"Hilfst Du mir, so helf' ich Dir" - die Flüchtlingskrise, die Türkei und die EU

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Der Strom der Flüchtlinge aus Syrien reißt nicht ab. Immer mehr Menschen fliehen nach Europa, auf dem Landweg oder – wie hier – übers Meer. Ziel: die

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Der Strom der Flüchtlinge aus Syrien reißt nicht ab. Immer mehr Menschen fliehen nach Europa, auf dem Landweg oder – wie hier – übers Meer. Ziel: die Europäische Union. Das stellt die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei auf eine harte Probe. Denn viele Flüchtlinge aus dem Nachbarland Syrien kommen über die Türkei – die meisten wollen weiter nach Deutschland.

So ist es kein Zufall, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am vergangenen Wochenende nach Ankara reiste. Im Gepäck: Konkrete Angebote an die Türkei in Sachen EU-Beitritt oder zumindest für eine Annäherung. Die Verhandlungen waren zuletzt doch arg ins Stocken geraten. Merkel ist ob der Flüchtlingskrise unter Druck, das erklärt auch ihre neu entdeckte Verhandlungsbereitschaft. Noch vor wenigen Tagen hatte die Kanzlerin “Nein” zu EU-Türkei-Gesprächen gesagt. Jetzt also wird verhandelt. Noch in diesem Jahr wird es Gespräche geben über Wirtschaft und Finanzen. 2016 soll über Recht und Justiz gesprochen werden. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hört das gerne: “Wir hoffen, dass die festgefahrenen Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union wieder aufleben und die Beitrittsverhandlungen Fahrt aufnehmen.” (…) “Wir hoffen nun, dass die Türkei im Juli kommenden Jahres ‘Schengen’ beitreten kann und dass zum gleichen Zeitpunkt das Rückübernahme-Abkommen in Kraft treten kann.”

“Hilfst Du mir, so helf’ ich Dir” – so in etwa könnten die Gespräche zusammengefasst werden. Ankara hofft auf die visafreie Einreise für die 78 Millionen Türken ab dem kommenden Sommer. Die EU will, dass die Türkei die von ihrem Gebiet aus illegal in die EU Eingereisten wieder aufnimmt. Merkel stellt eine fairere “Lastenteilung” in Aussicht, heißt: mehr EU-Geld. Damit sollen die Türken die Situation in ihren Flüchtlingslagern verbessern, auch um Anreize für eine Flucht nach Europa zu vermindern. Dafür gibt es Geld. Die Türkei hatte drei Milliarden Euro gefordert.

Die EU würde die Türkei zum “sicheren Herkunftsstaat” erklären. Damit würde man aber auch konstatieren, dass es in der Türkei keine politische Verfolgung gibt. Tatsächlich werden bislang 23 Prozent der Asylanträge aus der Türkei in der EU positiv beschieden. Ein Vabanquespiel, das weiß auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: “Ich bin sehr dafür, dass wir in Sachen Visa-Freiheit einen Fortschritt erzielen. Wie ich im Europäischen Parlament gesagt habe, glaube ich, dass die Türkei auf die Liste sicherer Drittstaaten gehört.”

Ein anderes Hindernis für die Türkei auf dem Weg nach Europa gilt es noch aus dem Weg zu räumen: Seit Jahrzehnten streiten die Türkei und EU-Mitglied Zypern über den türkischen Nordteil der Insel.

Die Türkei ist in der europäischen Flüchtlingsfrage in den Fokus gerückt. Darüber sprachen wir mit der türkischen Europaministerin Beril Dedeoglu.

euronews:
“Die Flüchtlingskrise scheint die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei, die stagnierten, wieder in Schwung gebracht zu haben. Verhandelt wird zur Zeit über einen sogenannten Aktionsplan. Die Türkei und die EU haben diesbezüglich unterschiedliche Erwartungen. An welchem Punkt befinden wir uns zur Zeit?”

Beril Dedeoglu:
“Wir bedauern, dass erst die Krise in Syrien zur Wiederbelebung der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei geführt hat. Wir bedauern, dass dies vor dem Hintergrund eines humanitären Dramas stattfindet. Über ein Rückabnahme-Abkommen und Visa-Erleichterungen wurde allerdings bereits vor der Syrien-Krise verhandelt.”

euronews:
“Wurden die Verhandlungen nun beschleunigt?”

Beril Dedeoglu:
“Das war notwendig. Die Themen wurden nun gebündelt. Die Flüchtlingsfrage ist schwierig, darum dauern die Verhandlungen an. Es ist keine Frage, die nur ein einziges Land betrifft, wir haben eine gemeinsame Verantwortung. Sowohl seitens der Türkei als auch auf europäischer Seite, insbesondere seitens der Europäischen Kommission, gibt es die deutliche Bereitschaft, eine Lösung zu finden. Die derzeitige Krise zeigt, dass wir ein gemeinsames Schicksal haben. Wichtig ist es, unsere Beziehungen zu entwickeln. Jetzt ist es soweit.”

euronews:
“Die Türkei fordert seit langem Visa-Erleichterungen. Wenn die EU das Thema aufnimmt, geht es nur um Visa-Erleichterungen für bestimmte Gruppen. Das ist parteiisch. Welches sind die Erwartungen der Türkei diesbezüglich?”

Beril Dedeoglu:
“Dass die Bürger eines Landes, das EU-Beitrittskandidat ist, von der Freizügigkeit des Schengen-Raumes profitieren können.”

euronews:
“Alle?”

Beril Dedeoglu:
“Ja.”

euronews:
“Die EU sieht das anders.”

Beril Dedeoglu:
“Das geht nicht sofort, es erfordert Zeit. Ich verstehe die Zweifel der Europäer. Doch auch die türkischen Bürger haben Erwartungen.”

euronews:
“Mehrere Länder haben Rückführungs-Abkommen unterzeichnet, doch deren Umsetzung ist schwierig. Wie will die Türkei Flüchtlinge daran hindern, das Land zu verlassen?”

Beril Dedeoglu:
“Es geht um gemeinsame Verfahren der Länder, die EU-Mitglieder sind oder solche werden wollen. Die Zahlen sind weniger hoch als wir denken.”

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euronews:
“Doch funktioniert es? Wie können Flüchtlinge daran gehindert werden, die Türkei zu verlassen?”

Beril Dedeoglu:
“Erstens: Es funktioniert. Zweitens halten sich in der Türkei zweieinhalb Millionen Syrer auf. Die Hilfen für die Menschen, die in Camps leben, belaufen sich bisher auf acht Milliarden Dollar. Die Türkei ist nicht zu einer Politik der offenen Grenzen übergegangen, um Hilfen zu bekommen. Die Türkei konnte nicht ahnnen, dass die EU Hilfen anbieten würde.

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