Brasilien in der Staatskrise - Amtsenthebungsverfahren auch gegen Vizepräsident Temer

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Die um das politische Überleben kämpfende Präsidentin Brasiliens Dilma Rousseff hat erklärt, ihr Kabinett nicht umzubilden. So kann Rousseff das

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Die um das politische Überleben kämpfende Präsidentin Brasiliens Dilma Rousseff hat erklärt, ihr Kabinett nicht umzubilden. So kann Rousseff das laufende Amtsenthebungsverfahren, das mit angeblichen Haushaltstricks und Ungereimtheiten bei der Wahlkampagne 2014 begründet wird, noch weiter verzögern. Rousseffs Zustimmungswerte sind inzwischen unter zehn Prozent gesunken.

“Jeder Versuch mit unbewiesenen Vorwürfen eine Amtsenthebung zu begründen ist ein Staatsstreich, denn es fehlt jede rechtliche Grundlage. “

Nach dem Verlust ihres wichtigsten Koalitionspartners hat die Führung der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) den Abzug ihrer sechs Minister aus der Regierung beschlossen. Bislang weigern sich aber sechs von sieben PMDB-Ministern, ihre Posten zu räumen; die Partei ist intern tief gespalten. Parteichef Michel Temer, 75, denkt ohnehin nicht daran, als Vizepräsident zurückzutreten. Er setzt darauf, dass Rousseff in Kürze stürzt und er selbst ins höchste Staatsamt nachrückt – ohne jemals eine allgemeine Wahl gewonnen zu haben. Wenn Abgeordnetenhaus und Senat zustimmen, wird Rousseff zunächst für sechs Monate suspendiert. Im Oktober könnte der Senat mit 2/3-Mehrheit eine endgültige Amtsenthebung beschließen. Die Nominierung von Ex-Präsident Lula da Silva als Kabinettschef wurde vom Bundesgericht untersagt, Rousseff bestreitet, dass ihn die Berufung vor Ermittlungen schützen sollte.

Brazil justice orders impeachment process for VP Temer, heightens crisis https://t.co/NoxOKYz5D9

— Reuters Top News (@Reuters) 5. April 2016

Brasilien steckt in der tiefsten Rezession seit mehr als 100 Jahren und ist zu einem der größten ökonomischen und politischen Sorgenkinder in der Welt geworden. Wegen Korruptionsvorwürfen wächst der Druck auf Präsidentin Dilma Rousseff. Die Zahl der Arbeitslosen stieg Ende Januar auf einen Langzeit-Rekord von 9,6 Millionen Menschen – eine Zunahme von 42 Prozent binnen eines Jahres. Fast zehn Prozent der erwerbsfähigen Brasilianer ist inzwischen nach offiziellen Zahlen ohne Job. Die Inflation stieg im vergangenen Jahr über die Zehn-Prozent-Marke. Bei der jüngsten Revision der IWF-Wachstumsschätzungen war Brasilien eines der Länder, bei dem die Prognosen am stärksten zurückgenommen wurden – und zwar um rund zweieinhalb Prozentpunkte für dieses und das nächste Jahr. Inzwischen rechnet der Fonds im laufenden Jahr mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 3,5 Prozent, fast so viel wie im Vorjahr mit 3,8 Prozent.

Die Probleme für die linke Präsidentin Rousseff werden derweil immer mächtiger und drohen das Land auch politisch in den Abgrund zu stürzen. Inzwischen hat auch die brasilianische Anwaltskammer OAB ein Amtsenthebungsverfahren gegen sie beantragt. Dabei läuft schon eines, weil Rousseff gegen Haushaltsregelung verstoßen haben soll. Darüber hinaus stehen sie und viele ihrer prominenten Wegbegleiter aus ihrem Umfeld – wie ihr Vorgänger Luiz Inacio Lula da Silva – unter massivem Korruptionsverdacht. Dabei war Rousseff 2010 und mehr noch 2014 gerade von vielen der Armen im Land mit großen Hoffnungen in ihr Amt gewählt worden. Diese reagieren nun umso enttäuschter.

Das Rezept, mit internationalen Großereignissen, wie der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und den Olympischen Spielen im August die wachsende Protestwelle einzudämmen, funktioniert offenbar nicht mehr. Der Umgang mit Milliardensummen, die in die Fußball-WM gesteckt wurden und auch in Olympia fließen, nährt weitere Kritik. Rousseff wird zudem vorgeworfen, über diese Prestigeobjekte sozialpolitische Aufgaben zu vernachlässigen. Seinen Aufstieg in der Weltwirtschaft hat Brasilen damit erst einmal gestoppt.

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