Mord im Livestream: Bilder außer Kontrolle

Mord im Livestream: Bilder außer Kontrolle
Von  mit Reuters
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Ein Mann wird vor laufender Webcam erschossen. Die Internetunternehmen müssen Strategien entwickeln, mit Gewalt in Livebildern umzugehen.

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Ein Mann aus Chicago ist erschossen worden, während er ein Livevideo auf Facebook gestreamt hat. Das Video zeigt den 28-Jährigen mit einer Gruppe von Menschen. Dann fallen Schüsse, die Kamera fällt zu Boden. Die Polizei hat das Opfer inzwischen als Mitglied einer Gang identifiziert. Bisher wurde kein Verdächtiger festgenommen.

Der Vorfall passierte nur Tage nach dem Doppelmord an einem Polizistenehepaar in Frankreich. Der Täter übertrug seine Tat im Internet, um damit Nachahmer zu animieren.

Die Internetdiensteanbieter wie Youtube, Facebook und Twitter stehen vor großen Herausforderungen. Ihre Plattformen können zu unkontrollierten Propagandainstrumenten für Gewalttäter werden, die hunderte Millionen Menschen auf der Welt erreichen. “Live”, in Echtzeit Video und Ton übertragen, ist ein Trend im Internet. Facebook hat erst kürzlich seinen Streamingdienst gestartet. Auf Handys ist das Programm Periscope beliebt, mit dem die Nutzer Livevideos von überall streamen können.

Kaum kontrollierbar

Aber Live-Bilder lassen sich kaum kontrollieren. Nur, wenn sie verzögert übertragen würden, wäre eine Vorabkontrolle durch die Redaktionen der Internetunternehmen überhaupt denkbar. Allein die schiere Menge der Bilder stellt aber ein Problem dar, das durch menschliche Aufpasser nicht mehr zu lösen ist. Eine Kontrolle in Echtzeit wäre nur durch hochkomplexe technische Maßnahmen realisierbar. Computer müssten die Bilder auswerten und erkennen, ob sie illegales oder gefährliches Material zeigen. Solche automatischen Erkennungsroutinen werden beispielsweise im Bereich der Vervielfältigungsrechte eingesetzt, um illegal hochgeladene Musikstücke zu erkennen.

Der Umgang mit den Livebildern von Verbrechen ist für die Unternehmen auch deshalb schwierig, weil die Grenze zur Zensur sehr schmal ist. Was für einen Beobachter ein historisches Ereignis ist, ist für den anderen ein verbotener oder gefährlicher Bildinhalt. Die Zensurmechanismen in einigen Ländern Asiens und des Nahen Ostens sind ein Beispiel für diese Unterschiede in der Bewertung von Inhalten im Internet. Aber die Diskussion über die Sperre von Internetseiten in Deutschland im Zusammenhang mit Kinderpornographie zeigt, dass das Thema Zensur selbst im Westen hoch umstritten ist.

Im Fall des Getöteten in Chicago hat sich Facebook zunächst entschieden, das Video online zu lassen. Es verstoße nicht gegen die Facebook-Richtlinien, teilte eine Unternehmenssprecherin mit. Sie erklärte, Facebook würde das Video entfernen, wenn es Gewalt verherrlichen würde.

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