Die klingelnden Kassen von Calais

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Von Andrea Büring
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Wie die Flüchtlingskrise die Wirtschaft brummen lässt.

In Frankreich hat das neue Flüchtlingslager in Calais 17 Millionen Euro gekostet. Ein Großteil des Geldes wurde für die Sicherheit ausgegeben. Biometrische Systeme und private Wächter: Die Sicherheitsindustrie boomt. Sie profitiert, wenn auch legal, von den Flüchtlingen, die nach Europa kommen.

Mitten im so genannten Dschungel von Calais ist seit Januar ein neues Camp entstanden. Hier stehen keine Zelte, aber 125 Container, in denen bis zu 1.400 Migranten leben. Ein beheizter Ort mit Stockbetten – eine kurze Atempause für Flüchtlinge auf ihrem schwierigen Weg im Exil.

Hayatullah Hayat Sirat kommt aus Afghanistan. Er meint, “hier im Lager ist es sicher. Doch damit ist es vorbei, sobald wir das Lager verlassen.” Um ins Lager zu gelangen, muss man sich per Hand ausweisen. Zugangscode, Videoüberwachung, ein biometrisches Hand-Erkennungssystem. Angesichts der Gewalt im Dschungel von Calais setzt der Verein La Vie Active, vom französischen Staat mit der Handlungsvollmacht ausgestattet, auf oberste Sicherheit. Stéphane Duval, Leiter des Vereins La Vie Active: “Wenn es keine Gitter und wenn kein Hand-Erkennungssystem gäbe, dann hätte ich nicht zwölf, sondern 40 Menschen pro Container.”

Eine Maßnahme, die die Kosten aufbläht. Keine konkreten Angaben von La Vie Active oder der Stadtverwaltung, aber man gibt zu, dass der Posten Sicherheit einen Großteil des Budgets von 23 Millionen Euro ausmacht. Ein Glücksfall für die Firma Biro, die diese Mission überwacht. Der Leiter bestätigt, dass er für das Containerlager 15 Menschen angestellt hat. Aber das ist nicht alles. Hinzu kommt die Rundum-Überwachung, inklusive Parkplatz, wo die Laster auf ihrem Weg nach Großbritannien Halt machen.

Ohne Zweifel schafft die Flüchtlingskrise Arbeitsplätze in Calais, wie Laurent Roussel erklärt. Er ist Sprecher der Händler, die in der Nähe des Dschungels von Calais ansässig sind. Roussel meint, “derjenige, der wirklich arbeiten will, muss die nötigen Schritte beim Arbeitsamt unternehmen, um eine Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft zu absolvieren. Danach hat man sehr gute Möglichkeiten, einen Job zu finden. Es ist derzeit das beste, was es in Calais gibt.”

Nicht nur im Norden Frankreichs verschafft der Flüchtlingszustrom den Sicherheitsfirmen neue Aufträge. Bei Paris wurde das biometrische Erkennungssystem des Flüchtlingscamps entwickelt. Alain Choukroun, der Chef des Unternehmens Zalix Biométrie freut sich über die steigende Nachfrage. “Der Flüchtlingsstrom kann zu einem neuen Wirtschaftszweig werden. Denn Biometrik ist die einzige Technologie, die eine Person mit 100%iger Sicherheit identifiziert. Ich weiß nicht, ob das mit dem Flüchtlingsstrom zu tun hat oder mit den Terroranschlägen in Frankreich, aber es gibt eine größere Nachfrage nach Sicherheit. Das können wir klar bezeugen,” erklärt Choukroun.

Aber ist es nicht gefährlich, als Staat Auträge im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise an die Privatwirtschaft weiterzugeben? Der Meinung ist Claire Rodier, Autorin des Buches “Xenophobie Business: Wer profitiert vom Grenzregime?”. “Für private Firmen ist es im Gegensatz zum Staat nicht das Ziel, gute Politik zu machen. Es geht den Firmen um Wirtschaftlichkeit, die natürlich Auswirkungen auf die Ausstattung für Flüchtlinge haben wird, eine klare Verschlechterung zeichnet sich in einigen Ländern jetzt schon klar ab.”

Xenophobie Business – Clarie Rodier über das Geschäft mit der Abschottung https://t.co/DpkcPTgSCz#refugeeswelcomepic.twitter.com/z20mm4AkdC

— Prager Frühling (@pragerfruehling) 13. November 2015

Trotz der Risiken übertragen mehr und mehr europäische Staaten die Überwachung der Sicherheit an private Firmen. Von 13 Milliarden Euro, die in den vergangenen 15 Jahren in Grenzüberwachung und die Sicherheit des europäischen Territoriums investiert wurden, gingen mehr als 20% an private Unternehmen.

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