Die Schleuser in der Türkei profitieren von der Verzweiflung

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Von Euronews
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In der Türkei verdienen syrische und türkische Schmuggler mit den Flüchtlingen viel Geld. Unser Reporter Ahmed Deeb hat syrische Familien bei ihrer

In der Türkei verdienen syrische und türkische Schmuggler mit den Flüchtlingen viel Geld. Unser Reporter Ahmed Deeb hat syrische Familien bei ihrer Suche nach einer bezahlbaren und sicheren Überfahrt begleitet.

Das Viertel Aksaray in Istanbul, Flüchtlinge, die einen Schmuggler suchen, versuchen hier ihr Glück. Der Schmuggler Abu Khaled kommt aus dem syrischen Daraa. Fünfzehn Schmuggler und Zwischenhändler arbeiten für ihn. Sie bringen Migranten über den Landweg nach Griechenland und Bulgarien.

Abu Khaled trifft sich mit einem seiner Zwischenhändler und einem Mann, der mit seiner Familie nach Griechenland will. Er will mit seiner Frau, seinen vier Kindern, seinem Bruder, dessen Frau und ihren zwei Kindern reisen. Der Schmuggler bietet ihm an, sie von Istanbul bis zur Grenze zu bringen. Von da aus, müssten sie höchstens zwei Stunden lang laufen. Insgesamt würde das 2300 Euro kosten. Der Mann will wissen, ob er nicht wenigstens für die Kinder einen Rabatt bekommen könnte. Die Familien haben ihren ganzen Schmuck verkauft, um auswandern zu können. Der Schmuggler gibt sich unnachgiebig. Für die Kinder könne er nichts machen. Nur die unter Zweijährigen würden weniger kosten. Er fügt hinzu: “Sag mir Bescheid, wenn du in Griechenland angekommen bist und sicher bist, dass du nicht zurückgeschickt wirst. Von da an, bist du auf dich allein gestellt.”

In 2015, it is estimated that criminal networks behind #migrantsmuggling made a EUR 3-6 billion profit #migrationEUpic.twitter.com/yaOoaW2sSX

— Europol (@Europol) 24. Februar 2016

Abu Khaled war nicht bereit, uns Details über seinen Schmuggelring zu verraten. Sein Zwischenhändler erklärte: “Du kannst uns nicht filmen. Das geht nicht. Wenn die Menschen das sehen, werden sie sagen: ‘Dieser Kerl ist lebensmüde.’ Selbst wenn man nur seine Stimme erkennt. Hier kann dich die Polizei jederzeit festnehmen. Selbst für kleine Sachen. Außerdem werden sich die Menschen fragen, wieviel Geld er mit dem Schmuggeln verdient.”

Im Viertel Basmane in der Küstenstadt Izmir warten viele Migranten darauf, dass sich das Wetter bessert. Sie alle wollen versuchen, über das Meer nach Griechenland zu gelangen. Die Moschee Basmane ist ein Treffpunkt für Schmuggler und Flüchtlinge. Abu Mohammed und seine Familie kommen aus Rakka, eine Hochburg des sogenannten Islamischen Staates. Derzeit schlafen sie alle hier in der Moschee.
Abu Mohammed hat zwei behinderte Kinder, Zwillinge. Er hofft, dass sie im Ausland behandelt werden können.

Der Syrer Abdu kommt aus Damaskus. Er arbeitet als Zwischenhändler und er hat Abu Mohammed ein Angebot gemacht: Pro Person 500 Euro. Abu Mohammed fragt nach einem Rabatt. Der Zwischenhändler sagt: “Ich schwöre Dir, andere verlangen 600 Euro. Das Geld ist nicht für uns, es geht an unseren Boss. Verstehst Du? Wir zahlen für das Hotel, das Schlauchboot, usw. Alles ist sehr gut organisiert. Wenn das Wetter gut ist, schmuggeln wir euch. Wenn nicht, gehen wir kein Risiko ein. Wir transportieren 35 Menschen in einem Schlauchboot. Was ist mit dem Geld? Wo willst du es hinterlegen?” Abu Mohammed hat die Wahl: Er kann das Geld in einem Büro oder bei einem Verwandten lassen.

Abdu zufolge ist er selbst nur ein kleiner Fisch. Das große Geld machen andere: “Ich bekomme 25 Euro pro Person. Der Großteil geht an die großen Schmuggler. Die meisten Schmuggler sind Türken und dann kommen die Syrer. Die Bosse bleiben in ihren Büros. Wenn die Schmuggler zugeben würden, was sie machen, würden sie im Gefängnis landen. Es gibt viele Kontrollen. Es ist nicht einfach, Menschen zu schmuggeln.”

Polizisten haben wir an diesem Tag nicht gesehen. Wir sind mit Abu Mohammed und dem Zwischenhändler in einen Laden gegangen, wo die Migranten Geld hinterlegen können. Der Besitzer, ein Türke, erklärt dem Familienvater wie das System funktioniert: “Wir können uns auf einen Code oder ein Passwort einigen, z.B. Mohammed Nour Eddin. Ein Zahlencode oder dein Name, beides ist möglich.
Dann kommt der Zwischenhändler und gibt mir den Code oder deinen Namen und ich gebe ihm das Geld. Dieser Mann z.B. zahlte 6.000 Euros. Sein Name Abdelkarim Hussein, seine Handynummer und ein Code.”

Der Journalist Ahmed Deeb fragt: “Wenn er es nicht bis nach Griechenland schafft, bekommt er dann sein Geld zurück?” Der Ladenbesitzer antwortet: “Wenn er zurückkommt, wird das Geld noch hier sein. Er kann es ohne weiteres in 50, 40 oder 30 Tage später abholen.” Abdu fügt hinzu: “Wir bewahren das Geld in Läden oder Büros auf, aber wenn der Kunde das Geld nicht hier hinterlegen will, kann er es auch einem Verwandten anvertrauen. Er ruft ihn an, wenn er sicher in Griechenland angekommen ist und er gibt dann das Geld dem Schmuggler. Wenn er es nicht bis nach Griechenland schafft, dann sagt er uns Bescheid und wir bekommen das Geld nicht.” Wir erfahren jedoch nicht, was mit dem Geld passiert, wenn die Flüchtinge ertrinken.

[INFOGRAPHIC] Get to know the criminal infrastructure of #smuggling networks. #Migrantsmuggling#MigrationEUpic.twitter.com/6Js7uSxdUI

— Europol (@Europol) 24. Februar 2016

Abu Mohammed bleibt skeptisch: “Wir haben Schmuggler getroffen, die 600, 700 oder 500 Euro verlangt haben. Sie versprechen uns morgen oder übermorgen eine Abreise. Und dann ist das Wetter schlecht. Es sind alles Betrüger. Viele Menschen haben diesen Schwindlern 15.000 oder 20.000 Euro gezahlt.”

Als wir Izmir verlassen haben, war Abu Mohammed noch immer auf der Suche nach einem Schmuggler, dem er vertrauen kann. Tausenden Flüchtlingen bleibt keine andere Wahl, als sich in die Hände von skrupellosen Schmugglern zu begeben.

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