Konsequenzen der Krise: Was passiert gerade im Nahen Osten?

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Von Euronews
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Islam-Experte Gilles Kepel klärt darüber auf, was die Krise zwischen Saudi-Arabien und Iran für die beiden Länder und den Rest der Welt bedeuten könnte.

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Laurence Alexandrowicz, euronews:
Gilles Kepel, guten Tag. Sie sind Experte für den Islam und die arabische Welt. Können Sie mich über die Krise zwischen Saudi-Arabien und Iran aufklären?

Gilles Kepel, Autor des Buches “Terror im Hexagon, Genese des französischen Dschihads”:
Es gab 47 Hinrichtungen in Saudi-Arabien, das ist viel. 43 der Getöteten waren sunnitische Regimegegner und Radikale, die Verbindungen zu al-Kaida oder ISIL hatten. Diese Organisationen sind natürlich viel gefährlicher für die Macht Saudi-Arabiens, als irgendwelche schiitischen Minderheiten. Damit die Hinrichtung dieser sunnitischen Radikalen akzeptiert wurde, hat die saudische Regierung ihrem sunnitischen Volk eine kleine Zahl an Schiiten zum Fraß vorgeworfen.

Man könnte meinen, dass Saudi-Arabien ein bisschen zwischen den Fronten steht. Einerseits ist da die innenpolitische Situation, das Land muss gegen die extremistischen Islamisten vorgehen, gegen Sunniten, die auch von einigen saudischen Geschäftsmännern gefördert wurden. Letztere haben al-Kaida finanziert, die dann wiederum ISIL finanzierte und diese Miliz stellt sich nun gegen Saudi-Arabien. Und gleichzeitig strebt der Iran die Hegemonie im Nahen Osten an.

Da kommt dann noch der Ölpreis dazu: Ein Barrel kostet im Moment weniger als 40 US-Dollar – das ist ein sehr großes Problem für den saudischen Staatshaushalt. Da werden natürlich gleich neue Forderungen laut, besonders unter denen, die von der Machtelite ausgeschlossen wurden.

Laurence Alexandrowicz, euronews:
Könnte die Ölproblematik Konsequenzen für den Rest der Welt haben, im Besonderen für die Wirtschaft?

Gilles Kepel:
Das Problem ist, dass Saudi-Arabien selbst Schuld ist am Preisrückgang, weil sie die Produktion erhöht haben. Warum? Weil sie wollten, dass die USA, die Schieferöl auf den Markt brachten, unter dem Preisdruck einknicken. Und jetzt ist die ganze saudische Ölvorherrschaft im Nahen Osten in Gefahr.
Wenn die Preise zu tief sind, dann können die USA kein Schieferöl mehr fördern, und Saudi-Arabien hat wieder die Herrschaft über den Markt. Das Problem ist, dass es dabei eine kleine Verzögerung gibt. Es dauert einige Monate, gar Jahre, bis diese Strategie aufgeht. Und in der Zwischenzeit riskiert das Königreich, mit ernsthaften finanziellen, politischen und sozialen Schwierigkeiten konfrontiert zu werden.

Laurence Alexandrowicz, euronews:
Es gibt zwei regionale Kräfte, die auf demselben Terrain einen Kampf abhalten: Syrien und Jemen. Was sind die Konsequenzen dieser beiden Konflikte?

Gilles Kepel:
Viele Kräfte beobachten das Szenario mit großer Besorgnis. Russland zum Beispiel ist auch sehr vom Ölpreis abhängig, Herr Lawrow ist durch den Preisverfall höchst beunruhigt. Der russische Außenminister schlug vor, zwischen Iran und Saudi-Arabien zu vermitteln, das ist schon ein ziemlich außergewöhnlicher Vorschlag. Das heißt, dass sich diesmal nicht die USA darum kümmern werden. Das ist auch eine Art, um Präsident Obama zu zeigen, dass er sein Land im Nahen Osten ein bisschen vom Kurs abgebracht hat.

Laurence Alexandrowicz, euronews:
Und das öffnet dann natürlich ISIL die Türen?

Gilles Kepel:
Die diplomatische Krise zwischen Saudi-Arabien und Iran betrifft zwei Länder, aber sie betrifft auch eine ganze Region. Und dann ist da auch noch die Anti-ISIL-Koalition, die während einer solchen Krise nicht funktioniert.

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