Juncker-Kommission seit einem Jahr im Amt - eine Bilanz

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Die Krise stellt die EU und ihre Institutionen, darunter die Europäische Kommission, auf eine harte Probe. Genau ein Jahr ist es her, dass sie unter

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Die Krise stellt die EU und ihre Institutionen, darunter die Europäische Kommission, auf eine harte Probe. Genau ein Jahr ist es her, dass sie unter dem Vorsitz Jean-Claude Junckers ihr Amt antrat. Gemeinsam mit Vivien Pertusot vom französischen Institut für Internationale Beziehungen zogen wir eine erste Bilanz.

euronews:
“Ist die Europäische Union in der richtigen Art und Weise an die Flüchtlingsfrage herangegangen oder nicht? Kontrolliert sie die Ereignisse oder reagiert sie nur darauf?”

Vivien Pertusot:
“Beides ist richtig. Bevor die Krise im eigentlichen Sinn ausbrach, geschah nur wenig, obwohl man die Ereignisse bereits vor einem Jahr, vor eineinhalb, ja selbst vor zwei Jahren hätte vorausschauen können. Die Flüchtlingskrise kam nicht unerwartet. Man kann dazu richtigerweise anmerken, dass die Kommission davor nicht viel unternommen hat. Man hinkt also den Ereignissen hinterher. Andererseits aber führt sie, weil sie die Mitgliedsländer in eine Richtung drängt, die unerwünscht ist.”

euronews:
“Es gibt jedoch auch Mitgliedsländer wie beispielsweise Ungarn, das Grenzzäune errichtet hat. Ministerpräsident Viktor Orban hat während des jüngsten Treffens in Brüssel gesagt, er sei nur Beobachter.”

Vivien Pertusot:
“In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass die Kommission in der Migrations- und Asylpolitik machtlos ist. Solange die Mitgliedsstaaten nicht gemeinsam agieren wollen, können einige von ihnen Entscheidungen treffen, die auf europäischer Ebene zwar sehr unpopulär sind, aber mit den nationalen Interessen im Einklang stehen. Was die Kommission vorschlägt, vermittelt den Eindruck von bürokratischen und technokratischen Institutionen. Es geht um wenige Menschen, die in Europa verteilt werden sollen und wenn man beobachtet, wie das geschieht, wird deutlich, dass es nicht reicht.”

euronews:
“Es gibt zudem die griechische Krise. Welches ist die Rolle der Kommission?”

Vivien Pertusot:
“Die Kommission hat die griechische Regierung dabei unterstützt, ein Programm auf die Beine zu stellen, das auch die anderen Mitgliedsstaaten akzeptieren konnten. Das ist ein Pluspunkt für die Kommission, denn ich bin mir dessen nicht sicher, ob die Vorgänger-Kommission das so unverhüllt getan hätte wie es die derzeitige Kommission tut. Andererseits gibt es in der Kommission eine technokratische Geisteshaltung, man gibt einen bestimmten Rahmen vor, dem alle folgen müssen. Weigern sie sich, droht die Kommission damit, die Umsetzung des Programms, von dem die Rede ist, zu erzwingen.”

euronews:
“Sprechen wir von dem inneren Gleichgewicht in der Kommission. Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici beispielsweise will Spanien gegenüber strenger sein, während Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das nicht will.”

Vivien Pertusot:
“Als Jean-Claude Juncker sich dafür entschied, die Vizepräsidenten über die Kommissare zu stellen, schuf er ein Kollegium mit starken Persönlichkeiten. Niemandem ist entgangen, dass die Kommission stärker als bisher politisch agiert, klar Stellung bezieht und sich nicht scheut, Mitgliedsstaaten zu kritisieren, wenn es nötig ist. Doch auch die Kommissare selbst haben ein stärkeres politisches Selbstverständnis. Wenn sie Stellung beziehen wollen, tun sie das. Vorhin war von Spanien die Rede, ähnliches galt für Frankreich vor knapp einem Jahr. Es gab immer wieder Meinungsunterschiede zwischen den Kommissaren, doch letzthin wurde ein Kompromiss gefunden.”

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