Gesundheit am Arbeitsplatz: Es gibt noch viel zu tun

Gesundheit am Arbeitsplatz: Es gibt noch viel zu tun
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Alle haben wir es schon mal mit Sicherheitsvorschriften nicht so genau genommen, auf der Straße, in unserer Küche, aber am Arbeitsplatz hat das

Alle haben wir es schon mal mit Sicherheitsvorschriften nicht so genau genommen, auf der Straße, in unserer Küche, aber am Arbeitsplatz hat das Folgen für das wirtschaftliche Wachstum.

Heute sind wir in Spanien, um besser zu verstehen, wie die Arbeitssicherheitsgesetze der Europäischen Agentur für Sicherheit und Arbeitsmedizin funktioniert und wir schauen uns Industriezweige an, bei denen das eine große Rolle spielt. Dann blicken wir nach Belgien, um zu sehen, was Unternehmen tun, damit die Angestellten für die Herausforderungen der Arbeitswelt nicht nur körperlich, sondern auch seelisch fit sind.

Das Ziel ist natürlich, zu verhindern, dass ein Angestellter wegen der Arbeitsbedingungen kündigt oder sich krank schreiben lassen muss. Der Behörde geht es auch darum, die Arbeit den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Angestellten anzupassen. Was hat dies nun mit Wirtschaft und Wachstum zu tun?

Nur einmal ein Beispiel: Philip ist Metzger und Arbeitgeber für 25 weitere Metzger, er stellt Spezialitäten her, produziert viel. Daher muss er auch mehr Steuern zahlen, je mehr er verkauft, was wiederum zum Wachstum seines Landes beiträgt. Aber er hat aus Kostengründen auf bestimmte Sicherheitsmaßnahmen verzichtet. Arbeitsunfälle und Krankheitsausfäle waren die Folge, immer zwei bis drei Angestellte waren krank. Seine Produktivität sank, er musste weiter den Lohn und die Sozialversicherung seiner Angestellten zahlen. Dann muss er die Maschinen reparieren lassen, Ersatzleute einstellen und einführen, all das kostet Zeit und Geld. Kunden bleiben weg, die Arbeitsatmosphäre ist schlecht, die Produktivität fällt weiter. Die kranken oder verletzten Angestellten verdienen weniger, ihr Lebensstandard sinkt. Das wiederum beeinflusst die Familie und den Freundeskreis. Die Wirtschaft zahlt einen hohen Preis in solchen Fällen. Wenn ein Angestellter ganz ausscheidet, braucht er eventuell Sozialhilfe irgendwann. Die Gesellschaft und die Wirtschaft verlieren also an Produktivität mit Unternehmen wie mit dem von Philip. So gibt es weniger Wachstum.

In Europa verlieren Unternehmen 83 Millionen Tage auf Grund von Arbeitsunfällen. Drei Viertel der Angestellten fallen einen Tag aus, aber der Rest mehr als einen Monat. 367 Millionen Tage gehen auf Grund von Krankschreibungen verloren, da geht viel Produktivität auch mit verloren.

Mit Geldern vom Europäischen Sozialfonds versucht man nun mit einem neuen Programm, das auf die Zeit von 2014 bis 2020 ausgelegt ist, sich den Herausforderungen zu stellen. Einer alternden Bevölkerung, einer besseren Einhaltung der Regeln und der Verhinderung von arbeitsbedingten Krankschreibungen.

Euronews-Reporterin Monica Pinna war im spanischen Bilbao, wo die europäische Behörde für Arbeitssicherheit ihren Sitz hat. Was tut man und wie.

In Europa stellen Berufsunfälle ein großes Problem für die Wirtschaft dar. Im Jahr 2000 wurden die Kosten auf 55 Milliarden geschätzt. Auch heute sind sie hoch. Sie zu verhindern ist also auch für die Wirtschaft interessant. Im Bau sind Berufsunfälle besonders häufig. 26 Prozent aller Arbeitsunfälle geschahen 2012 im Baugeschäft. In Spanien sind die Zahlen besorgniserregend.

Enrique Corral von der Baugewerkschaft sagt: “Leider hat sich die Lage seit 2013 verschlechtert. Auf 100.000 Arbeiter kamen vorher 5000 Unfälle. Jetzt sind es 6500.”

Im Jahr 2012 haben etwa 2,5 Millionen Menschen in Europa eine nicht-tödlichen Arbeitsunfall erlitten. 3500 Arbeitsunfälle waren tödlich.

Das bedeutet, auf 100.000 Menschen kamen 2,4 Tote. Allerdings gibt es da große Unterschiede von Land zu Land. In Polen waren es 5 Tote, in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden weniger als einer.”

Es gibt viele Studien, die beweisen, dass Berufsunfälle und beruflich bedingte Krankheiten einen großen Einfluss auf die Wirtschaft haben. Wir sprechen mit der Direktorin der Europäischen Behörde für Berufssicherheit in Bilbao, Christa Sedlatschek. Sie sagt: “Jedes Land geht an das Problem anders heran. Deutschland zum Beispiel geht davon aus, durch schlechte Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen 90 Milliarden Euro verloren gehen, das bedeutet 3,2 Prozent des Bruttosozialprodukts.”

Global gesehen schätzt man den Verlust auf vier Prozent. Auf Europa gesehen bedeutet das ein Verlust beim Bruttosozialprodukt von 2,6 bis 3,8 Prozent.

Gesundheit und Sicherheit sollten nicht mehr nur als Kosten gesehen werden. Einen Euro dafür zu investieren, kann 2 Euro zurück bringen.

Die Chefin der regionalen Behörde in Bilbao, Maite Prieto, erklärt, was die Vorteile sind, wenn Unternehmen in Sicherheit und Gesundheit ihrer Angestellten investieren: “Die Kosten für Gesundheit und Sicherheit hier betragen etwa 288.900 Euro auf zwei Jahre gerechnet. Die Sicherheitsmaßnahmen tragen auch dazu bei, dass die Produktion nicht eingestellt werden muss. Wenn die Produktion hier einen Tag lahmliegt, kostet das 3500 Euro.”

Die europäischen Gesetze geben den Rahmen vor, aber was umgesetzt wird, ist von Land zu Land verschieden, hängt vom Sektor und der Größe des Unternehmens ab. Doch die Schwierigkeiten in Spanien ähneln denen vieler anderer Länder.

Maite Prieto meint: “Kleinere und mittlere Betriebe, also die Mehrheit der Unternehmen in Spanien, haben keine eigene Abteilung für Gesundheit und Sicherheit. Viele wissen gar nicht genau, welche Maßnahmen sie ergreifen müssten, um Unfälle zu verhindern oder etwas für die Gesundheit der Mitarbeiter zu tun.

Abgesehen von den Unfällen geht man auch davon aus, dass giftige Substanzen auf der Arbeit zu schweren Krankheiten, die zum Tode führen, beitragen. Man schätzt diese Zahl global auf 152.000 Tote und 1,5 Millionen Kranke. Zur Folge hat das Frührente, Verlust an fähigen Arbeitskräften, hohe Kosten für die Krankenversicherung, und somit höhere Beiträge für die Krankenversicherung.”

Christa Sedlatschek sagt: “In Großbritannien machen die berufsbedingten Krebserkrankungen einen Verlust von einem Prozent des Bruttosozialprodukts aus.

8,6 Prozent aller Angestellten in der EU gaben an, ein gesundheitliches Problem zu haben, das mit der Arbeit zusammenhängt. Das sind also 23 Millionen Menschen. Viele haben Probleme mit dem Muskelapparat, gefolgt von Stress, Depressionen, Angsterkrankungen.

Wenn man sich die Leute so anschaut, sollte man nicht meinen, dass ein Fünftel der Europäer ihren Arbeitsplatz wegen gesundheitlicher Probleme verlässt. Das kostet die Unternehmen doppelt so viel wie Krankschreibungen und fünf Mal so viel wie Arbeitsunfälle, Kostenpunkt: 240 Milliarden Euro jährlich, 57 Prozent Verlust der Produktivität.

Monica Pinna fuhr nach Belgien, um sich anzuschauen, was ein Unternehmen für die Gesundheit der Angestellten tun kann.

Stress auf der Arbeit und psychosoziale Risiken sind für die Hälfte aller verlorenen Arbeitstage verantwortlich. Und die Zahl derer, die wegen Stress, Depression oder Burn-out nicht mehr können, wird in Europa größer. Büros sind gefährlicher als wir denken.

François Richir, Produktmanager bei Siemens in der Gesundheitsabteilung sagt: “Stress gibt es in vielen unterschiedlichen Formen. Zum Beispiel, ständige Telefonanrufe, gleichzeitig soll man den Kollegen helfen, man muss viele Dinge gleichzeitig tun. Die Liste der Dinge, die zu erledigen ist, wird immer länger. Es gibt keine Pausen. Alles geht zu schnell.”

Überhaupt über psychische Probleme am Arbeitsplatz zu sprechen, ist vielerorts ein Tabu. Es scheint, dass das Tabu in größeren Unternehmen noch größer ist.

Bei Siemens in Belgien hat man sich für einen anderen Weg entschieden. Man investiert in Gesundheit und Sicherheit. Die europäische Behörde lobt dieses Unternehmen als ein Vorbild für andere, wie man gut mit Stress und psychosozialen Risiken umgehen kann.

Patrick De Bouver von der Gesundheitsabteilung bei Siemens sagt: “Wir haben das Fit@Work Programm, das ist ein Programm, um gesünder zu leben. Es geht um gesunde Ernährung, Bewegung und auch um den mentalen, den psychosozialen Aspekt.”

François Richir macht wie etwa die Hälfte der 1500 Angestellten hier beim Training jede Woche mit. Es gibt auch Vorträge zum Thema Umgang mit Stress. Das Programm kostet die Firma 500.000 Euro auf drei Jahre gerechnet ab 2013.

Wir fragen Patrick De Bouver nach den Gründen.

Patrick De Bouver: “Warum wir das machen, nach zwei Jahren ist das noch schwierig zu sagen.
euronews: “Warum soviel Geld zahlen?
Patrick De Bouver: “Es gibt Beweise dafür, dass es ein Plus für die Firma ist, wenn die Angestellten sich wohl fühlen. Das kann man glauben oder nicht.

In Europa gibt es da noch viel zu tun. Die Hälfte aller Angestellten arbeitet mindestens an einem Samstag pro Monat. 45 Prozent sagen, dass sie auch in ihrer Freizeit für die Firma arbeiten, drei Prozent tut dies sogar täglich.”

In Bilbao fragen wir die Direktorin der Behörde, Christa Sedlatschek, nach dem Problem im Großen und Ganzen? Sie sagt: “In Europa sind sich 80 Prozent der Manager bewusst, dass es auf dem Gebiet Probleme gibt, aber nur 30 Prozent der Unternehmen tut etwas, um die psychosozialen Risiken zu vermindern. Vier von zehn Angestellten werden vom Unternehmen nicht richtig behandelt.”

Brüssel will hier weiter ansetzen. Bisher weiß überhaupt erst die Hälfte der europäischen Unternehmen, dass sie die psychosozialen Aspekte miteinbeziehen sollten und wie sie das tun sollten. Mit dem Wissen könnten sie jedoch eine gesundes Arbeitsumfeld schaffen.

Gesundheit und Sicherheit auf der Arbeit – ein wichtiges Thema also auch für die Wirtschaft.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Wie profitiert Griechenland vom europäische Aufbauplan?

Die Europäische Union stärkt den Schutz vor gefährlichen Chemikalien

Wie hilft Kinderbetreuung ukrainischen Flüchtlingen bei der Integration im Gastland?