Türkei vor der Wahl: Wirtschaft und Sicherheit

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Es ist fünf Monate her, dass die Türken zum letzten Mal ein Parlament gewählt haben. Damals im Juni verlor die konservative AKP ihre absolute

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Es ist fünf Monate her, dass die Türken zum letzten Mal ein Parlament gewählt haben. Damals im Juni verlor die konservative AKP ihre absolute Mehrheit, auf die sie sich Jahre lang stützen konnte.
Der Urnengang an diesem Sonntag soll die Türkei aus der politischen Sackgasse führen.

Zum ersten Mal in seiner Geschichte wird das Land von einer Interims-Regierung geführt.

Vieles hat sich seitdem geändert – zum Negativen.

Im Juli kündigte die kurdische Untergrundorganisation PKK ihre Waffenruhe auf, die seit März 2013 in Kraft war.
Der Südosten des Landes ist seitdem Schauplatz eines neuen Krieges zwischen der Armee und kurdischen Kämpfern. 140 Soldaten und Polizisten starben, auf Seite der Milizen waren es noch mehr, Dutzende Zivilisten verloren ihr Leben.

Terrorismus und Sicherheit, um diese Themen dreht sich der Wahlkampf spätestens seit dem Attentat von Ankara.
Am 10. Oktober sterben bei zwei Selbstmordattentaten mehr als 100 Menschen – der schlimmste Anschlag in der Geschichte der Türkei.
Dieser geht nach Meinung der türkischen Justiz auf das Konto der Terrormiliz Islamischer Staat. Zielscheibe waren die pro-kurdische Oppositionspartei HDP und linke Aktivisten. Ein Anschlag, der das Land weiter gespalten hat.

Die Spannungen vergrößerten sich noch, als die türkische Polizei an diesem Mittwoch Sendungen in zwei Fernsehanstalten in Istanbul unterbrach.

Bugün TV und Kanaltürk gehören zur Mediagruppe Kopak-Ipek. Die Behörden verdächtigen sie, die Bewegung des im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen zu finanzieren. Auch ihm wird Terrorismus vorgeworfen.

Ein weiteres Wahlkampfthema: Die schwächelnde Wirtschaft, die der Regierung nicht in die Hände spielen wird. Das war vor 13 Jahren ganz anders, als es der Wirtschaft gut ging und viele Türken das der AKP zuschrieben.

Innerhalb eines Jahres hat die Türkische Lira im Vergleich zum Dollar jedoch 25% ihres Wertes verloren. Die Inflation liegt bei fast 8%, die Arbeitslosenquote bei rund 11%.
Für viele Verbraucher wird es schwieriger, Kredite zurückzuzahlen.

Ein weiteres Problem, das der Gewinner der Wahl schultern muss.

Meinungsforscher: “Sichere Alleinregierung für AKP”

euronews:
Vor der letzten Wahl am 7. Juni sagte der Meinungsforscher Adil Gür bei euronews: “Diese Wahl wird uns eine weitere bringen.” Jetzt, kurz vor der Wahl, die er hervorgesagt hat, ist Adil Gür erneut unser Gast. Was für ein Ergebnis erwarten Sie am Sonntag? Was zeigen uns Ihre jüngsten Umfragen?

Adil Gür:
Ich möchte darauf mit einem beeindruckenden Umfrageergebnis antworten. Unseren Daten zufolge wird die AKP eine sichere Alleinregierung bilden können. In unserer jüngsten Umfrage bekam die AKP 47 Prozent. Damit würde sie 285 bis 290 Sitze im Parlament erhalten, was zu einer Alleinregierung reicht.

euronews:
Nach den Anschlägen sagten Sie, die HDP sei auf elf Prozent gefallen. Hat sich dieser Rückgang fortgesetzt? Selahattin Demirtas behauptet, seine Partei werde die Zehn-Prozent-Hürde problemlos überwinden.

Gür:
Ich gebe Ihnen die Umfragewerte der Parteien: AKP: 47,2, CHP: 25,4, MHP: 13,5 und HDP 12,2 Prozent. Es gibt bei der HDP also einen Stimmenrückgang, der aber nicht zu deutlich ist. Als sich die Gewaltakte häuften, fiel die HDP auf elf, jetzt kommt sie wieder auf über zwölf Prozent. Es wird also wieder ein aus vier Parteien bestehendes Parlament geben. Ein interessanter Aspekt ist, dass die MHP nach Stimmen die drittstärkste Partei wird, die HDP aber dennoch mehr Sitze haben und damit drittstärkste Kraft im Parlament sein wird.

euronews:
Am 7. Juni gaben zwei Millionen Wähler Parteien ihre Stimmen, die es nicht über die Zehn-Prozent-Hürde schafften. 1,5 Millionen stimmten für Parteien, die ihre Wähler überzeugt hatten, dass sie die Sperrklausel überwinden würden. Glauben Sie, dass die Stimmen jetzt an die vier großen Parteien gehen werden?

Gür:
Ja, das erkennen wir deutlich in unseren Umfragen. Am 7. Juni wurden vier Prozent der Stimmen vergeudet, diesmal sehen wir, dass die Parteien, die weit von der Zehn-Prozent-Hürde entfernt sind, nicht mehr als zwei bis zweieinhalb Prozent erhalten werden. Das ist einer der Aspekte, die die AKP auf 47 Prozent bringen. Ein Beispiel: Das Bündnis aus SP und BBP kam mit mehr als einer Million Stimmen auf 2,1 Prozent. Unsere Umfragen zeigen, dass die kleinen Parteien diesmal weniger Zuspruch erhalten und dass die Wähler ihre Stimmen den großen Parteien geben werden.

euronews:
Wenn vier Partien die Sperrklausel überwinden und falls die Sitzverteilung wie bisher sein sollte, könnte das zu einer weiteren Zersplitterung und zur Bildung einer fünften Fraktion führen. Da Sie meinen, dass die AKP eine Alleinregierung bilden wird, erwarten Sie nicht, dass sich eine fünfte Fraktion formiert, oder?

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Gür:
Nein, das erwarte ich nicht. Ich glaube, es wird eine Einparteienregierung geben. Selbst wenn es dazu nicht kommt, müsste es in der Türkei schon eine erhebliche Wirtschaftskrise, ein ähnliches Ereignis oder eine Bedrohung von außen geben, ehe sich eine solche fünfte Fraktion bilden würde. Unter den jetzigen Bedingungen ist das Spekulation. Ich halte das in den nächsten mindestens ein, zwei Jahren nicht für wahrscheinlich. Ich meine, die Bedingungen für eine fünfte Partei im Parlament sind nicht gegeben.

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