Opfer der Pariser Attentate vom 7. und 9. Dezember eine Twitternachricht veröffentlicht, in der er sich sarkastisch über das “historische Ereignis” äußert und sich mit dem Mörder der vier jüdischen Personen im koscheren Pariser Supermarkt indentifiziert: “Ich fühle mich wie Charlie Coulibaly” twitterte er – ein Wortspiel aus dem Slogan der Solidaritätsbewegung “Ich bin Charlie” und dem Namen des antisemitischen Attentäters “Amédy Coulibaly”.

Dieudonné, der mehr als 120.000 Follower auf Twitter hat, hat sich in Frankreich einen Ruf als Rechtsextremer gemacht. Als Sohn einer französischen Soziologin und eines Buchhalters aus Kamerun wird er 1966 in Paris geboren. Sein voller Name ist Dieudonné M’bala M’bala. Er wächst in einem guten Pariser Vorort auf, besucht katholische Schulen und fängt in den 90-er Jahren an, sich politisch zu engagieren: Zunächst aktiv gegen die Politik von Jean-Marie le Pen, den Gründer der rechten Front National-Partei. Er setzte sich gegen jegliche Form von Rassismus ein.

Zu der selben Zeit etwa beginnt er seine Karriere als Comedian. Etwa zehn Jahre später setzt seine politische Wandlung ein. Seine Bewerbung um Zuschüsse von der staatlichen Filmförderungsbehörde für einen Film über Sklavenhandel wird abgewiesen. Doch durch seine Recherchen steckt er bereits tief in dem Thema und ist einigen radikalen Gruppieren beigetreten. Seiner Meinung nach wurden ihm die Mittel verwehrt, da die Behörde lieber die Geschichte der Juden in Europa fördert, als die der Schwarzen. Er vertritt nun auch in seinen Auftritten antisemitische Ansichten und steht deswegen vermehrt vor Gericht.

In einem Zeitungsinterview im Jahr 2002 bezeichnet er das Judentum als “Sekte” und Juden als “Schwindler”. Zwei Jahre später vergleicht er jüdische Demonstranten bei einem seiner Auftritte in Lyon mit Sklavenhändlern, die sich auf dem Rücken der Schwarzen ein Imperium erbaut hätten. Ein anderes Mal nennt er das Gedenken an den Holocaust “Gedächtnispornografie”. Insgesamt wurde er sechs Mal zu Geldstrafen verurteilt, die von 5.000 bis 28.000 Euro reichen. Ein anderes Verfahren gegen ihn läuft gerade wegen einer Äußerung, in der er bedauert, dass man den französischen Journalisten Patrick Cohen nicht mehr in die Gaskammer schicken kann.

“Rassismus, Antisemitismus, die Leugnung des Holocaust und Terrorverherrlichung sind keine Meinungsäußerungen sondern Straftaten”, sagte Frankreichs Premierminister Manuel Valls hinsichtlich der öffentlichen Debatte um die Äußerungen Dieudonnés im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen. Die Satirezeitung Charlie Hebdo war auch vor den Anschlägen durch Extremisten im Januar von Muslimen weltweit für Karikaturen des Propheten Mohammed kritisiert worden. Die Frage, wann Satire Meinungsäußerung und ab welchem Punkt sie als strafbare Aussage verfolgt werden kann, beschäftigt nun die französische Justiz.

Die Meinungsfreiheit ist im französischen Gesetz in Artikel 11 verankert. Doch wie im deutschen Grundgesetz gibt es auch hier Ausnahmefälle, in denen eine Meinungsäußerung strafbar sein kann. Diese Ausnahmen sind zum einen die Diffamierung oder Beleidigung einer Person, zum anderen die Verherrlichung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, antisemitische, rassistische und homophobe Äußerungen. Das Gesetz zum Strafmaß für Terrorverherrlichung wurde im vergangenen Jahr verschärft: Bis zu sieben Jahre Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von bis zu 100.000 Euro, wenn die Aussagen über öffentlich zugängliche Internetseiten veröffentlicht werden.

Nun ist die Frage ob Dieudonnés Äußerungen unter den Begriff der Terrorverherrlichung fallen oder als Humor zu verstehen sind. Dieser ist teilweise von der Meinungsfreiheit geschützt. Jedoch präzisiert das Gesetz: Satire hat seine Grenzen dort, wo eine spezifische Gruppe wiederholt Opfer wird. Das französische Gesetz verbietet es nicht, sich über eine Religion lustig zu machen. In Frankreich gilt das Prinzip der Laizität: Eine strikte Neutralität des Staates in Fragen der Glaubensausübung. Das Wort Blasphemie kommt im französischen Recht nicht vor. Aus diesem Grund wurde Dieudonné bisher bereits mehrfach wegen Hasspredigt, rassistischer Äußerungen und Verleugnung des Holocaust verurteilt. Auch Charlie Hebdo ist mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten, einen Schuldspruch gab es jedoch seltener. Wie in dem Fall, der diese beiden Satire-Grenzgänger verbindet, letztendlich entschieden wird, werden die kommenden Wochen zeigen.

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