Türkei: Endet am Sonntag die AKP-Dominanz?

Türkei: Endet am Sonntag die AKP-Dominanz?
Von Euronews
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Die Parlamentswahlen am Sonntag, sie könnten das Ende markieren, das Ende von 12 Jahren unangeforchtener Dominanz der regierenden AKP von Präsident

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Die Parlamentswahlen am Sonntag, sie könnten das Ende markieren, das Ende von 12 Jahren unangeforchtener Dominanz der regierenden AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der hat einen Traum. Er will die Verfassung ändern und ein präsidentielles System einführen. Dafür braucht er, bzw. die AKP mindestens 330 Sitze. Sein Traum, er könnte an mehreren Hindernissen scheitern.

Die pro-kurdische HDP ist eines dieser Hindernisse. Die linke Partei gilt als echte Rivalin für die AKP. Zum ersten Mal könnte sie die Zehnprozenthürde knacken und ins Parlament einziehen. Parteichef ist der charismatische Selahattin Demirtas. Bei den Präsidentschaftswahlen vergangenes Jahr erhielt er 9,8 Prozent der Stimmen. 2012 wurde die Partei gegründet. In Umfragen liegt sie bei um die zehn Prozent – sie könnte es also schaffen.

Ein weiteres Hindernis: Die Wirtschaft. Nachdem sie jahrelang zwischen vier und zehn Prozent gewachsen war, stürzte sie 2014 um fast drei Prozent ab. Das laufende Jahr begann mit Nullwachstum. Die Wirtschaft hängt zu sehr vom Bausektor ab, vom Konsum und der Verschuldung der Privathaushalte. Inzwischen hat die Oppsition das Thema für den Wahlkampf entdeckt und zwingt die AKP so in die Defensive.

Ein weiterer Schwachpunkt der Regierungspartei ist ihre Politik gegenüber Syrien. Vier Jahre Krieg haben die demographische Struktur der türkischen Grenzgebiete verwandelt: Fast zwei Millionen Syrer sind in die Türkei geflohen, mehr, als in jedes andere Nachbarland Syriens. Der Zustrom und die Politik der offenen Grenzen hat bei vielen Türken ein Gefühl wirtschaftlicher Unsicherheit ausgelöst. Ankara ist zudem einer der schärfsten Gegner von Baschar al-Assad. Viele Türken empfinden diese Haltung als zu aggressive Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates.

Euronews-Reporter Bora Bayraktar hat in Istanbul mit M. Adil Gür, dem Direktor des Meinungsforschungsinstituts A&G, über die anstehenden Wahlen gesprochen.

euronews-Reporter: Welches Bild zeichnen Ihre jüngsten Umfragen von der aktuellen Lage der Türkei?

M.Adil Gür, Direktor des Meinungsforschungsinstituts A&G: In den vergangenen drei Monaten gab es viele akute Themen für die Türkei. Es gibt zwei Hauptfragen: Wird es der pro-kurdischen HDP gelingen mitzumischen? Und zweitens: Wird die Türkei in Zukunft von einer einzigen Partei regiert werden oder wird es eine Koalition geben? Nach unseren Umfragen können wir sagen, dass es in dieser Frage tatsächlich sehr knapp werden könnte.

Genau kann ich Ihnen aber nicht sagen, ob wir eine Koalition bekommen werden. Diese Frage werden wir uns wohl bis zur Auszählung der letzten Stimme stellen.

euronews: Die vergangenen Wahlen haben gezeigt, dass die Menschen bei der Stimmabgabe ihre eigenen Interessen verfolgen. Wie wird es diesmal sein? Mit welchen Sorgen werden die Menschen an die Urnen treten?

M.Adil Gür: Da gibt es mehr als eine Sorge. Die Wähler der HDP geben ihre Stimme aus ideologischen Gründen ab. Sie wollen ihre Volksgruppe repräsentiert sehen.
Die Anhänger der MHP wählen aus einem nationalen Reflex heraus. Wenn die Stimmenzahl der pro-kurdischen Partei steigt, passiert das auch bei den türkischen Nationalisten.
Die republikanische CHP bekommt ihre Stimmen ebenfalls aus ideologischen Gründen. Diese Wähler wollen ein Erstarken der AKP vermeiden.
Die AKP-Wähler wiederum unterstützen die Partei eher, weil sie den Status Quo erhalten wollen, mit ihrem Leben zufrieden sind.

Zusammengefasst: Es gibt nicht nur einen einzigen Grund, der die Entscheidung an der Urne beeinflusst, es gibt eine Vielzahl: wirtschaftliche und ideologische.

Zweifellos ist es aber so: Die wirtschaftliche Lage bestimmt, wer an die Regierung kommt und wer nicht. Die Menschen suchen nach Antworten auf bestimmte Fragen: Wie bezahle ich meine Miete, wie das Schulgeld für meine Kinder? Was ist mit der Kreditkartenrechnung und wer kümmert sich um mich, wenn ich alt bin?

euronews: Wird es Ihren Untersuchung zufolge eine stabile Regierung geben? Oder müssen die Menschen schon bald erneut an die Urnen?

M.Adil Gür: Die Türkei hat in den letzten Jahren immer wieder Phasen extremer politischer Polarisierung erlebt. Die Spitzen der Parteien greifen sich mit sehr deutlichen Worten gegenseitig an. Es gibt kaum Verständigung. Sollte eine Partei an die Macht kommen, die kein stabiles Wahlergebnis vorweisen kann, wird es schwierig werden, die Macht zu halten. Dafür gibt es zu viele akute Themen: die Kurden, Syrien, der Nahe Osten.

Aber auch im Falle einer Koalition könnte es soweit kommen. Das sage ich Ihnen als jemand, der die politische Entwicklung in der Türkei seit langer Zeit verfolgt.

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