Überleben unter Extrembedingungen: Klimawandel in der Arktis

Überleben unter Extrembedingungen: Klimawandel in der Arktis
Von Julian GOMEZ mit Margitta Kirstaedter (dt. Fassung)
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Welche Folgen hat der Klimawandel für die arktischen und subarktischen Regionen Europas?

Welche Folgen hat der Klimawandel für die arktischen und subarktischen Regionen Europas? Was davon könnte menschengemacht sein? Das untersuchen Forscher unter anderem in Nordschweden, rund 150 Kilometer nördlich vom nördlichen Polarkreis. Es ist Tau-Saison, eine sehr kurze und ideale Zeit für Forschung in dieser extremen Umgebung, in der die Temperatur im Winter auf -45 Grad sinken kann.

An einem Bachufer trifft man auf den Biologen Hiroshi S. Ishii von der Universität Toyoma. Er und seine Kollegen untersuchen die Wechselwirkung zwischen subarktischen Pflanzen und deren Bestäubern. Die Forscher ermitteln, welche Überlebensmechanismen die Pflanzen in diesen extremen Klimabedingungen nutzen. Einer der Mechanismen ist die Farbenvielfalt der Blüten. Denn die Insekten, die die Pflanzen bestäuben, werden durch die Farben angezogen.

Je mehr Insektenvielfalt, desto bunter die Blumen

“In anderen Extrem-Umwelten gilt: Je mehr Honigbienen und Hummeln dort herumfliegen, desto bunter sind die Blüten: purpur, rosa, lila, blau und viele andere Farben. Wenn die wichtigsten Bestäuber hingegen nur Fliegen sind, ist die Farbenvielfalt begrenzt, meist sind die Blüten dann nur gelb oder weiß”, erklärt Ishii. Und schaut nun, ob das auch in dieser subarktischen Region gilt. Die Wissenschaftler untersuchen die Anatomie der Insekten und analysieren mithilfe optischer Spektroskopie das Farbspektrum der Blüten. “Unsere gesamte natürliche Umgebung hängt praktisch von der Interaktion zwischen Bestäubern und Pflanzen ab. Je mehr wir über diese natürliche Partnerschaft wissen, desto besser können wir die jeweiligen Lebensräume schützen”, betont Ishii.

Forschung an den Polen ist teuer – Vernetzung tut not

Polarregionen und subarktische oder subantarktische Gegenden sind weiträumig, Forschung dort ist sehr teuer. Deshalb nützt es, wenn die Forscher sich zusammenschließen. Aus dieser Idee heraus entstand das europäische Forschungsnetzwerk EU-PolarNet. Die Abisko-Forschungsstation in Lappland in Nordschweden ist daran beteiligt. Fredrik Dalerum und seine Kollegen untersuchen im kurzen Sommer im hohen Norden die Flora und Insektendichte und -verteilung. Ähnliche Feldstudien wurden in Nordkanada und in Grönland durchgeführt und sind auch für Nordsibirien geplant. “Arktische Ökosysteme sind sehr simpel”, erklärt Dalerum. “Die Prozesse, die dort wirken, sind leicht zu erkennen. Untersucht man dagegen die Folgen des Klimawandels im nördlichen Nadelwaldgürtel oder in mediterranen Wäldern, hat man sehr komplexe Systeme vor sich und kann nur schwer herausfiltern, welche Prozesse auf welche Spezies wirken.”

In Abisko forscht man weltweit vernetzt, wie der Evolutionsbiologe Keith W. Larson erläutert: “Wir haben einen Forscher aus Dänemark, einen anderen aus den Niederlanden. Sie arbeiten in unserer Forschungsstation, betreuen aber auch Projekte in Alaska, Grönland oder Sibirien. Dort machen sie das Gleiche wie ich hier, um zu sehen, ob die Ergebnisse ähnlich sind – sodass wir dann zum Beispiel sagen können, ob das, was wir hier beobachten, repräsentativ für alle subarktischen Regionen ist.”

Die Sumpfgebiete einen halben Meter über dem Permafrostboden werden ebenfalls unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler analysieren den Kohlendioxid- und Methangehalt, um zu sehen, wie viel Kohlenstoff in dieser Umgebung aufgenommen wird und welche Auswirkungen dies auf das gesamte Ökosystem in der Gegend haben kann. Denn, so Biochemiker Patrick Crill: “In der Arktis geht die Erwärmung schneller. Es gibt gewässerkundliche Veränderungen, Veränderungen in den Vegetationsperioden und in den Strukturen der Pflanzengesellschaften. Wir müssen dem unbedingt auf den Grund kommen, um herauszufinden, inwieweit diese Veränderungen menschengemacht sein können.”

Seit über einem Jahrzehnt messen die Forscher den Gasgehalt in den nordschwedischen Sümpfen. Künftig wollen sie auch stärker mit anderen Disziplinen zusammenarbeiten, um noch aussagekräftigere Daten sammeln zu können.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Europa friert, aber 20°C in der Arktis

EU-Mission Seestern 2030: die Zukunft unserer Meere und Gewässer gestalten

Kabelroboter mischen den europäischen Bausektor auf