UN-Mission: Diskriminierung von Frauen in den USA „erschreckend“

UN-Mission: Diskriminierung von Frauen in den USA „erschreckend“
Von Stefan Grobe
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Die Diskriminierung von Frauen in den Vereinigten Staaten ist nach Angaben der UNO größer als in den meisten Industriestaaten der Welt.

„Die USA sind führend bei der Formulierung internationaler Menschenrechtsstandards, gleichwohl liegen sie bei den Rechten von Frauen zurück“, teilten die Mitgleider einer UN-Expertenmission bei der Vorstellung ihres vorläufigen Berichts in Washington mit.

Myth-shattering: UN mission finds discrimination against women in US worse than in most developed countries. @UNrightswire@euronews

— Stefan Grobe (@StefanGrobe1) 11 Décembre 2015

Die Mission bestand aus internationalen Experten, die die Diskriminierung von Frauen in Gesetz und Alltag untersuchen. Die Gruppe hatte die USA zehn Tage offiziell bereist und zwar die Bundesstaaten Alabama, Oregon, Texas sowie die Hauptstadt Washington.

Der vorläufige Bericht beschreibt ein Land, in dem laut Text die Rechte von Frauen „generell weniger beachtet werden“ als die ihrer männlichen Mitbürger. Der Abschlussbericht soll im kommenden Jahr dem UN-Menschrechtsrat vorgelegt werden.

Die UN-Beobachter hatten die Lebensbedingungen von Frauen am Arbeitsplatz, in ihrer sozialen Umgebung sowie beim Zugang zu Gesundheitsfürsorge untersucht. Außerdem wurde das verfassungsrechtlich garantierte Abtreibungsrecht und der körperliche Schutz von Frauen überpruft.

„Während in den USA Frauen allgemein Opfer von Rechtsverstößen sind, trifft dies in besonderem Maße für Angehörige ethnischer Minderheiten, Zuwanderinnen, Lesbierinnen, behinderte und alte Frauen zu“, wie die Experten unterstrichen.

Vor Journalisten in Washington bezeichneten die UN-Beobachter einige Rechtsverstöße als „schockierend“ und „entlarvend“. Dazu gehören den Angaben zufolge Verhältnisse am Arbeitsplatz.

In den USA machen Frauen etwa die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung aus, außerdem gehen 57 aller Frauen einer regelmäßigen Beschäftigung nach. Damit hatten sie in den vergangenen Jahrzehnten einen wesentlichen Anteil am wirtschaftlichen Wachstums des Landes.

Gleichzeitig zeigten sich die UN-Experten jedoch beunruhigt, „dass dieses wichtige Arbeitskräftepotenzial von Frauen nicht die gleichen wirtschaftlichen Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten“ hat wie Männer.

„Zudem schockiert uns das Fehlen von gesetzlich garantierten Hilfen am Arbeitsplatz für schwangere Fraue, postnatale Mütter und für Frauen mit Pflegeverantwortung – allesamt Forderungen in internationalen Menschenrechtskatalogen.“

Ebenso negativ fällt das Urteil der UN-Mission bei Löhnen und Gehältern von Frauen aus, die im Durchschnitt um mehr als 20 Prozent unter denen von Männern liegen.

Diese Situation zieht sich durch das gesamte Erwerbsleben von Frauen und beeinträchtigt ihre Rentenansprüche in erheblichem Maße.

Auch hier sind Angehörige ethnischer Minderheiten wie Ureinwohnerinnen, Afro-Amerikanerinnen und Latinas besonders betroffen.

Ein besonderes Problem ist laut UN-Beobachtern die sogenannte „Lohnwillkür“. Dabei nutzen Arbeitgeber ungeklärte Rechtsverhältnisse etwa von Zuwanderinnen aus und zahlen unter einem Vorwand nur einen Teil des vereinbarten Lohns.

Eine derartige Praxis fanden den UN-Experten im verarbeitenden Gewerbe, auf Baustellen und in einigen Niedriglohn-Dienstleistungsgewerben.

Auf besonderes Unverständnis stieß bei der UN-Mission das Fehlen eines gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs. Damit gehören die USA neben Papua-Neuguinea zu den weltweit beiden einzigen Ländern der Erde ohne eine entsprechende Regelung. „Das ist im Rest der Welt schlicht undenkbar“, sagte Frances Raday, eine der UN-Beobachterinnen.

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Bezahlter Mutterschaftsurlaub gibt es in den USA nur in drei Bundesstaaten (Kalifornien, New Jersey und Rhode Island) sowie in Arbeitsverhältnissen der Bundesregierung. Allerdings beträgt die Baby-Pause nur sechs Wochen und liegt damit weit unter dem internationalen Minimum von 14 Wochen.

Die veilleicht erstaunlichste Erkenntnis, die die UN-Mission ans Licht brachte, ist der massive Anstieg der Müttersterblichkeitsrate von 136 Prozent seit 1990, für die offizielle Stellen keine Erklärung haben.

„Diese Zahlen verdunkeln yudem die erschreckenden Ungleichheiten zwischen ethnischen und sozio-ökonomischen Gruppen. So haben Afro-Amerikanerinnen ein vierfach höheres Risiko, bei der Geburt zu sterben“, so der UN-Zwischenbericht.

Die Expertengruppe warnte zudem vor rasch größer werdenden Hürden, die Frauen im Falle eines Schwangerschaftsabbruchs zu überwinden haben. Die Gründe seien wachsende bürokratische Schikanen in vielen Bundesstaaten sowie gewalttätige Angriffe auf Abtreibungskliniken und deren Personal und Patientinnen.

„Wir wurden Zeugen von Einschüchterungen und Belästigungen bei unseren Besuchen von Kliniken in Alabama und Texas“, sagten die Experten.

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Unmittelbar vor dem Beginn des UN-Besuchs in den USA hatte ein radikaler Abtreibungsgegner in Colorado drei Menschen in einem Zentrum fur Familienplannung erschossen.

„Aber was wir am vielleicht am erschreckendsten empfinden, ist, daß es nahezu keinen politischen Willen gibt, die Situation zu verbessern. Im Gegenteil, wir spüren eher politischen Widerstand gegen Verbesserungsbemühungen.“

Die Chancen, daß ein politischer Wandel seinen Weg durch die Parlamente des Landes findet, sind derzeit eher gering.

In the US, maternal mortality increased by 136% between 1990 and 2013, says UN. Black women at 4 times the risk. @UNrightswire@euronews

— Stefan Grobe (@StefanGrobe1) 11 Décembre 2015

Frauen halten nur knapp zwanzig Prozent der Sitze im US-Kongress und im Durchschnitt nur ein Viertel aller Mandate in den Parlamenten der Bundesstaaten.

Das ist zwar die höchste Vertretungsrate, die jemals von Frauen in den USA erreicht wurde. Aber weltweit rangieren die Vereinigten Staaten damit nur auf Rang 72.

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