Portugiesische Wahlszenarien: Instabilität nicht ausgeschlossen

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Am Sonntag wird in Portugal gewählt, doch viele Bürger werden sich wohl erst auf dem Weg zur Urne entscheiden, wem sie ihre Stimme geben. Schätzungen

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Am Sonntag wird in Portugal gewählt, doch viele Bürger werden sich wohl erst auf dem Weg zur Urne entscheiden, wem sie ihre Stimme geben. Schätzungen zufolge sind 20 Prozent der abstimmungsberechtigten Portugiesen noch unentschieden.

Viele Meinungsumfragen sagen ein knappes Rennen zwischen der liberal-konservativen PSD des amtierenden Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho und den Sozialisten unter der Leitung von António Costa voraus.

Die PSD bildete in den vergangenen vier Jahren eine Koalition mit der konservativen CDS-PP und fuhr einen strikten Sparkurs. Andere Parteien, mit denen eine Zusammenarbeit in Frage käme, gibt es für die PSD, die 2011 39 Prozent der Wählerstimmen erhielt, praktisch nicht. Eine absolute Mehrheit für die PSD ist laut Meinungsumfragen ebenso wenig in Sicht wie für die Sozialisten, die bislang als zweistärkste Kraft im Parlament saßen. Ein potentieller Koalitionspartner für die Sozialisten wäre der Linksblock. Ein Bündnis mit der kommunistischen Partei ist hingegen keine Option, betont deren Vorsitzender Jerónimo de Sousa:

“Wie kann die kommunistische Partei für eine sozialistische Partei stimmen, die die Lohn- und Rentenkürzungen der Regierung verteidigt?”, fragt de Sousa rhetorisch.

Große Bedeutung wird dem Abstimmungsverhalten der Erstwähler zugerechnet. Welche Partei kann angesichts stark ausgeprägter politischer Frustration im Land mehr junge Leute für sich gewinnen? Am Sonntag wird das portugiesische Volk diese und weitere Fragen an den Urnen beantworten.

“Wahrscheinlich wird es eine Lage der politischen Instabilität geben”

Der Journalist und politische Kommentator Joaquim Vieira blickt im Gespräch mit euronews-Reporterin Maria Barradas auf bestimmende Themen der Parlamentswahl und mögliche Szenarien voraus.

euronews:
Was erwarten die Portugiesen von dieser Wahl?

Joaquim Vieira
Meiner Meinung nach erwarten die Portugiesen eine Regierung, die die vergangenen vier Jahre der Krise, der Sparpolitik und der Unterwerfung unter einen Rettungsplan vergessen macht. Die Zeit war für die ganze Gesellschaft schmerzhaft. Ab jetzt erwarten sie Stabilität und eine Methode, um zu Entwicklung, Fortschritt und Wirtschaftswachstum zu kommen.

euronews:
Das Ganze läuft auf eine Entscheidung zwischen einer Regierung unter Passos Coelho und Costa hinaus. Welches sind die Hauptunterschiede?

Vieira:
Ihre Programme ähneln sich sehr. Beide bekennen sich zum europäischen Fiskalpakt. Auf makroökonomischer Ebene gibt es keine großen Unterschiede, obwohl seitens der Sozialisten möglicherweise eine größere Sensibilität für die Lösung gewisser sozialer Fragen besteht. Aber in jedem Fall gibt es einen engen Rahmen, was die Umsetzung ihrer Politik betrifft.
Auf der rechten Seite gibt es eine Koalition, die bislang an der Regierung war und die in der Umsetzung politischer Ziele eher realistisch handelt. Die Vorschläge der Linken basieren auf dem Szenario wirtschaftlichen Wachstums, das möglicherweise gar nicht eintreten wird.

euronews:
Welches sind mögliche Szenarien nach der Wahl? Was kann passieren?

Vieira:
Es besteht die Aussicht, dass wahrscheinlich keine der beiden größten politischen Kräfte die absolute Mehrheit erlangt. Wahrscheinlich wird es eine Lage der politischen Instabilität geben. Es könnte im Parlament zu Vereinbarungen kommen, um gewisse Dinge zu billigen. Es könnte im Parlament eine Mehrheit der Linken geben, doch ich sehe nicht, wie die eine Regierung bilden könnten, denn zwischen den Sozialisten und den anderen Linksparteien besteht eine Kluft und bestehen Themen, die sie trennen. Unter anderem in Sachen Europapolitik.

euronews:
Glauben Sie, dass es trotz allem einen gewissen Spielraum gibt, um eine Regierung zu bilden oder wird das Land plötzlich unregierbar sein?

Vieira:
Ich glaube, dass es in einer Demokratie immer Lösungen gibt, deshalb glaube ich nicht, dass das Land unregierbar sein wird. Einigungen im Parlament könnten beispielsweise nur für eine kurze Zeit wirksam sein, bis es Neuwahlen gibt. Doch Neuwahlen können nicht sofort stattfinden, weil es im Januar Präsidentschaftswahlen gibt. Wenn es nach der Wahl am Sonntag wirklich eine Situation der politischen Instabilität geben sollte, dann ist fast sicher, dass Neuwahlen erst in einem Jahr stattfinden werden. Zudem wird sich keine Partei die Bürde aufladen, die Regierung zu stürzen, weil alle wissen, dass sie dann bei den nächsten Wahlen dafür einen hohen Preis zahlen könnten.

euronews:
Wie kann man die Möglichkeit interpretieren, dass es vielleicht zu keiner Mehrheit kommt? Heißt das, dass die Portugiesen mit der Politik der vergangenen vier Jahre zufrieden sind? Oder im Gegenteil: Sind die Programme der Opposition keine Alternative?

Vieira:
Ich würde sagen, dass die Portugiesen nicht zufrieden sind und dass die harte Sparpolitik sehr viel Ärger ausgelöst hat. Wenn sie keine Gründe sehen, für die derzeitige Koalition zu stimmen, kann es sein, dass sie auch nicht genug Gründe sehen, stattdessen den Sozialisten ihre Stimme zu geben. Es kann passieren, dass die Zahl der Nichtwähler hoch sein wird, das würde den Verdruss und die Unzufriedenheit ausdrücken, die die Portugiesen gegenüber den Parteien haben, die bei dieser Wahl antreten.

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