1968-2010: Streikkultur in Frankreich macht grundlegende Reformen schwierig

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Demonstrationen und Streiks: Frankreich besitzt eine ausgeprägte Streikkultur.

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Demonstrationen und Streiks: Frankreich besitzt eine ausgeprägte Streikkultur. Den Anfang machte der Generalstreik von 1968, ausgelöst durch die Räumung einer Fakultät an der Universität Sorbonne. Sie folgte auf die Studentenprotesten im Mai. Für drei Wochen war ganz Frankreich lahmgelegt, rund 9 Millionen Menschen gingen auf die Straße – ein neuer Rekord, der einen Wendepunkt in der Geschichte des Landes markierte.

Reformen des Renten- und Sozialversicherungssystems erfolgreich geblockt

Erst 1995 gab es erneut einen Streik, der in seiner Dimension mit den Protesten von 1968 vergleichbar war. Die Menschen demonstrierten gegen die Reformpläne des damaligen Premierministers Alain Juppé – sie betrafen vor allem das Renten- und Sozialversicherungssystem. Auch wenn Juppé die Notwendigkeit der Reformen betonte, er stieß auf taube Ohren. Die Rentenreform wurde zurückgezogen.

Welche Auswirkungen haben Streiks auf die Wirtschaft? Es ist schwierig, genaue Zahlen zu ermitteln. Schätzungen zum Streik im Jahr 1995 gehen von Einbußen zwischen 0,2 und 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Streik im Jahr 2006: Weniger Kündigungsschutz für junge Arbeitnehmer

Die französische Bevölkerung ist gespalten. Viele beklagen, dass jeder Streik, jede Reform das Land lahmlege. So würden dringend benötigte Reformen blockiert und ihre Umsetzung verschoben.
An dem Versuch, grundlegende Reformen durchzuführen, sind schon viele Regierungen gescheitert.

Im Jahr 2006 protestierten die Gewerkschaften und Studenten gegen sogenannte CPEs, neue Arbeitsverträge mit geringerem Kündigungsschutz für unter 26-Jährige. Die Reform sollte – in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit – neue Arbeitsplätze schaffen. Doch in den Augen der Streikenden zielte die Reform darauf ab, junge Menschen auszubeuten.

“Ich wollte schnell agieren und eine überzeugende Lösung herbeiführen. Das ist nicht bei allen gut angekommen”, so der damalige Premierminister Dominique De Villepin. Ein weiteres Gesetz, das am Widerstand großer Teile der Bevölkerung scheiterte.

Unbeirrtheit erntet Kritik: Erhöhung des Rentenalters auf 62 Jahre

Im März 2010 brachte die Regierung von François Fillon einen Gesetzesvorschlag zur Erhöhung des Renteneintrittalters von 60 auf 62 Jahre ein. Mehrere Millionen Menschen protestierten gegen die Reform, doch Fillon ließ sich nicht abbringen. Für seine Unbeirrtheit ernete er Kritik, so auch von einem ehemaligen Parlamentarier, dem heutigen Premiernminister Manuel Valls: “Leider zeigt uns die aktuelle Blockadesituation erneut, dass eine starre Haltung beim Durchsetzen von Gesetzen und das Fehlen jedes sozialen Dialogs in einer modernen Demokratie zu ebensolchen Situationen führt.”

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