"Wir müssen gemeinsam handeln" - Vizechef der EU-Kommission Timmermans über den Streit zwischen Brüssel und Athen -

"Wir müssen gemeinsam handeln"
- Vizechef der EU-Kommission Timmermans über den Streit zwischen Brüssel und Athen -
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Die Zukunft des Schengen-Raumes liegt nach der Ansicht Brüssels in den Händen Griechenlands. Gelingt es Athen innerhalb von drei Monaten nicht, seine

WERBUNG

Die Zukunft des Schengen-Raumes liegt nach der Ansicht Brüssels in den Händen Griechenlands. Gelingt es Athen innerhalb von drei Monaten nicht, seine Außengrenzen zu kontrollieren, könnten andere Mitgliedsländer ihre Grenzen bis zu zwei Jahre lang schließen. Die Europäische Kommission will den Flüchtlingszustrom auf der sogenannten Balkan-Route verringern. Von Athen wird erwartet, dass es seine Seegrenzen besser kontrolliert, dass Migranten und Flüchtlinge registriert werden und dass die Wanderbewegung nach Mazedonien gestoppt wird. Das könnte dazu führen, dass die Menschen in Griechenland blockiert werden. Der Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, äußerte sich zu den jüngsten Entwicklungen.

euronews:
“Sie sprachen von Mängeln. Was erwarten Sie von Griechenland?”

Frans Timmermans:
“Es muss dafür gesorgt werden, dass die Menschen, die Griechenland erreichen, rasch registriert werden und dass die Daten schnell ins sogenannte Eurodac-System eingegeben werden, so dass man überall in Europa darauf Zugriff haben kann. Wir müssen rasch unterscheiden können zwischen jenen, die internationalen Schutz genießen, Flüchtlingen, und jenen, die dieses Recht nicht haben, weil sie aus Ländern kommen, in denen es weder Krieg noch Verfolgung gibt. Griechenland hat zur Zeit zu wenig Kapazitäten.”

euronews:
“Sie fordern Athen also nicht dazu auf, die See- und Landgrenzen mit mehr Personal besser zu kontrollieren? Dazu gab es eine Reihe von Erklärungen.”

Frans Timmermans:
“Das ist ebenfalls notwendig, liegt aber in der gemeinsamen europäischen Verantwortung. Die griechischen Grenzen sind zugleich europäische, wir bieten seit langem unsere Kooperation an. Es gibt einen Vorschlag der EU-Kommission für einen gemeinsamen Grenzschutz zu Land und zur See. Das wäre wichtig.”

euronews:
“Wenn die Kommission einem Mitgliedsstaat mit dem Ausschluss aus dem Schengen-Raum droht, sollte es innerhalb von drei Monaten seine Kontrollen nicht verbessern, heißt das, dass sich eine Politik wie jene Orbans durchsetzt…”

Frans Timmermans:
“Es handelt sich um einen Aufruf, nicht um eine Warnung und auch nicht um eine Drohung. Es gilt für alle, für Griechenland und gleichzeitig für alle, dass wir gemeinsam handeln müssen. Wir haben nicht unendlich viel Zeit, das zu tun. Wir wollen Schengen nicht mindern, wir wollen Schengen retten. Aus diesem Grund müssen wir handeln. Werden erneut nationale Grenzen eingeführt, wirkt sich das auf die Wirtschaft dramatisch aus. Die LKW werden sich stauen. Innerhalb Europas finden jährlich 56 Millionen Ein- und Ausreisen statt. Erschwert man den grenzüberschreitenden Verkehr, werden die wirtschaftlichen Folgen negativ sein.”

euronews:
“Geben Sie zu, dass die EU in diesem Punkt versagt hat?”

Frans Timmermans:
“Nicht die EU als solche hat versagt. Ursache des Problems ist ein Mangel an Vertrauen zwischen den Mitgliedsstaaten. Die Folgen davon bekommen Deutschland, Schweden, die Niederlande, Österreich zu spüren. Diese Staaten fordern die Staaten, in denen die Menschen ankommen, also Italien und Griechenland auf, ihre Grenzen besser zu kontrollieren. Italien und Griechenland wiederum bitten die anderen Länder darum, nicht allein gelassen zu werden. Sie erwarten mehr Solidarität. Diese Last muss geteilt werden. So lange sie aber nicht geteilt wird, gibt es keinen Anlass, die Grenzen besser zu kontrollieren. Die Gegenseite aber sagt: Warum sollte die Last geteilt werden, so lange die Grenzen nicht besser kontrolliert werden? Es gibt ein Vertrauensproblem zwischen den Mitgliedsstaaten. Wir müssen das alles gleichzeitig lösen.”

euronews:
“Reicht die Zeit dafür?”

Frans Timmermans:
“Wir haben nicht viel Zeit. Wir haben nicht viel Zeit, denn wenn es so weiter geht, werden mit dem Beginn des Sommer erneut riesige Menschenmengen nach Europa kommen. Dann werden selbst die größten Mitgliedsstaaten keine andere Möglichkeit sehen, als ihre Grenzen zu schließen. Kommt es dazu, wird Griechenland vor einer großen Herausforderung stehen.”

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

"Man kann die Menschen nicht in den Tod schicken" - Ein Gespräch mit dem Athener Europaminister Xydakis -

Borrell: EU erzielt "politische Einigung" über Sanktionen gegen extremistische israelische Siedler

"On Air"-Show zum Auftakt der Euronews-Wahlberichterstattung: Exklusive Umfrage zur Europawahl