Umweltfreundlichere Aquakultur durch mehr Vielfalt

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Von Julian GOMEZ mit Margitta Kirstaedter (dt. Fassung)
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Aquakultur sollte eigentlich die natürlichen Fischbestände in den Meeren schonen.

Aquakultur sollte eigentlich die natürlichen Fischbestände in den Meeren schonen. Doch oft ist das Gegenteil der Fall. Für die Ernährung der Zuchtfische wird häufig die vielfache Menge an Wildfisch verbraucht. Wenn die Aquakultur in natürlicher Umgebung praktiziert wird, belasten außerdem Parasiten und Rückstände aus der Zufütterung das Meer mit seiner Flora und Fauna. Multitrophische Aquakultur soll dem abhelfen.

In einer Lachsfarm der Scottish Salmon Company vor der Küste Westschottlands versuchen Meeresbiologen, Europas Aquakultur effizienter, profitabler und gleichzeitig umweltschonender zu machen. In der Farm werden jährlich rund 1.000 Tonnen Lachs gezüchtet. In diesem Jahr kommen aber auch noch Jakobs- und Miesmuscheln hinzu. Es ist ein Pilotversuch zur Integrierten Multitrophischen Aquakultur (IMTA), zur Aufzucht verschiedener Arten im selben Lebensraum: Neben den Fischen, die auf Zufütterung angewiesen sind, werden Spezies kultiviert, die Nährstoffe aus dem Wasser entnehmen. Futterrückstände und Fäkalien, die sich auf dem Boden unter den Netzgehegen ansammeln, können so verwertet und die Nährstoffbilanz ausgeglichen werden. Denn die Verschmutzung durch solche Rückstände und Medikamente ist eins der großen Probleme bei Aquakultur in natürlicher Umgebung.

“Wir hoffen, dass wir so für die Lachszucht die Menge des Phytoplanktons verringern können und auch Parasiten wie Seeläuse reduzieren”, erklärt Meeresbiologe David Attwood von der Scottish Salmon Company. “Außerdem soll uns diese Technik helfen, unsere CO2-Bilanz zu verbessern und auch andere Spezies in unseren Fang zu bekommen, die wir als Lebensmittel verkaufen können.”

An diesem und weiteren Standorten in Europa versuchen die Forscher des europäischen Idreem-Projekts (Increasing Industrial Resource Efficiency in European Mariculture) zu ergründen, welche Bedingungen in unmittelbarer Nähe zu konventionellen Fischfarmen für andere Meereslebewesen ideal sind.

Meerebiologe und Projektkoordinator Adam Hughes erklärt, dass es in vielen Ländern an Wissen darüber mangele, welche Spezies man züchten sollte: “Das ist sehr wichtig: Im Mittelmeer zum Beispiel sind die Bedingungen ganz andere als hier vor Schottlands Küste. Im Mittelmeer gibt es sehr wenige Nährstoffe und eine völlig andere Mischung von Arten. Daneben geht es natürlich auch um Wirtschaftlichkeit: Diese alternative Art von Fischzucht muss profitabel für den Fischfarmer sein. Er muss also für die Arten, die er züchtet, auch einen Absatzmarkt haben.”

Fische und “Nebenprodukte” wie Muscheln und Algen profitieren voneinander

Nicht nur für die Zuchtfische kann die multitrophische Aquakultur von Vorteil sein, sondern auch für die “Nebenprodukte” wie Muscheln und Algen. “Einer der Gründe, warum die Meerespflanzen, die wir hier anbauen, so gut wachsen, ist, dass sie neben den Lachsgehegen liegen”, erläutert Meeresbiologe Lars Brunner. Stichproben der Meerespflanzen und anderer Spezies werden im Labor darauf untersucht, welche Bedingungen in der Nähe von Fischfarmen ihr Wachstum fördern: “Wir schauen uns die Länge an, das Gewicht, ihre Verteilung unter Wasser, um zu sehen, ob das Wachstum in unmittelbarer Nähe zu den Lachsgehegen größer ist als weiter entfernt von den Lachsen. Unsere Projektpartner untersuchen die Zusammensetzung der Meerespflanzen und das, was die Pflanzen während ihres Wachstums aufnehmen: ihre Nährstoff-Levels, aber auch Schwermetalle und Ähnliches. Wir analysieren auch die natürlichen chemischen Bestandteile, und wie diese durch die Nähe oder Entfernung von der Lachsfarm beeinflusst werden”, so Brunner.

Expandierender Markt

Die Forscher sehen gute Marktchancen: Neben der wachsenden Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten bestehe in der Lebensmittel- und in der pharmazeutischen Industrie auch Bedarf an Meerespflanzen. Und, so Idreem-Projektkoordinator Adam Hughes: “Es gibt eine echte Notwendigkeit für Europas Aquakultur, zu wachsen. Denn sie stagniert, während die Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten weltweit wächst. Dieser neue Ansatz für Fischzucht könnte Expansion ermöglichen, dadurch, dass man die Industrie diversifiziert, weg vom reinen Knochenfisch, und neue Jobs schafft und neue Produkte auf den Markt bringt.”

Aquakultur deckt heute fast die Hälfte des weltweiten Speisefischbedarfs. Integrierte Multitrophische Aquakultur wird bislang aber nur selten in Europa, sondern vor allem in Asien angewandt.

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