13. Kunstbiennale in Lyon: Modernes Leben - radioaktiv

13. Kunstbiennale in Lyon: Modernes Leben - radioaktiv
Von Kirsten Ripper
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Von weitem sieht das Plakat fröhlich aus, es erinnert an Flussufer bei Lyon, “La vie moderne” (“Das moderne Leben”), bunte Sonnenschirme am Strand – erst bei näherem Hinsehen erscheint am Horizont das Atomkraftwerk. AKWs gibt es auch an der Rhône.

Das Poster der 13. Kunstbiennale von Lyon ist ein Bild aus dem Video von Yuan Goang-Ming.
Im Drohnenflug geht es über eine malerische Landschaft, Tropenwald, ein Stadion, das Meer, der Strand, doch gleich hinter den badenden Familien unter den Sonnenschirmen beginnt der Geigerzähler zu ticken.
Die Drohne fliegt weiter, nähert sich dem AKW, das Ticken wird immer lauter. Plötzlich der grüne Kontrollraum, Fukushima?
Yuan Goang-Ming hat die Aufnahmen in Taiwan gemacht, es ist nicht wirklich Fukushima, doch lauert die Katastrophe nicht mittlerweile überall?

Übrigens ist “La vie moderne” auch der Titel eines Films des französischen Filmemachers Raymond Depardon, der in einem Vorort von Lyon geboren ist und der auch das offizielle Foto des französischen Präsidenten gemacht hat: Francois Hollande auf dem Rasen hinter dem Elysée-Palast. Ein vieldiskutiertes Bild aus dem wahren Leben.

Abstrakter stellt Otobong Nkanga die Last der Moderne dar, in Form von bis zu 800 Kilo schweren Betonkugeln an Seilen, die Last, die wir alle mit uns herumschleppen.

Das wahre Leben im Kapitalismus mit seinen Skandalen zeigt Simon Denny. Er hat einen ganzen Raum mit den Sachen gefüllt, die die Polizei auf Anordung des FBI bei Kim Dotcom sichergestellt hat. Der deutsche Gründer der umstrittenen Internetplattform Megaupload besaß nicht nur mehrere Wagen der Luxusklasse, eine ganze Sammlung riesiger Flachbildfernseher – die einträchtig aufgereiht sind, einen rosa Jetski, sondern auch kitschige Skulpturen (die angeblich seine Frau wiederhaben wollte, wie vermeintlich neuseeländische Zeitungen mit französischen Überschriften erklären). Der 1982 geborene Künstler Simon Denny ist den Kim Dotcom entgegengesetzen Weg gegangen: er kommt aus Neuseeland und lebt inzwischen in Berlin.

Ökologisch dagegen sieht Michel Blazy die Welt: da wächst es liebevoll aus dem ollen Mac und aus dem kaputten Drucker, Pflanzen sprießen aus kaputten Turnschuhen und Pullovern.

Beeindruckende Farbkompositionen auf den Fotos des Nigerianers George Osodi zeigen Kühe im Müll in Indien und Kinder in Nigeria vor brennenden Ölanlagen.

Zum Staunen bringen Wunder der Natur in Daniel Naudés Bildern von Tieren und Nestern australischer Vögel, die farblich sortierte Sachen um ihre Nestbauten herum sammeln. Die Sachensucher unter den Tieren.

Viele Künstler haben extra für die Biennale Lyon die Geschichte der Stadt verarbeitet. So bildet die in Los Angeles lebende Russin Marina Pinsky die Cour des Voraces im Szene-Viertel Croix-Rousse nach: Photo sur soie – Foto auf Seide – eine Anspielung auf die Lyoner Seidenwebertradition. Indem sie internationale Künstler für sich gewinnt, wirbt die Stadt für sich und ihre Geschichte(n), die die moderne Kunst weitererzählt. Gleichzeitig machen sich noch nicht ganz so bekannte Künstler auf der Biennale einen Namen.

Céleste Boursiers-Mougenots Schlagzeug in der Mitte des Ausstellungsgebäudes in der ehemaligen Zuckerfabrik am Ufer der Saône beginnt plötzlich zu trommeln. Doch es droht keine Gefahr. Was von Weitem wie Kieselsteine wirkt, sind in Wirklichkeit Kirschkerne, die geradezu sanft auf das Instrument fallen.

Die 13. Kunstbiennale ist noch bis zum 3. Januar 2016 geöffnet und findet an mehreren Ausstellungsorten in und um Lyon statt.

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