Wie der Zweite Weltkrieg Russland geprägt hat

Wie der Zweite Weltkrieg Russland geprägt hat
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Von Natalia Marshalkovich
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Ein Land in Ruinen

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Der Zweite Weltkrieg hat die Sowjetunion – besonders den Westen – völlig zerstört. Ein Teil der Verwüstungen wurde ganz bewusst angerichtet. Stalin praktizierte die Politik der verbrannten Erde, um die Deutschen davon abzuhalten, auf ihrem Vormarsch auf Moskau 1941 von Plünderungen zu profitieren.
Doch auch die deutsche Wehrmacht hinterliess bei ihrem Rückzug zwei Jahre später nur verbrannte Erde.
Mehr als 1.700 Städte und 70.000 Dörfer verschwanden völlig – ebenso 32.000 Fabriken und 65.000 Kilometer Bahnstrecke.
Es gab keine Menschen, keine Maschinen und keine Herden mehr, Hungersnot war die Folge.
Während Europa vom Marshallplan der USA geholfen wurde, wiesen die UdSSR und die Ostblockstaaten die angebotene Hilfe zurück. Auch wenn in der Sowjetunion bald wieder Wachstum registriert wurde, so wurde diese zum Teil mit Zwangsarbeit erkauft.
Unter den Arbeitern waren zwei Millionen deutsche Kriegsgefangene und etwa genauso viele Dissidenten, die zur sogenannten “Gulag-Armee”.

Foto: Stalingrad, Dez, 1942 – AP

Die Militärindustrie spielte in der Nachkriegssowjetunion eine entscheidende Rolle. 1949 hatte die UdSSR eine Atombombe entwickelt. Es folgte das sowjetische Weltraumprogramm.
Selbst Mitte der 80er Jahre waren 70 Prozent der sowjetischen Industrieproduktion militärisch, dies ist einer der Faktoren für den wirtschaftlichen Kollaps des kommunistischen Systems.

_Unten: Propagandaposter für den Fünf-Jahres-Plan _

Die meisten Toten

Foto: Max Alpert, Combat (A battalion commander), 1942

Der Zweite Weltkrieg war – und wird es hoffentlich auch bleiben – der blutigste Konflikt in der Geschichte der Menschheit. Die Schätzungen gehen weit auseinander, aber etwa 60 Millionen Menschen – Militärs und Zivilisten – wurden getötet. Das sind drei Prozent der Vorkriegsbevölkerung, die auf zwei Milliarden Menschen geschätzt wird.
Nirgends waren die menschlichen Verluste so immens wie in der UdSSR, wo die Hälfte aller Opfer zu beklagen waren.
Es war eine demografische Katastrophe.
Stalin sagte 1946, es habe im Zweiten Weltkrieg sieben Millionen sowjetische Tote gegeben. Chruschtschow korrigierte diese Zahl 1956 auf 20 Millionen. Heute nennt die russische Regierung die Zahl von 26,6 Millionen Toten, zwei Drittel davon waren Zivilisten. Einige russische Experten gehen aber von noch höheren Opferzahlen aus.

Foto: Dmitri Baltermants, Grief, Kertch, 1942

Nach den aktuellen Zahlen verlor die UdSSR 14 Prozent ihrer Vorkriegsbevölkerung im Zweiten Weltkrieg.

Beginn der Weltmacht

Die Belohnung für die Opfer im sogenannten GROSSEN PATRIOTISCHEN KRIEG war die Rolle als einer von zwei Architekten in der neuen Weltordnung. Auf den Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam überzeugte Stalin Briten und Amerikaner, dass Ostpolen, Litauen, Lettland, Estland und ein Teil Rumäniens zur UdSSR gehörten oder von der Sowjetunion geleiteten Regimen regiert werden sollten.

Fotos: Karte der UdSSR, 1991 (links); Churchill, Roosevelt und Stalin in Jalta 1945 (rechts)

Nach dem Ende des Dritten Reichs fiel auch ein Teil von Ostpreussen (heute in der Region Kaliningrad) an die UdSSR. Nach der Niederlage Japans gingen Sachalin und die Kurilen Inseln, die aber Japan bis heute nicht als russische Territorien anerkennt.
Die Sowjetunion sicherten ihre Kontrolle über den Osten Europas als ihrer Einfluss-Sphäre. Die Grenzen im neuen Konflikt, dem Kalten Krieg mit den USA, waren gezogen.

Von Familie zu Familie

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass jede einzelne Familie in Russland und in den Ex-Sowjetrepubliken vom Zweiten Weltkrieg betroffen war. Die Folgen gingen von Generation zu Generation.
40 Jahre nach dem Krieg schrieb der Kriegsteilnehmer und Dichter Yuri Levitansky, dass es der Krieg noch immer in ihm sei wie eine Zunge der Ewigen Flamme:

«I don’t still dwell on that past war,
the war still dwells inside of me,
and tongues of the Eternal Flame
are licking at me steadily.»
(Translation by Tanya Wolfson)

Der Tag des Sieges wird in allen Ex-Sowjetrepubliken gefeiert, aber die Zahl der Überlebenden des Zweiten Weltkriegs nimmt immer weiter ab genau wie die Begeisterung der Massen für die Siegesfeiern. Damit verändert sich auch die Symbolik dieses Tages.
In einer neuen Umfrage des russischen Levada Zentrums ist der Tag des Sieges über Nazideutschland zwar noch der wichtigste Feiertag. Aber 31 Prozent der Befragten sehen ihn eher als “Staatsereignis” und weitere 31 Prozent als “Gedenktag für alle Bewohner von Ex-Sowjetrepubliken”. Nur 16 Prozent der Russen sprechen von einem Tag für Kriegsveteranen. Das dominierende Gefühl, das mit den Siegesfeiern verbunden wird, ist Nationalstolz für 59 Prozent, 18 Prozent denken an Leid und Kummer. 21 Prozent denken an Stolz und Leid.
Auch wenn die Sowjetunion wirtschaftlich zusammengebrochen sein mag, dennoch gibt es weiterhin Interesse für Nationalstolz als Folge des Zweiten Weltkriegs in Russland.

Foto: Russische Soldanten am 9. Mai 2014. Reuters

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