Haben die Golfstaaten ein Flüchtlingsproblem?

Haben die Golfstaaten ein Flüchtlingsproblem?
Von Euronews
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Während in der EU diskutiert wird, wie am besten mit den hohen Flüchtlingszahlen umzugehen ist, geraten die Golfstaaten immer mehr in die Kritik

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Während in der EU diskutiert wird, wie am besten mit den hohen Flüchtlingszahlen umzugehen ist, geraten die Golfstaaten immer mehr in die Kritik, nur wenige Menschen aus dem kriegsgeplagten Syrien aufzunehmen. Die Golfstaaten weisen diese Kritik zurück.

Kürzlich haben die Außenminister des “Kooperationsrats der Arabischen Staaten des Golfes” offiziell verlangt, dass “es eine politische Lösung für die Krise in Syrien geben müsse” und dass es “einen weltweiten Einsatz dafür gebe, die Flüchtlingskrise zu bewältigen”.

Sie betonten, dass “seit dem Beginn der Krise im März 2011 die syrischen Brüder in den arabischen Staaten willkommen sind, wo sie einen Einwohnerstatus haben und sowohl das Gesundheits- und Bildungssystem in Anspruch nehmen, als auch Arbeit aufnehmen könnten.”

Es ist aber nicht nur eine Frage der Zahlen: Kuwait, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate behaupten, dass Millionen Syrern die Einreise in die arabischen Staaten gewährt werde, seitdem in Syrien der Bürgerkrieg ausbrach. Trotzdem scheint es, als ob mehr Syrer lieber das Risiko und die Strapazen auf sich nehmen, nach Europa zu fliehen, anstatt im Nahen Osten zu bleiben.

“Die Golfstaaten haben uns überhaupt nicht geholfen. Europa ja, sie haben ihre Pforten für uns geöffnet, außer vielleicht einige Länder, aber die meisten waren sehr hilfreich”, sagt Ali, ein Flüchtling aus dem Irak, den euronews auf der Durchreise in Kroatien traf.

Wo halten sich die Flüchtlinge auf?

Amnesty International gab bekannt, dass 95% oder 3,8 Millionen der Menschen, die aus Syrien geflohen sind, sich überwiegend in fünf Ländern aufhalten: in der Türkei, dem Libanon, Jordanien, Irak und Ägypten. Der Libanon trägt die Hauptlast: Dort haben mehr als eine Million Flüchtlinge Unterschlupf gefunden, das macht mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus.

Was machen die Golfstaaten?

Die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Kuwait halten daran fest, dass sie ihren Teil zur Unterstützung von Flüchtlingen beigetragen haben, sowohl finanziell als auch mit Sachleistungen.

Das erklären die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE):

- als Gastland haben sie mehr als tausend Syrer beherbergt und ihre Visa, bzw. Aufenthaltstitel verlängert

- mehr als 17.000 syrische Schüler besuchen die Schule in den VAE

- finanzielle Unterstützung für Projekte in der Region, die Nahrungsmittel und Unterkunft für syrische Flüchtlinge bereitstellt. Ein Beispiel ist das “Al Mreijeb Fhoud” – Flüchtlingslager in Jordanien, das mehr als 10.000 syrische Flüchtlinge beherbergt

- ein Feldkrankenhaus in Jordanien, das mit einer Chirurgie-, Herz- und Kinderstation ausgestattet ist und rund eine halbe Million Flüchtlinge behandelt hat. Das Krankenhaus wird von den VAE finanziert.

Das erklärt Saudi-Arabien:

- Aufnahme von mehr als 2.5 Millionen Syrern, diese haben jedoch keinen Flüchtlingsstatus, um “ihre Sicherheit und Würde zu bewahren”

- mehr als 100.000 syrische Jugendliche besuchen die örtlichen Schulen und Universitäten

- Finanzierung eines Krankenhauses für Flüchtlinge in Jordanien, in dem Tausende “angemessen” behandelt werden

Das erklärt Kuwait::

- seit dem Beginn der Krise in Syrien 2011 sind Aufenthaltsbestimmungen für Syrer erheblich gelockert worden – es sei wesentlich leichter für sie, ihren Aufenthaltstitel zu verlängern

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- 120.000 Syrer leben in Kuwait

- Kuwaits gemeinnützige Organisationen haben nach eigenen Angaben rund 85 Millionen Euro gespendet

Insgesamt haben die sechs Golfstaaten (Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Bahrain und Oman) mehr als 800 Millionen Euro gespendet, um den Betroffenen des Syrienkrieges zu helfen.

Die finanzielle Unterstützung wird allgemein begrüßt – das Internationale Rote Kreuz gab bekannt, dass die VAE in diesem Jahr als der weltweit führende Geldgeber für humanitäre Hilfe anerkannt werden. Dies ist zum Großteil auf deren Unterstützung für die vertriebenen Syrer in Jordanien zurückzuführen.

Wo liegt also das Problem?

Das Problem besteht nicht aus großzügigen Spenden der Golfstaaten, sondern an dem offensichtlich fehlenden Willen zur Aufnahme von Migranten.

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Peter Bouckaert, Notfalldirektor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, sagte gegenüber euronews:

“Saudi-Arabien hat keine Beweise angeboten, um die These zu unterstützen, dass es die Ankunft vieler Syrer “begrüßt”. Vielmehr scheint es, dass viele der erfassten Syrer nur auf der Durchreise sind oder waren. Die Zahl der ein- und ausreisenden Syrer mit einer Aufnahmezahl von Migranten gleichzusetzen, scheint nicht gerechtfertigt. Während eine Reihe von Syrern Arbeit in den Golfstaaten findet, ist es sehr schwierig für Syrer, die auf der Flucht sind. Sie haben fast keine Chancen, als Flüchtlinge in Golfstaaten anerkannt zu werden und soziale oder andere Leistungen zu bekommen.”

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass wohlhabende Syrer – ausgestattet mit Urlauber-Visa von Golfstaaten – den Bürgerkrieg in selbstgewählten “Komfortzonen” aussitzen können, während andere Syrer maximal einreisen, aber nicht dauerhaft bleiben dürfen.

Warum ist Europa das bevorzugte Ziel von Migranten?

Die Antwort erscheint zunächst einfach: Europa hat schlichtweg die vorteilhaftesten Gesetze für Migranten.

Die Golfstaaten sind keine Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention (eigentlich: “Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge”), die am 28. Juli 1951 auf einer UN-Sonderkonferenz in Genf verabschiedet und am 22. April 1954 in Kraft getreten war.
Das bedeutet praktisch, dass es in den Ländern keine standardisierten Vorgänge für einen Umgang mit der Ankunft von zahlreichen hilfesuchenden Menschen aus anderen Ländern gibt.

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Kulturell bedingt verleihen die Golfstaaten Ausländern nur in Ausnahmefällen die jeweilige Staatsbürgerschaft. Das gilt auch für wohlhabende ausländische Gastarbeiter und selbst nach jahrelang bestehenden Beschäftigungsverhältnissen. Dadurch sollen Einheimische geschützt und ihre Teilhabe an wertvollen Vorkommen von Bodenschätzen gesichert werden.

In Europa genügt oft das formelle Erreichen des Flüchtlingsstatus für Aufenthaltsgenehmigungen, Sozialleistungen, Unterbringung, Schulbesuche, Sprachkurse und Vorbereitungen auf den Arbeitsmarkt. Das genaue Prozedere und der Umfang der Leistungen gestalten sich allerdings von Land zu Land unterschiedlich. Deutschland etwa gilt bislang als besonders aufnahmefreundlich und wird deshalb gegenüber Nationen wie Ungarn oder Österreich oft als Erstaufnahmeland bevorzugt.

Quellen:
http://www.gulfinthemedia.com/index.php?m=politics&id=762787&lim=20&lang=en&tblpost=2015_09
http://uk.reuters.com/article/2015/09/06/uk-europe-migrants-gulf-idUKKCN0R60HV20150906
http://gulfnews.com/news/mena/syria/uae-has-worked-tirelessly-to-help-syrians-gargash-1.1585308
http://www.jordantimes.com/news/local/uae-official-opens-new-phase-emirati-funded-refugee-camp#sthash.m3MDhgS3.dpuf
https://www.saudiembassy.net/latest_news/news09111501.aspx
http://www.dailysabah.com/nation/2015/06/13/turkeys-ihh-and-qatar-charity-send-27-aid-trucks-to-syria
http://gulfnews.com/news/mena/syria/kuwait-extends-residency-permits-for-syrians-1.1577117
http://reliefweb.int/report/jordan/gulf-donors-and-ngos-assistance-syrian-refugees-jordan

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