Nachwuchs für den Terror: Dschihadisten locken junge Frauen

Nachwuchs für den Terror: Dschihadisten locken junge Frauen
Von Euronews
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Hayat Boumedienne, die Freundin des Paris-Attentäters Amedy Coulibaly, bei der Ausreise aus Frankreich. Sie ist nur eine von vielen Frauen, die sich

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Hayat Boumedienne, die Freundin des Paris-Attentäters Amedy Coulibaly, bei der Ausreise aus Frankreich. Sie ist nur eine von vielen Frauen, die sich den dschihadistischen Banden im Nahen Osten anschließen. Oft sind es junge Frauen, einige sind in westlichen Ländern aufgewachsen. Dass sie sich radikalen Islamisten wie denen der Terrororganisation Islamischer Staat anschließen, ist ein recht neues Phänomen, immerhin waren Frauen bei den Dschihadisten in der Vergangenheit nicht gern gesehen. Inzwischen werden die Frauen gezielt rekrutiert, allerdings weniger für den bewaffneten Kampf. Auch wenn Propagandavideos wie dieses genau das suggerieren. Nur wenige der Frauen, die sich in die Arme der Islamisten begeben, werden dort eine Kalaschnikow in die Hände bekommen.

Die Rekrutierung von Frauen aus dem Westen läuft vor allem über das Internet. Jungen Mädchen werden Geld und ein besseres Leben versprochen. In der Regel wissen die Angesprochenen nicht, welche Rolle die Islamisten ihnen in Wahrheit zugedacht haben, sie wissen nichts von der Gehirnwäsche, der sie unterzogen werden. Die Schwester von Johnathan Ali Meheni ist nach Syrien gegangen.

Meheni: “Sie sagt nicht, dass sie enttäuscht sei, sie sagt, dass es ihr gut gehe, da, wo sie ist, und dass sie nicht zurück wolle. Alles ist wohl toll da unten. Ich verstehe das nicht.”

Das Phänomen zu bekämpfen ist nicht leicht angesichts des steigenden Einflusses sozialer Netzwerke und Gruppen wie dem Islamischen Staat, die genau wissen, wie sie vorgehen müssen. Für sie hat die Rekrutierung junger Frauen vor zwei Ziele: Sie sollen zum einen für Nachwuchs sorgen und die Männer zum Kampf anspornen.

Dass sich auch Frauen terroristisch betätigen, ist indes nicht neu. Selbstmordattentäterinnen etwa gibt es seit langem, zum Beispiel in Palästina. Aber auch an der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater durch tschetschenische Terroristen waren Frauen beteiligt, sogenannte Schwarze Witwen, wie die tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen genannt werden.

Das Phänomen der Dschihad-Rekrutinnen ist in Europa verbreitet. Illegale Schleuser helfen oft, die Frauen in den Nahen Osten zu bringen. Vor allem aber sind die Schleuser zur Stelle, wenn die Frauen wieder zurückwollen. Besonders über Spanien und die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla gelinge vielen Dschihad-Rekrutinnen die Rückkehr nach Europa.

“Junge Mädchen oft aus ihren Zimmern heraus rekrutiert”

Über die Gründe,die Frauen haben, wenn sie Organisationen wie ISIL beitreten, hat für euronews Joanna Gill mit Mia Bloom gesprochen, Professorin für Sicherheitsstudien an der Universität Massachussetts und Autorin des Buches “Bombshell: Die vielen Gesichter weiblicher Terroristen”.

Joanna Gill, euronews: Derzeit macht das Profil der gut ausgebildeten, jungen und westlichen Frau die Runde, die ihrer Wut über den Konflikt in Syrien Ausdruck verleiht, indem sie der IS-Miliz beitritt. Was bringt diese Frauen zu diesem Extremismus? Sind die Gründe dieselben, wie für Männer?”

Mia Bloom: “Es scheint zunächst keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu geben. Aber oft heisst es, Frauen seien emotional motiviert, oder von der Sehnsucht nach Rache, während Männer oft als ideologisch, religiös oder politisch motiviert gelten. Ich habe herausgefunden, dass Männer und Frauen häufig von all dem motiviert sind – allerdings zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrem Leben.”

euronews: “Junge Mädchen werden oft aus ihren Zimmern im Westen heraus online rekrutiert. Sie haben das mit dem Locken von Sexualverbrechern in Verbindung gebracht. Können Sie das erläutern?”

Bloom: “So wie Kinder sich von Pädophilen anlocken und missbrauchen lassen und langsam sexuellen Inhalten oder Pornographie ausgesetzt werden, spielen diese jungen Mädchen bei ISIS häufig ‘Köpfen’ mit ihren Puppen, ihnen werden Filme gezeigt – bis sie schließlich selbst bei solchen Aktionen zuschauen. Das ist ein Prozess der Desensibilisierung, anfangs geht es aber darum, Vertrauen zu erwecken, eine Verlockung anzubieten. Diese 14, 15 oder 16 Jahre alten Mädchen werden nicht von 30-jährigen Männern angesprochen, sondern von 20-jährigen Mädchen, die sich cool geben, mit denen sie eine Beziehung eingehen können, so dass ihre Abwehrbereitschaft geringer wird. Das ist sehr typisch für das Anwerben im Internet.”

euronews: “Es wird oft über die Nutzung sozialer Medien im Zusammenhang mit ISIL gesprochen. Was unterscheident sie von anderen Gruppen?”

Bloom: “Nun, ISIS hat Inhalte im Internet und soziale Medien auf eine Art benutzt, die al-Qaida und sogar den Tamil Tiger in Sri Lanka überlegen war. Alle diese Gruppen verstehen es sehr gut, die Medien für ihre Zwecke zu nutzen. Derzeit ist das mediale Umfeld weitaus interaktiver, es gibt viel Vor und Zurück. Das ist inzwischen viel raffinierter. Es wird viel auf Englisch gemacht, um ein englisch-sprachiges Publikum anzusprechen. Es gibt spezielle Muster für junge Leute. Aber auch die Plattform zählt: Twitter, Ask.fm und Facebook. Das sind relativ neue Werkzeuge – verglichen mit dem flachen Gebrauch sozialer Medien zuvor durch al-Qaida.”

euronews: “Es gibt jetzt die Übersetzung eines Dokuments, das ein Manifest für die unter ISIL lebenden Frauen ist. Es behandelt die Rolle der Frau in der Gesellschaft im Hinblick auf ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen. Inwieweit reflektiert diese romantische Darstellung der Mutterschaft die Realität unter ISIL?”

Bloom: “Ich denke, der Inhalt dieses Dokuments war nicht für ein Englisch sprechendes Publikum gedacht, das diesem Disney-idealisierten Bild entgegensteht, das ISIS in Großbritannien, Kanada oder Australien abgibt, indem sie sagen: ‘Das ist ein wundervolles Leben, kommt her und erlebt etwas, tragt etwas bei!’. Das arabische Dokument macht klar, dass man sofort verhreiratet wird und dann das Haus nicht mehr verlassen darf, dass man aber immer noch mehr für das Kalifat leisten kann, als für die eigenen Gesellschaften.”

euronews: “Wie können westliche Länder versuchen, der ISIL-Propaganda zu kontern?”

Bloom: “Ich habe zum Beispiel auf Twitter gesehen, wie ein britischer Dschihadist mitteilte, er habe gedacht, dass er ein mutiger Märtyrer sei und jetzt müsse er Toiletten putzen. Eine Sache, an die ich angesichts der Rückkehrer denken muss, ist, dass sie ihre Desillusion der Öffentlichkeit mitteilen und damit Zweifel säen.”

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