Griechenland: Reformbemühungen auf dem Prüfstand

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Im letzten Jahr hat Griechenland weltweit die Schlagzeilen bestimmt. Jetzt hat die Regierung ein drittes Rettungspaket über 86 Milliarden Euro in den

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Im letzten Jahr hat Griechenland weltweit die Schlagzeilen bestimmt. Jetzt hat die Regierung ein drittes Rettungspaket über 86 Milliarden Euro in den Händen, aber damit verbunden sind Gegenleistungen: Es müssen schmerzhafte und unbeliebte Reformen umgesetzt werden. Wie realistisch ist dies für ein Land, das seit sechs Jahren in der Rezession steckt?

Darüber und über die Auswirkungen der griechischen Krise und andere große Herausforderungen der europäischen Wirtschaft sprechen wir mit Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Europäischen Kommission und verantwortlich für den Euro und den sozialen Dialog.

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Herr Vizepräsident, sind Sie sicher, dass wir in diesem Jahr nicht eine erneute Griechenlandkrise erleben werden?

Valdis Dombrovskis
Nun, man sieht, dass die Situation mit dem griechischen Programm weitestgehend auf Kurs ist, und auch das Verhalten der griechischen Regierung hat sich seit Mitte des Jahre verändert. Wir haben eine Einigung auf ein drittes Hilfspaket, wir haben es geschafft, uns auf zwei Meilensteine zu einigen, und nun machen wir eine erste Bestandsaufnahme des Programms. Jetzt hängt es vor allem von den griechischen Autoritäten ab, wie schnell sie mit den Dingen vorankommen, die wir diskutiert haben. Das Erreichen der Finanzziele, die Rentenreform, der Privatisierungsfonds und die Reform des Verwaltungsapparats etc.

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Lassen Sie uns zunächst über die Rentenreform sprechen, die jetzt gerade auf dem Tisch liegt. Das ist ein sehr schwieriges Thema, insbesondere für die griechische Regierung. Wir haben von Seiten der EU gehört, dies sei ein sehr seriöser und ambitionierter Plan der griechischen Regierung, es gebe aber einen Haken. Welchen?

Valdis Dombrovskis
In der Tat ist es ein recht verständlicher Vorschlag, der darauf ausgerichtet ist, das Rentensystem in Griechenland zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Während der Überprüfung des Programms sehen wir uns alle unterschiedlichen Elemente an. Wir sind jetzt bei den technischen Beratungen. Und da überprüfen wir, ob dieser Plan auch eine langfristige Nachhaltigkeit des griechischen Rentensystems und einiger anderer Parameter garantiert.

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Denken Sie, dass die griechische Regierung noch weitere Kürzungen bei den Renten durchführen muss?

Valdis Dombrovskis
Nun, das ist, denke ich, Thema für eine andere Debatte. Vor allem, wie die griechische Regierung ihre finanzpolitischen Ziele für 2016, 2017 und 2018 sicherstellen will. Wir wissen, dass die griechische Regierung in Bezug auf das Sozialsystem vor allem die Sozialversicherungsbeiträge anheben möchte. Wir haben dazu einige Diskussionen darüber, ob in dieser Situation eine Erhöhung der Steuern auf Arbeit wachstumsfreundlich ist. Denn aus Sicht der EU-Kommission ist dies keine wachstumsfördernde Maßnahme. Wir sagen nicht, dass man solche Maßnahmen auf keinen Fall diskutieren kann. Aber wir sind offen für mögliche Alternativen.

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Es gab eine Riesendebatte über die Teilnahme des IWF an dem Programm. Die griechische Regierung wollte zuerst sogar dessen Teilnahme am dritten Hilfsprogramm verhindern und hat dann doch akzeptiert.
Befürworten Sie die Teilnahme des IWF am Hilfsprogramm – und warum?

Valdis Dombrovskis
Die Teilnahme des IWF am dritten Hilfsprogramm war bereits vorgesehen, als wir das Programm entwickelt haben. Es wurde auch mit Blick auf die potentielle finanzielle Teilnahme des IWF entworfen. Und das ist die Voraussetzung, auf der die EU-Kommission jetzt arbeitet.

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Wann, denken Sie, wird die erste Bewertung abgeschlossen sein? Es gibt viele verschiedene Aussagen dazu, innerhalb von Wochen oder von Monaten?

Valdis Dombrovskis
Von Seiten der EU-Kommission sind wir gewillt, schnell voranzukommen und die Überprüfung schnell abzuschließen. Aber wir können nicht schneller vorgehen als die griechischen Behörden. Was für uns wirklich zählt ist, dass die Vereinbarungen tatsächlich umgesetzt werden, also der praktische Fortschritt bei der Implementierung. Das kommt vor unserem Fertigstellungstermin.

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Herr Regling hat erklärt, dass Griechenland früher oder später einige Liquiditätsprobleme bekommen wird. Insbesodere, wenn die erste Überprüfung nicht vor Februar abgschlossen ist. Welche Probleme sind das?

Valdis Dombrovskis
Nun wenn die Umsetzung der ersten Bewertung ernsthafte Verzögerungen erfährt – und wir reden dabei von Monaten nicht Wochen- dann wird sich ab einem bestimmten Zeitpunkt wahrscheinlich die Frage stellen, ob die griechische Regierung über ausreichende Finanzmittel verfügt, um ihre laufenden Kosten zu decken oder ob neue Finanztranchen aus dem Programm gebraucht werden. Und natürlich sind neue Tranchen aus dem Programm an die Bewertungen des ersten Programms gebunden.

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Lassen Sie uns zum Thema Schulden kommen. Wann glauben Sie werden Gespräche zum Thema Schuldenerlass beginnen?

Valdis Dombrovskis
Nun, die Beschlüsse der Eurogruppe sind diesbezüglich sehr klar: Wir können uns dem Thema Schuldenerlass wieder zuwenden, wenn die erste Bewertung erfolgreich abgeschlossen wurde.

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Sie denken also, dass nach dem Abschluss der ersten Bewertung sofort neue Gespräche über einen Schuldenschnitt kommen?

Valdis Dombrovskis
Nun, so sieht es der Beschluss der Eurogruppe vor. Letzten Endes werden die Kreditgeber, die anderen Länder der Eurozone, entscheiden müssen, was akzeptabel ist und was nicht, und was der beste Weg vorwärts ist.

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Glauben Sie, dass die griechischen Schulden tragbar sind?

Valdis Dombrovskis
Das ist wohl weniger eine kurzfristige Angelegenheit, denn die griechischen Schulden profitieren zur Zeit von sehr vorteilhaften Konditionen, sehr niedrigen Zinssätzen, sehr langen Laufzeiten und tilgungsfreien Zeiten für die meisten Kapitalverzinsungen. Daher zahlt Griechenland zur Zeit weniger für seinen Schuldendienst als einige andere Länder wie Italien oder Portugal. Aber langfristig werden wir mit Blick auf die hohe öffentliche griechische Schuldenlast von 180% des Bruttoinlandsprodukts auf das Thema zurückkommen müssen.

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Würden Sie sagen, dass dieses Hilfsprogramm das letzte für Griechenland ist, zusammen mit der Absichtserklärung und wenn es denn voll umgesetzt ist?

Valdis Dombrovskis
Wenn es wirklich voll umgesetzt ist, und das heißt umgesetzt und nicht nur abgestimmt, dann könnte es wirklich das letzte Programm sein. Wir haben Griechenland ja im vergangenen Jahr bereits zum Wirtschaftswachstum zurückkehren und steuerliche Ziele liefern sehen. Und bei recht guten Arbeitsplatzbeschaffungen und beim Erschließen der Finanzmärkte – sorry, das war nicht letztes Jahr sondern das war 2014. Die Ereignisse im letzten Jahr haben Griechenland unglücklicherweise aus der Entwicklungsbahn geworfen. Wir haben Anfang letzten Jahres noch immer mit etwa 2,5% Wachstum für Griechenland gerechnet. Jetzt zeigen die Schätzungen, dass es überhaupt kein Wachstum geben wird. Die politischen Entwicklungen haben also einen starken Einfluss auf die griechische Wirtschaft gehabt.

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Würden Sie noch zusätzliche Maßnahmen im Zuge des Programms verlangen?

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Valdis Dombrovskis
Wenn das Programm erst einmal richtig auf Kurs ist, kann es hier und da einige technische Anpassungen geben. Aber es gibt keinen Bedarf, das Memorandum noch einmal von Grund auf zu überdenken.

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Ist damit der Grexit für Sie vom Tisch?

Valdis Dombrovskis
Ich hoffe, dass er vom Tisch ist. Die Europäische Kommission hat immer mit dem Szenario gearbeitet, dass Griechenland in der Eurozone bleibt und die notwendigen Reformen umsetzt.

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Gibt es ein Restrisko, ja oder nein?

Valdis Dombrovskis
Nun ich hoffe, dass nicht.

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