Wieder zur Wahl: Wer regiert Griechenland?

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Alexis Tsipras spielt eine riskante Pokerpartie. Am 20. August trat er als griechischer Ministerpräsident zurück, um bei Neuwahlen eine stabilere

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Alexis Tsipras spielt eine riskante Pokerpartie. Am 20. August trat er als griechischer Ministerpräsident zurück, um bei Neuwahlen eine stabilere Mehrheit zu erringen. Das Volk hat das Wort:

“Sie werden mit ihrer Stimme entscheiden, ob die Einigung mit den Geldgebern die richtigen Bedingungen enthält, um den Stillstand zu beenden und die Wirtschaft anzuschieben”, so Tsipras an das griechische Volk gerichtet. “Und Sie werden entscheiden, ob die Einigung helfen kann, die Zeit der schmerzhaften Sparmaßnahmen zu beenden.”

We will continue our fight—for a government that stands up for, and stands together with the people #SYRIZA#Greecepic.twitter.com/9C5euPYfTv

— Alexis Tsipras (@tsipras_eu) September 17, 2015

Als das Linksbündnis Syriza im Januar die Wahl gewann und Tsipras Ministerpräsident wurde, versprach er den Griechen bessere Zeiten: “Das Urteil des griechischen Volkes beendet ohne jeden Zweifel den Teufelskreis der Sparpolitik in unserem Land”, sagte er damals.

Doch der politische Alltag war dann weniger romantisch. Im Ringen mit den Geldgebern musste Tsipras Kompromisse eingehen. Ende Juni wurden die Banken geschlossen, die Not der Bevölkerung saß der links-rechts Regierung aus Syriza und “Unabhängigen Griechen” im Nacken.

Per Volksabstimmung lehnte die Mehrheit der griechischen Bevölkerung die Sparauflagen der Gläubiger ab. Finanzminister Yanis Varoufakis – neben Tsipras das Aushängeschild der Regierung – trat von seinem Amt zurück. Varoufakis hatte anders als Tsipras notfalls auch ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euroraum in Kauf genommen. Sein Rücktritt solle die Verhandlungen erleichtern, sagte Varoufakis.

Am 13. Juli einigten sich Griechenland und die Geldgeber dann, einen Monat später gab auch das Parlament in Athen grünes Licht – allerdings war Tsipras dabei aufgrund von Abweichlern in der eigenen Partei auf Oppositionsstimmen angewiesen. Unter der Leitung des ehemaligen Energieministers Panagiotis Lafazanis gründeten die Syriza-Rebellen die Partei Volkseinheit.

Die Mehrheit im Parlament hatte Tsipras somit de facto verloren. Seine Rechnung mit Unbekannten lautet nun: Neuwahlen gewinnen und mit neuer Mannschaft sowie möglicherweise neuem Koalitionspartner erneut Regierungsverantwortung tragen.

Auf Euphorie wie im Januar kann er dabei nicht mehr setzen. Tsipras weiß um den politischen Alltag.

“Die Griechen sind wahlmüde”

Im Gespräch mit Eleni Rizopoulou schätzt euronews-Korrespondent Stamatis Giannisis die Lage vor der Wahl ein und sagt, warum die Griechen mit weniger Enthusiasmus an die Urnen treten als noch bei der Volksabstimmung im Juli.

euronews:
Stamatis, was gibt es Neues im Wahlkampf? Was sagen die letzten Umfragen?

Stamatis Giannisis:
Nach mehr als 20 landesweiten Umfragen in den vergangenen Wochen haben die Parteien recht gute Schätzwerte auf der Hand, wie viele Stimmen sie am Sonntag erhalten werden. Deshalb bemühen sie sich darum, so viele noch unentschiedene Wähler wie möglich für sich zu gewinnen. Denn diese Menschen werden wahrscheinlich entscheidend für das Endergebnis der Wahl sein.

Den meisten Umfragen zufolge liegen die beiden Hauptkonkurrenten, Syriza und Neue Demokratie, Kopf an Kopf – manchmal mit weniger als einem Prozent Differenz.Deswegen sind die politischen Kommentatoren sehr vorsichtig, was Vorhersagen angeht. Denn sie wissen nicht, ob die noch unentschiedenen Wähler eher zwischen den großen und kleinen Parteien schwanken oder ob sie einem der beiden Hauptkonkurrenten noch so viele Stimmen bringen werden, dass es vielleicht am Ende eine absolute Mehrheit gibt.

euronews:
Wie ist die Stimmung in Griechenland? Wie blicken die Menschen auf diese Wahl und die Tatsache, dass sie nun bald wieder abstimmen müssen?

Giannisis:
Am Sonntag werden die Griechen zum dritten Mal innerhalb der vergangenen neun Monate an die Wahlurnen schreiten. Das erste Mal waren die Parlamentswahlen im Januar im Anschluss an die gescheiterte Präsidentenwahl im Parlament. Das zweite Mal war im Juli, als die Tsipras-Regierung das Volk befragte, ob es den Sparauflagen der Geldgeber zustimmt oder sie ablehnt.

Am Sonntag treten die Griechen also für die Neuwahlen wieder an die Urnen, um über eine Regierung oder eine Regierungskoalition zu entscheiden, die das dritte Hilfspaket umsetzen muss, das Tsipras vor seinem Rücktritt ausgehandelt hat. Man kann verstehen, dass die Griechen wahlmüde sind. Sie zögern nicht, zur Wahl zu gehen, doch der Enthusiamus ist geringer als vor der Wahl im Januar oder vor der Volksabstimmung im Juli. Sie haben das Gefühl, dass – wer auch immer gewinnt – derjenige die neuen Sparauflagen umsetzen muss, die den Alltag noch schwieriger machen werden als er ohnehin schon ist.

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