Israel vor der Wahl - Netanjahu vor dem US-Kongress

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Benjamin Netanjahu hat Probleme. Deutlicher konnte die US-Regierung nicht zeigen, was sie vom Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Anfang März

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Benjamin Netanjahu hat Probleme. Deutlicher konnte die US-Regierung nicht zeigen, was sie vom Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Anfang März in Washington hielt. Präsident Barack Obama weigert sich, Netanjahu zu treffen. Vizepräsident Joe Biden steht nicht als Ersatz zur Verfügung, weil er – auffällig spontan geplant – nach Uruguay und Guatemala reist. Und auch Außenminister John Kerry werde dann sicher im Ausland weilen, hieß es in Washington.

Eine klare Botschaft: Netanjahu ist nicht willkommen. Offiziell heißt es zwar, man wolle den Eindruck vermeiden, sich kurz vor der israelischen Parlamentswahl am 17. März in die Innenpolitik des Landes einzumischen. Doch der echte Grund ist explosiver: Obama ist erbost, weil Netanjahu sich an den US-Kongress wendet, ohne das vorher mit ihm abgesprochen zu haben. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, hatte Netanjahu einfach hinter Obamas Rücken eingeladen, um über die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm zu sprechen.

Netanjahu contra Obama

Der israelische Regierungschef wolle die Gelegenheit nutzen, die Verhandlungen der fünf UN-Vetomächte sowie Deutschlands mit dem Iran zu kritisieren, heißt es. Am liebsten wolle er den ganzen Prozess – und damit Obamas außenpolitisches Prestigeprojekt – zum Entgleisen bringen. Die meisten US-Republikaner sind gegen eine Annäherung an den Iran. Die israelische Zeitung “Maariv” bezeichnete das als einen “frontalen Zusammenstoß” zwischen beiden Staatsmännern. Der Streit habe den strategischen Beziehungen zwischen Israel und den USA bereits enormen Schaden zugefügt. Auch in Amerika sehen das viele so. “Für mich ist das eine Beleidigung des Präsidenten der Vereinigten Staaten”, so der demokratische Abgeordnete Greg Meeks. Er und zahlreiche andere Kongressmitglieder von Obamas Partei wollten der Rede fernbleiben.

US-Kommentatoren sprechen vom endgültigen Bruch zwischen zwei Männern, die sich ohnehin nie mochten. Das ist gravierend, bezeichnen sich beide Länder doch gegenseitig als engste Verbündete. Was die Dimension des Diplomatie-GAU noch vergrößert ist, dass Netanjahu es als ausländischer Regierungschef wagt, die Politiker in Washington gegeneinander aufzubringen. Den Israeli im Alleingang zu der Rede einzuladen, ist eine öffentliche Brüskierung Obamas durch Boehner.

Umso schwerer wiegt ein Vorwurf, den ein meist gut informierter Autor
der “Washington Post” erhob: Netanjahu soll geheime Bestandteile
eines möglichen Abkommens des Westens mit dem Iran einfach an die
israelische Presse gegeben haben. Dabei soll er bewusst auch Fehlinformationen gestreut haben. Das Weiße Haus habe daraufhin den Informationsaustausch mit Israel über die Verhandlungen gestoppt. Netanjahu betont allerdings, keineswegs eine Konfrontation mit dem US-Präsidenten zu suchen. Ziel seiner Ansprache sei es vielmehr, vor den großen Gefahren eines “schlechten Abkommens” bei den Atomverhandlungen zu warnen. Der Vorschlag, der Teheran gegenwärtig vorliege, sei “sehr gefährlich für Israel und gefährlich für die Region und den Weltfrieden”, sagte er bei einem Treffen mit US-Kongressmitgliedern in Jerusalem. Auch Israels Minister für internationale Beziehungen und Nachrichtendienste, Yuval Steinitz, äußerte sich bei der der Münchner Sicherheitskonferenz am 8. Februar gegenüber euronews in ähnlicher Weise.

Netanjahu und der Iran

Aus Netanjahus Sicht würde der Vorschlag es Teheran ermöglichen,
binnen kurzer Zeit eine erste Atombombe zu bauen. “Und er würde es
dem Iran erlauben, die industrielle Basis zur Urananreicherung
aufzubauen, die als Treibstoff für viele weitere Bomben in den
kommenden Jahren dienen kann”, so Netanjahu. Es sei seine “heilige Pflicht” als israelischer Ministerpräsident, mit seiner Rede gegenzusteuern. Nach einer Meinungsumfrage des israelischen Fernsehens ist mehr als die Hälfte der Israelis gegen seine Ansprache vor dem Kongress. Von vielen wird die Reise als unlauterer Wahlkampf gesehen. Das Zentrale Wahlkomitee hat daher entschieden, dass die
Ansprache vor dem Kongress in Israel nur mit fünfminütiger Verzögerung übertragen werden darf. Äußerungen des Vorsitzenden der rechtsorientierten Likud-Partei, die eindeutig dem Wahlkampf dienen sollen, könnten so von Nachrichtenredakteuren noch zensiert werden.

Wahlkampf und Innenpolitik

Hinzu kommen Netanjahus innenpolitische Probleme. Etwa die Wohungspreise. Ein kritischer Bericht über die Wohnungskrise in
Israel setzte den Ministerpräsidenten bereits drei Wochen vor
der Parlamentswahl unter Druck. Der Staatskontrolleur Joseph
Shapira veröffentlichte einen Bericht, demzufolge die Wohnungspreise zwischen 2008 und 2013 um 55 Prozent gestiegen sind. Die Mietpreise stiegen in dem Zeitraum um 30 Prozent.

Am 17. März wählt Israel eine neue Knesset – und Netanjahu hofft auf
eine vierte Amtszeit. Sein Wahlkampf wurde jedoch von Anfang an von Vorwürfen überschattet, er und seine Frau führten einen verschwenderischen Lebensstil auf Kosten der Steuerzahler. Die hohen Wohn- und Lebenshaltungskosten standen schon 2011 im Zentrum sozialer Proteste im Land. Monatelang gingen Menschen seinerzeit auf die Straße und forderten mehr soziale Gerechtigkeit. Geändert hat sich jedoch nichts seither.

Und der Friedensprozess?

Für einen Frieden mit den Palästinensern steht Netanjahu nicht. Gut drei Wochen vor der Parlamentswahl hat eine Friedensorganisation einen dramatischen Anstieg der Siedlungsaktivität während der Amtszeit Netanjahus angeprangert. Allein im Jahre 2014 sei die Zahl der Baubeginne im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gestiegen, teilte die Organisation Peace Now mit. Im vergangenen Jahr sei mit dem Bau von 3100 Wohneinheiten sowie 165 öffentlichen Gebäuden und 92 industriellen und landwirtschaftlichen Einrichtungen begonnen worden. Gut zwei Drittel davon befänden sich in Gebieten, auf denen die Palästinenser ihren künftigen Staat errichten wollen. Damit habe die Zahl der Ausschreibungen in den Siedlungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem ein Zehn-Jahres-Hoch erreicht.

Die Schlussfolgerung von Peace Now: Bei der Wahl am 17. März gehe es um “die Zukunft der Zwei-Staaten-Lösung”. Jedes weitere Jahr mit
der Rechten an der Macht bedeute mehr Siedlungsbau und verringere
die Wahrscheinlichkeit von zwei Staaten.

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