Wahlen in Israel: Wird Netanjahu ein viertes Mal Regierungschef?

Wahlen in Israel: Wird Netanjahu ein viertes Mal Regierungschef?
Von Euronews
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Nur zwei Jahre nach der jüngsten Parlamentswahl wird an diesem Dienstag in Israel über eine neue Regierung abgestimmt. Die Mitte-Rechts-Koalition

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Nur zwei Jahre nach der jüngsten Parlamentswahl wird an diesem Dienstag in Israel über eine neue Regierung abgestimmt. Die Mitte-Rechts-Koalition Benjamin Netanjahus brach im vergangenen Dezember zusammen. Heftiger noch als der Streit über eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts war jener über einen Gesetzentwurf gewesen, nach dem Israel als jüdischer Staat definiert werden sollte.
Netanjahu feuerte daraufhin zwei Minister seines Kabinetts und das Parlament beschloss seine Selbstauflösung. Netanjahu will ein klares Mandat für seine konservative Likud-Partei. Es wäre seine vierte Amtszeit als Regierungschef. Anfang März hatten seine Herausforderer Jitzchak Herzog und Tzipi Livni von der Mitte-Links-Opposition einen leichten Vorsprung. Sie werfen Netanjahu vor, mit seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik gescheitert zu sein. Sie wollen die anhaltend gestiegenen Lebenshaltungskosten stoppen. Zudem kritisiert die Opposition, Netanjahu habe Israel außenpolitisch isoliert. Zum Wahlprogramm der Zionistischen Union gehört auch eine Vertiefung der Beziehungen zu den Palästinensern. Die umstrittene Rede Netanjahus Anfang des Monats vor dem Kongress in Washington, in der er die Iran-Politik des US-Präsidenten Barack Obama kritisierte, hat ihm daheim keinen Wählerzuwachs beschert.
Trotz der guten Chancen der Opposition bei der Wahl hat es Netanjahus Likud aber leichter, eine Koalition zu bilden.

Über die anstehende Parlamentswahl in Israel sprachen wir mit der israelischen Journalistin und Bloggerin Tal Schneider.

euronews:
“Herzlich willkommen! Es ist etwas mehr als zwei Jahre her, dass in Israel gewählt wurde. Was denken die israelischen Wähler darüber, dass sie schon wieder abstimmen sollen?”

Tal Schneider:
“Wir sind es gewohnt, dass in Israel außerplanmäßig gewählt wird, das ist nichts Neues. 24 Monate sind aber tatsächlich wenig Zeit. Eine Regierung sollte stabiler sein. Die israelischen Wähler sind verärgert darüber, dass die Regierungen nicht stabil sind und darüber dass sie nach so kurzer Zeit erneut abstimmen müssen.”

euronews:
“Die Wähler sind also von der politischen Klasse enttäuscht. Welches ist das wichtigste Thema, über das die Wähler sprechen?”

Tal Schneider:
“Wir haben in den vergangenen fünf, sechs Jahren die Erfahrung machen müssen, dass Wohnen und Waren teurer geworden sind. Das beschäftigt die Menschen. Über den Terror oder über den Iran hingegen sprechen sie nicht, was verrückt ist. In besonderer Weise sprechen sie auch ein wenig über den Terror. Nur acht Monate nach einem verheerenden Krieg spricht man über Sicherheitsfragen, der Iran hingegen ist weniger ein Thema. Es ist eines, das der Ministerpräsident auf die Agenda gesetzt hat, doch es beschäftigt die Menschen kaum.”

euronews:
“Haben somit die wirtschaftlichen Fragen den Popularitätsverlust Benjamin Netanjahus verursacht?”

Tal Schneider:
“Netanjahu hat in den vergangenen Jahren den Eindruck erweckt, dass er öffentlichkeitsfern ist. Er vermittelt das Bild, an wirtschaftlichen Fragen nicht interessiert zu sein und nur am Iran Interesse zu haben. Der Iran ist freilich eine Bedrohung, doch im Alltag spielt er keine Rolle. So kommt es, dass Netanjahu am Ende der Kampagne von den Dingen weit entfernt ist, die die Israelis wirklich interessieren: Ernährung, Ausbildung, Gesundheit, wie das auch in jedem anderen westlichen Land der Fall ist.”

euronews:
“Was meinen Sie zu den wichtigsten Herausforderern Netanjahus, zu Jitzchak Herzog und Tzipi Livni, den beiden Chefs des Mitte-Links-Bündnisses Zionistischen Union? Gibt es Anzeichen dafür, dass sie an die Verhandlungen mit den Palästinensern anders herangehen wollen?”

Tal Schneider:
“Es ist ganze sechs Jahre her, dass Netanjahu keinerlei Initiative ergriffen hat. Selbst nach dem Krieg in Gaza, der Experten zufolge die Möglichkeit einer regionalen Friedensinitiative geboten hätte, hat er nichts unternommen. Andererseits hat insbesondere Herzog keine Erfahrung in Sicherheitsfragen, er war Sozialminister und gehörte damit nie dem Sicherheitskabinett an. Er ist jedoch in den vergangenen Jahren mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammengekommen und war mehrfach in Ramallah. Seine Partei hat Kontakt zur palästinensischen Fatah und beschäftigt sich auch mit wirtschaftlichen Fragen. Diese stehen ganz oben auf der Agenda der Partei. Es sind die Fragen, für die sich die Wähler am meisten interessieren. Zu den dringlichen Angelegenheiten, die Herzog in Ordnung bringen muss, zählen die Beziehungen Israels zum Weißen Haus. Die erste Amtshandlung des künftigen Ministerpräsidenten wird es sein, am Dienstag oder Mittwoch zum Telefon zu greifen und mit dem Weißen Haus zu sprechen. Was hier in den vergangenen Monaten stattgefunden hat, war verheerend und muss wieder in Ordnung gebracht werden.”

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