EU sucht nach Sündenböcken statt nach Lösungen

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Von Andrea Büring
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Es war ein seltsamer Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel.

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Es war ein seltsamer Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Keine Ansagen, keine Entscheidungen.
Nach dem Brexit-Schock gilt der britische Premierminister als Sündenbock. Aber nicht nur er allein. Trotz wachsender Kritik gibt sich EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker gelassen: “Ich lasse mich weder von der Presse ermutigen noch entmutigen. Viele haben geschrieben, die Niederländer hätten gegen das Abkommen mit der Ukraine gestimmt, weil ich mich eingemischt habe. Jetzt sagt man, die Briten hätten gegen die EU gestimmt, weil ich mich nicht eingemischt habe. Mir ist das ziemlich egal,” kontert der Kommissionschef.

Rücktrittsforderungen

Der Vorwurf: Er habe vor dem Brexit-Votum nicht genug Stellung bezogen. Und: Er hätte die EU stärker verteidigen sollen. Nun machen ihn viele für den Ausgang verantwortlich – Rücktrittsforderungen werden laut. Dafür ausgesprochen haben sich der österreichische Kanzler Christian Kern und die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo. Sie bemängelt, “der Ausgang des Brexit-Referendums offenbart eine regelrechte Krisenserie, die die EU schon länger befällt. Europäischen Spitzenpolitikern ist es bisher nicht gelungen, Lösungen zu finden. Stattdessen versuchen sie sie zu verschleiern.”

Die Kritik am Kommissionschef scheint nur die Spitze des Eisbergs. Hinterfragt werden die Regierfähigkeit und europäische Institutionen. Viele EU-Staatsbürger erteilten der EU an den Wahlurnen zuletzt eine Absage. Alain Bloedt von der Foundation for European Progressive Study empfiehlt: “Wir müssen nun aufpassen, dass sich die Europäische Union von einem elitären Projekt zu einem bürgernahen Projekt wandelt. In diesem Sinne muss die Europäische Union stärker demokratisch legitimiert sein.”

Nächste Bestandsprobe

Wie angeschlagen Europa ist, zeigt die Debatte über Ceta, das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada.

Als Juncker auf dem EU-Gipfel erklärte, es reiche, das Abkommen auf EU-Ebene zu beschließen statt in allen nationalen Parlamenten, gab es einen Aufschrei. CETA dient als Vorlage für TTIP, das umstrittene Handelsabkommen mit den USA.

Sündenböcke unter sich

Ein entschiedener Gegner der Personalie Juncker war von Anfang an David Cameron.

Der lehnte damals das veränderte Verfahren ab, mit dem der neue Kommissionschef bestimmt wurde. Zuvor war er von den Regierungschefs gewählt worden. Seit 2014 wird bei der Auswahl des Kommissionschefs erstmals das Ergebnis der Europawahl berücksichtigt. Ein schlechter Tag für Europa, meinte Cameron damals. Die politische Führung in Brüssel drohe, die Souveränität der nationalen Parlamente einzuschränken, um dem EU-Parlament mehr Macht zu verleihen.

Nach einem noch schlechteren Tag in der vergangenen Woche nennt der ungarische Präsident die damaligen Änderungen den Anfang vom Ende – den Beginn einer europaskeptischen Welle, die seitdem über mehrere Mitgliedsstaaten schwappt.

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