Son of Saul: Das Unbeschreibliche spüren

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Der Film Son of Saul hat bei den Filmfestspielen in Cannes für großes Aufsehen gesorgt. Er widmet sich den sogenannten Sonderkommandos in Auschwitz

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Der Film Son of Saul hat bei den Filmfestspielen in Cannes für großes Aufsehen gesorgt. Er widmet sich den sogenannten Sonderkommandos in Auschwitz, Häftlingen, die unter anderem Deportierte in die Gaskammern führen und die Leichen danach verbrennen mussten. Nach einigen Monaten wurden die Angehörigen der Sonderkommandos selbst ermordet. Der Film folgt Saul, der in einem solchen Kommando schuftet. Son of Saul ist der erst lange Film des Ungarn Laszlo Nemes.

Nemes: “Wir wollten keinen schönen Film machen, wir haben daher jede klassisch-ästhetische Herangehensweise vermieden. Sie werden in dem Film praktisch keine schönen Aufnahmen finden, so etwas haben wir uns nicht erlaubt. Es ist kein ikonographischer Film, man kann keine Werbe-Fotos des Films machen, was nimmt man also? Es geht also mehr um die Dynamik des Films, es war sehr wichtig, nicht in den Sentimentalismus anderer Shoah-Filme abzugleiten.”

Die Gewalt ist zwar stets präsent, man sieht sie jedoch nicht. Man ahnt sie, hört sie, sieht sie im Blick der Figuren. Die Zuschauer sollen begreifen, ohne das Geschehen direkt zu sehen. Als Saul die Leiche eines kleinen Jungen entdeckt, den er als seinen Sohn ansieht, beschließt er, ihn menschenwürdig zu bestatten.

Nemes: “Es gibt für mich eine Stimme aus dem Off, aber sie existiert im Kopf der Zuschauer. Es ist deren Vorstellungskraft. Wir versuchen, eine Brücke zu dieser Vorstellung zu bauen. Es ist die große Frage dieses Films: Kann man Dinge entstehen lassen, Emotionen, Eindrücke, die man anders als auf dem Weg der Vorstellungskraft gar nicht zeigen kann.”

Der Erfolg dieses Films hat auch mit der großartigen Schauspielleistung Geza Röhrigs zu tun. Röhrig bereitete sich unter anderem mit Hilfe eines Buches des Historikers Gideon Greif auf seine Rolle als Saul vor.

Geza Röhrig: “Das Buch heißt “Wir weinten tränenlos…” und es besteht aus acht Interviews mit ehemaligen Sonderkommandomitgliedern, die heute in Israel leben. Weltweit leben noch 20 von ihnen, acht in Israel. Nachdem sie jahrzehntelang geschwiegen haben, haben sie dann begonnen, ihre Erfahrungen mit dem Historiker zu teilen, der sie 13 Jahre lang befragt hat. Es war sehr anstrengend, sie zum Sprechen zu bewegen. Sie haben niemandem, nicht einmal ihren nächsten Angehörigen, erzählt, was sie in Auschwitz getan haben.”

Auch auf anderen Gebieten, etwa dem Ton, der Inszenierung, der Kamera überzeugt Son of Saul. Vielen Kritikern gilt er als einer der Favoriten auf den Hauptpreis von Cannes, die goldene Palme.

Dokus über Sonderkommando-Mitglieder

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