Neuwahlen in Spanien: Droht erneut ein Patt?

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Von Euronews
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An diesem Sonntag müssen die Spanier erneut an die Urnen, weil keine mehrheitsfähige Koalition gefunden wurde.

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An diesem Sonntag müssen die Spanier erneut an die Urnen, weil keine mehrheitsfähige Koalition gefunden wurde. In den vergangenen sechs Monaten ist es den Politikern nicht gelungen, sich zu einigen. Laut den Umfragen gibt es aber auch nach diesem Wahlgang keine klaren Verhätnisse. Keine Partei wird voraussichtlich alleine regieren können.

Die konservative Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy wird den Umfragen zufolge wieder die meisten Stimmen bekommen, aber weit von einer absoluten Mehrheit entfernt sein.

Er spricht sich dafür aus, dass die Partei, die vorne liegt auch regiert. Doch zum Regieren fehlt es ihm an willigen Koalitionspartnern, denn seine Partei ist in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelt. Innenminister Jorge Fernandez Diaz soll z.B. versucht haben, katalanische Separatisten zu diskreditieren.

Das Linksbündnis Unidos Podemos, “Zusammen können wir”, könnte die Sozialisten überholen und sich so den zweiten Platz sichern. Beobachtern zufolge käme das einem politischen Erdbeben in Spanien gleich.

Podemos-Chef Pablo Iglesias macht keinen Hehl daraus, dass er gerne Ministerpräsident wäre. Ob er allerdings eine regierungsfähige Mehrheit um sich scharen kann, ist fraglich.

Vor allem die jungen Spanier wählen Podemos. Sie fühlen sich von den Sozialisten verraten und erwarten sich von ihnen keine Lösungen.

Unterstützung von den Sozialisten wird Podemos höchstwahrscheinlich nicht bekommen. Insbesondere wenn die Partei von Pedro Sánchez auf den dritten Platz abrutscht.

Sánchez stand zwei Mal als Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten im Parlament zur Wahl. Er scheiterte, weil die Volkspartei und Podemos gegen ihn stimmten.

Ein Bündnis mit Podemos scheint unmöglich, da der 43-jährige Ökonom Sánchez ein Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien strikt ablehnt.

Die vierte politische Kraft, die liberale Partei Ciudadanos, war bereit mit den Sozialisten zu regieren, doch sie kamen zusammen nicht auf genügend Sitze.

Ihr Kandidat Albert Rivera wirbt nun für eine Dreier-Koalition aus der konservativen Volkspartei, den Sozialisten und seinen liberalen Ciudadanos, allerdings ohne Rajoy als Ministerpräsident. Podemos wäre in diesem Szenario in der Opposition.

Experten rechnen auch nach den Neuwahlen mit einem langwierigen Machtpoker.

Interview mit Lluis Orriols: “Es wird keinen großen Handlungsspielraum geben.”

Isidro Murga, euronews:
“Wir sprechen nun mit Lluis Orriols über die spanischen Parlamentswahlen an diesem Sonntag. Er ist ein Professor an der Madrider Universität Carlos III. und ist Doktor der Politikwissenschaften der Oxford University. Die Wahlen vom Dezember haben das Ende des Jahrzehnte währenden Zwei-Parteiensystems besiegelt. Allerdings haben sie keine Regierung hervorgebracht. Könnte sich die Situation nun wiederholen oder ist die politische Lage klarer?”

Lluis Orriols, Politikwissenschaftler:
“Falls sich die Vorhersagen bewahrheiten, schafft die Linke wieder keine Mehrheit – die Sozialisten sind abhängig von der Unterstützung der Nationalisten. Und wie es aussieht, wird es auch keine Mehrheit für die Rechte geben.
Der Ausgang schafft keinen großen Handlungsspielraum.
Es stimmt schon, der Wahlausgang wird wohl einfacher sein als das vorhergegangene Szenario, denn eine dritte Pakt-Möglichkeit existiert nicht mehr: Nämlich eine Regierung des politischen Umbruchs. Eine Regierung, geführt von den Sozialisten zusammen mit den neuen Parteien Ciudadanos und Podemos.
Wir werden also entweder von einer großen Koalition oder einer Linksregierung mit Nationalisten regiert werden.”

euronews:
“Die Umfragen sagen einen Sieg ohne Mehrheit für den Partido Popular, die spanische Volkspartei voraus. Rajoy hätte dann die Aufgabe, eine Regierung zu bilden. Neben der Weigerung der anderen Parteien kommt der Skandal um den Innenminister, der sein Amt missbrauchte, um den Unabhängigkeitsbewegungen zu schaden. Gibt es einen Ausweg?”

Orriols:
“Der Partido Popular wird eine einfachere Ausgangsbasis haben als noch im Dezember. Denn falls die Partei keine parlamentarische Mehrheit erreicht und dies auch nicht mit Hilfe von Ciudadanos gelingt, dann kann diesmal etwas möglich sein, das noch im Dezember schwierig war: eine große Koalition oder wenigstens ein Pakt zwischen dem Partido Popular und den Sozialisten, damit der PP regieren kann.
Es stimmt, vor kurzem gab es einen Skandal. Es ist vielleicht DAS Ereignis des Wahlkampfes, das am meisten verunsichert, aber keinen Einfluss auf das Ergebnis am Sonntag haben wird. Es ist zwar nicht leicht für den PP, aber kein Vergleich zur Situation im Dezember.”

euronews:
“Welchen Preis muss der Partido Popular zahlen, um einen Pakt mit den anderen Parteien einzugehen?”

Orriols:
“Die große Unbekannte ist, ob der PP bereit ist, seinen Kandidaten zu opfern, damit eine große Koalition mit den Sozialisten möglich wird. Man weiß also noch nicht, welche Grenzen die Verhandlungen mit dem Partido Popular haben werden.”

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euronews:
“Welche anderen Optionen liegen auf dem Tisch?”

Orriols:
“Es gibt zwei Optionen. Einen Pakt zwischen den Konservativen und den Sozialisten – eine Art große Koalition. Oder eine Links-Koalition, die aber wohl die Unterstützung der nationalistischen Partei braucht. Das ist aus zwei Gründen schwierig. Erstens: weil einige der nationalistischen Parteien den Bruch von Spanien wollen. Ein schwieriger Balance-Akt für die Sozialisten. Zweitens: Podemos könnte die Sozialisten überholen, was einen solchen Pakt unmöglich machen würde.”

euronews:
“Neben Arbeitslosigkeit, Korruption und Unabhängigkeitsbewegungen muss die nächste Regierung mit neuen Sparmaßnahmen aus Brüssel ringen. Ist es möglich, dass sich in Spanien wiederholt, was in Griechenland mit Syriza passiert ist?”

Orriols:
“Ja, Griechenland ist für Spanien seit Jahren tatsächlich eine Art Spiegel. Denn das, was in Griechenland passiert, hat sich Monate oder Jahre später in Spanien wiederholt. Es ist also gut möglich, dass eine neue EU-kritische Regierung zumindest kurzfristig Regeln akzeptieren muss. Eines Tages werden vielleicht andere Parteien eine Mehrheit gegen die Europäische Union bilden, aber das wird kurzfristig nicht geschehen. Es kann also sein, dass die Wahlversprechen wegen der Vorgaben aus Brüssel in Vergessenheit geraten werden.”

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