Streit mit Regierung in Athen eskaliert

Streit mit Regierung in Athen eskaliert
Von Euronews
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Trotz der Eskalation des Streits um die Schulden Athens und eines Ultimatums der Eurogruppe scheinen in Griechenland viele Menschen zuversichtlich zu sein, dass eine Lösung möglich ist. Vielleicht weigert man sich auch nur, die drohende Pleite für möglich zu halten. “Wir sollten die Regierung unterstützen, wir haben nichts mehr zu verlieren”, heißt es etwa. “Wir wollen unsere Würde wieder zurück und die Regierung wird einen Weg finden.” Oder: “Alles ist möglich, doch ich glaube nicht, dass man es zulassen wird, dass Griechenland sich Russland und China zuwendet. Man wird Kompromisse machen.” Ein anderer Athener sagt: “Es bedarf keiner Beweise mehr, dass sich die EU nicht ändert. Sie ist den Menschen feindlich gesinnt. Die Menschen müssen auf die Straße gehen und ihre Rechte einfordern.”

Die Eurogruppe hat Athen unter Druck gesetzt: Entweder es beantragt bis Freitag eine Verlängerung des Sparprogramms oder, so die Botschaft, es gehe gar nichts mehr. Die Auflagen dieses Programms aber lehnt die Regierung entschieden ab. “Die Regierung erpresst niemanden”, meint der griechische Europaabgeordnete Dimitros Papadimoulis. “Wir bemühen uns um eine Lösung, die für Griechenland und für die ganze Eurozone gut ist. Wir erpressen nicht und dulden es auch nicht, erpresst zu werden.” Doch es gibt auch die Angst vor dem Austritt aus der Eurozone: Unternehmen und Privatpersonen haben in den vergangenen Wochen mehr als 20 Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben.

Nach dem Eklat beim Treffen der Euro-Gruppe am Montagabend baten wir Gregory Claeys von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel in unser Studio.

euronews:
“Man könnte meinen, dass sich die griechische Regierung wie ein tollkühner Pokerspieler verhält. Sie will offenbar nicht zur Kenntnis nehmen, dass sie das Land an den Rand des Abgrunds führt. Man könnte aber auch denken, die Eurozone sei ein erbarmungsloses bürokratisches Monster, das bereit ist, ein ganzes Land einigen Prinzipien zu opfern.”

Gregory Claeys:
“Man könnte auch denken, die griechische Regierung sei unerfahren, doch im Grunde genommen hat sie durch die Wahl ein klares Mandat erhalten: Das Programm, auf dem die Troika besteht, zu beenden. So betrachtet sind die Forderungen der Regierung klar und manchmal gerechtfertigt. Wahr ist auch, dass die Eurogruppe und die europäischen Partner Athens dem Land seit 2010 eine Politik auferlegt haben, die sich als kontraproduktiv erwiesen hat. Man hat die negativen Folgen der Sparpolitik unterschätzt.”

euronews:
“Ist es denkbar, dass Griechenland und die Eurozone den Konflikt am gestrigen Abend übertrieben haben, um letztlich einem Kompromiss den Weg frei zu machen?”

Gregory Claeys:
“Man könnte tatsächlich den Eindruck haben, dass man den Zusammenstoß wollte und dass dieser eingetreten ist. Schaut man sich jedoch die Einzelheiten an, entsteht der Eindruck, dass sich beide Seiten in der Sache ziemlich nahe sind.”

euronews:
“Der Standpunkt Griechenlands war gestern ein klares Nein zu einer Verlängerung des Hilfsprogramms. Für die anderen Mitglieder der Eurozone war die Zustimmung Athens dazu Voraussetzung für Verhandlungen. Gibt es da Spielraum?”

Gregory Claeys:
“Die eine Seite will ein zeitlich befristetes Darlehen, die andere will das Hilfsprogramm verlängern. Beide Seiten sind voneinander gar nicht so weit entfernt, doch die Griechen können nicht heimkehren und dort erzählen, dass sie einem Programm zugestimmt haben, das in Griechenland verhasst ist. Das ist eher ein Problem der Wortwahl.”

euronews:
“Es gibt ein Ultimatum, bis Mittwoch erwartet die Eurogruppe Gespräche. Was geschieht mit Griechenland, sollte es keinen Kompromiss geben?”

Gregory Claeys:
“Im nächsten Monat muss Griechenland einige der Darlehen zurückzahlen, die Zeit drängt also. Die vergangenen Jahre haben jedoch gezeigt, dass immer ein Kompromiss möglich war, selbst wenn das im allerletzten Moment geschah.”

euronews:
“Wie könnte Ihrer Meinung nach ein Kompromiss aussehen?”

Gregory Claeys:
“Beide Seiten müssen in mehreren Punkten übereinstimmen. Erstens geht es darum, einen Schuldenschnitt auszuschließen. Zweitens müssen sich Reformen auf den Kampf gegen die Korruption und die Steuerflucht konzentrieren. Für die Vorgänger-Regierungen hatte das keine Priorität. Für Syriza hingegen hat diese Frage Vorrang. Weil sie wichtig ist, sollte Syriza sich dafür einsetzen. Drittens geht es um die Bedingungen für die Erstattung der Schulden. Ich denke, dass es möglich ist, sie zeitlich zu strecken und die Zinsen zu reduzieren. Kurzfristig würde das die Schmerzen Griechenlands verringern.”

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