Türkei: Das große Aufräumen

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Von Andrea Büring
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Das Innenministerium entlässt Tausende Staatsdiener, zahlreiche Soldaten werden vom Dienst suspendiert.

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Nach dem gescheiterten Staatsstreich in der Türkei wird aufgeräumt. Den mutmaßlichen Verantwortlichen drohen hohe Strafen, sogar von der Todesstrafe ist die Rede. Diese wurde erst 2004 abgeschafft.

Der misslungene Staatsstreich

In der Nacht des 15. Juli riefen Armeeeinheiten das Kriegsrecht aus, sie besetzten Brücken in Istanbul und nahmen Generäle und Kommandeure als Geisel. Doch dann kippte die Stimmung innerhalb weniger Stunden. Der Präsident forderte die Bevölkerung über Facebook und Twitter auf, gegen die Putschisten einzuschreiten… und fand Gehör.

In the face of the coup attempt that targeted Turkey’s struggle for democracy, Turkish people responded by courageously defending democracy.

— Turkish Presidency (@trpresidency) 16. Juli 2016

Die Soldaten wurden aufgehalten, entwaffnet und weggebracht. Manche von ihnen fielen sogar der Lynchjustiz zum Opfer.

Wie gelang es der Regierung so schnell, zwischen Feind und Freund zu unterscheiden, während die Geheimdienste den geplanten Staatsstreich verschliefen? Eine Frage, die bisher ungeklärt ist.

Viele in der aufgebrachten Menge verlangten die Todesstrafe. Eine Bitte, die Erdogan gut in die Rechnung passt: “Meine Brüder, Staat und Regierung gehen aufeure Forderungen ein. Wir können diese nicht ignorieren.In einer Demokratie hat das Volk das Sagen.”

Wer sind die Putschisten?

Es wird vermutet, dass ER der Drahtzieher ist: der frühere Luftwaffenchef Akin Öztürk. Auch die Kommandeure der Zweiten und Dritten Armee, General Adem Huduti und Generealleutnant Erdal Öztürk, sollen unter den höchstrangigen Verhafteten sein.

In mehreren Zeitungen wie auch Hürriyet wurden Listen mit Namen von bereits verhafteten Militärangehörigen veröffentlicht. Demnach setzt sich der Kern der Aufständischen wohl aus Mitgliedern der Luftwaffe und Teilen des Heeres zusammen. Auch Mitglieder der Panzertruppe, der Marine und Gendarmerie sind demzufolge unter ihnen.

Offenbar hatten die Putschisten zwei Militärbasen unter ihrer Kontrolle: den Luftwaffenstützpunkt Akinci nordwestlich von Ankara und die Basis von Diyarbakir in Anatolien. Von dort starteten in der Putschnacht F-16-Jagdflugzeuge nach Ankara und Istanbul.

Insgesamt wurden offenbar 6.000 Mitglieder des Militärs festgenommen, unter ihnen mehr als 100 Generäle und Admiräle. Das Innenministerium in Ankara suspendierte nach eigenen Angaben mehr als 8.700 Beamte, unter ihnen 7.900 Polizisten.

The Parallel State Structure which aims to take the country captive will be cleansed from all our bodies and institutions.

— Turkish Presidency (@trpresidency) 16. Juli 2016

Der “Tiefe Staat”

Es ist bereits das vierte Mal, dass die Armee in der Türkei putscht. Sie hatte lange großen Einfluss auf die Politik, denn in der Türkei herrschte ein Staat im Staat, auch genannt Tiefer Staat. Zum ihm gehörten Mitglieder des Militärs, der Gendarmerie, hohe Beamte und Geheimdienstmitarbeiter. Erst Erdogan schränkte den Spielraum des Militärs erheblich ein. Durch das erneute große Aufräumen kann der Präsident seine Macht nach Gutdünken weiter ausbauen – allen Kritikern aus dem In- und Ausland wie der EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini zum Trotz.

#Turkey – “No country can become member of the EU if it introduces the death penalty” FedericaMog</a> <a href="https://t.co/1L4ZZok8az">pic.twitter.com/1L4ZZok8az</a></p>&mdash; European Commission (EU_Commission) 18. Juli 2016

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