"Unschuldige Menschen zahlen den Preis des Krieges in Syrien" Dr. Attar, Präsident des Syrischen Roten Halbmonds im Interview

"Unschuldige Menschen zahlen den Preis des Krieges in Syrien" Dr. Attar, Präsident des Syrischen Roten Halbmonds im Interview
Von Euronews
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Chris Cummins, euronews: “Dr. Abdul Rahman Attar, Präsident des Syrischen Roten Halbmonds, vielen Dank, dass Sie zu euronews gekommen sind. Als 2011

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Chris Cummins, euronews:
“Dr. Abdul Rahman Attar, Präsident des Syrischen Roten Halbmonds, vielen Dank, dass Sie zu euronews gekommen sind. Als 2011 der arabische Frühling in Teilen des Nahen Ostens ausbrach, hatten Sie damals schon eine Vorahnung, dass Syrien im Chaos versinken würde?”

Dr. Abdul Rahman Attar, Präsident des Syrischen Roten Halbmonds
“Leider wurden die Rufe nach Freiheit, Demokratie und Reformen übertönt von den Parteien, die sie in einen bewaffneten Konflikt verwandelt haben. Wir hatten auf einen friedlichen Übergang gehofft, der ein modernes Syrien schafft. Leider wurde der arabische Frühling durch die Handlungen regionaler und internationaler Kräfte in eine andere Richtung gezwungen. Die Menschen in Syrien wussten nicht, was vor sich ging.”

Chris Cummins:
“Es gibt eine Vielzahl sich bekämpfender Gruppen am Boden und in der Luft sowie international geführte Luftangriffe. Wie schwierig ist es für den Roten Halbmond in diesen unberechenbaren Verhältnissen effektiv zu handeln?”

Dr. Abdul Rahman Attar:
“Lassen Sie mich zunächst die 49 Freiwilligen des Roten Halbmonds würdigen, die an vorderster Front ihr Leben verloren haben. Sie waren diejenigen, die in jeder Region Syriens aktiv waren, auch dort, wo die Gewalt am schlimmsten ist. Sobald Sie in eine Region fahren, sind sie mit mehreren bewaffneten Gruppen konfrontiert, die alle etwas wollen. Freiwillige des Roten Halbmonds fahren in diese Gegenden und informieren die Menschen. Sie versorgen sie mit sauberem Wasser und Essen. Sie führen Impfungen durch und verabreichen Medikamente.”

Chris Cummins:
“Als der Einfluss des Islamischen Staats in Syrien spürbar wurde, gab es eine Begebenheit, die Ihnen klar machte, dass sich der Konflikt in Syrien zu etwas viel Komplexerem wandeln würde?”

Dr. Abdul Rahman Attar:
“Ich denke, der Islamische Staat begann von Rakka aus zu operieren. Das war eine schwierige Angelegenheit, als Rakka übernommen wurde. Am Anfang konnten wir die Menschen dort noch durch unsere Zweigstelle in Rakka erreichen und sie mit Wasser, Essen und Impfungen versorgen. Aber die ständig wechselnden Kommandanten in dieser Region, entschieden von heute auf morgen, ob wir unsere Aktivitäten zu unterbrechen hatten oder nicht. Dann verbreitete sich der IS in anderen Regionen wie Palmyra, Al-Sukhnah, Deir Ez-Zor und Hasaka. Es gab Konflike zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen, in vielen Gegenden agierten wir zwischen der Al-Nusra-Front, dem IS und Ahrar al-Scham, zwischen all diesen Gruppierungen.”

Chris Cummins:
“Wie ist denn die momentane humanitäre Lage in Rakka, sind Sie dort noch aktiv, und stehen Sie in Kontakt mit dem IS?”

Dr. Abdul Rahman Attar:
“Wir haben noch immer einen Zweig in Rakka, wir haben Krankentransporte organisiert und humanitäre Hilfe. Manchmal war die Arbeit unserer Mitarbeiter wegen der Präsenz des IS eingeschränkt, sie hatten eine Organisation geschaffen, die unsere Arbeit übernehmen sollte. Wir durften nur eingeschränkt arbeiten. Wir liefern noch immer Wasser, Sanitäreinrichtungen und UN-Getreide, damit die Menschen Brot backen können. Es geht auf und ab, je nachdem, wer gerade verantwortlich ist. Kürzlich war ein Ägypter zuständig, er hat sich um die Gesundheit in Rakka gekümmert und uns arbeiten lassen, er wurde durch eine saudi-arabische Person ersetzt, und jetzt ist es bedeutend schwieriger, dort effektiv zu arbeiten.”

Chris Cummins:
“Was sind die alltäglichen Bedürfnisse, die die meisten Syrer haben?”

05:24
Dr. Abdul Rahman Attar:
“Der Winter steht vor der Tür und es gibt mehr als 9 Millionen Menschen in Syrien, die auf der Flucht sind. Wir erwarten Schneeregen, es fehlen Unterkünfte. Auch gibt es keine Lager, es ist uns nicht erlaubt, welche einzurichten. Manche Gegenden sind Zufluchtsorte geworden, einige Schulen und Häuser bieten einen Unterschlupf. Der syrische Rote Halbmond liefert Essen, Wasser, sorgt für Sanitäreinrichtungen und Gesundheitsvorsorge. Was am meisten wehtut, ist die Situation der Kinder. Mehr als eine Millionen Kinder gehen nicht zur Schule.”

Chris Cummins:
“Wie können in einer so verfahrenen Situation noch mehr Bomben helfen?”

Dr. Abdul Rahman Attar:
“Es bricht mir das Herz, wenn ich die Bomben sehe. Denn sie werden Zivilisten töten, sie können auch bewaffnete Milizen treffen, aber wie soll zwischen beiden unterschieden werden? Die Bomben werden unschuldige und verwundbare Zivilisten treffen. Sie zahlen den Preis für die Streitereien Anderer auf syrischem Gebiet. Ich bin gegen jegliche Angriffe, egal von welcher Gruppe.”

Chris Cummins:
“Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft Ihres Landes? Sehen Sie eine Zukunft?”

Dr. Abdul Rahman Attar:
“Wenn Sie sehen, was hier am Boden passiert, dann sehen Sie sehr schnell, dass es hier um eine weltweite Situation geht, die eine internationale Lösung braucht.”

Chris Cummins:
“Dr. Attar, vielen Dank für das Gespräch mit Euronews. Ich wünsche Ihnen viel Kraft für die schweren, nächsten Tage.”

Dr. Abdul Rahman Attar:
“Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, mit euronews zu sprechen. Ich bin ein großer Fan und folge Ihrem Sender auf arabisch und englisch. Danke, dass ich meine Gedanken zu meinem Land äußern durfte.”

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