Trotz Einigung mit der FARC: Noch kein "wirklicher Frieden" in Kolumbien

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Kolumbien bereitet sich auf eine neue Zeit vor – die Zeit nach dem blutigen und mehr als 50 Jahre andauernden Konflikt zwischen der Regierung und der Guerillaorganisation…

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Kolumbien bereitet sich auf eine neue Zeit vor – die Zeit nach dem blutigen und mehr als 50 Jahre andauernden Konflikt zwischen der Regierung und der Guerillaorganisation FARC. Die Verhandlungen in der kubanischen Hauptstadt Havanna sind abgeschlossen, der Text des Friedensabkommens beschlossene Sache.

“Ich habe einen endgültigen Waffenstillstand mit der FARC angeordnet, der am Montag um 0 Uhr in Kraft tritt. Damit endet der bewaffnete Konflikt mit der FARC”, sagte Staatspräsident Juan Manuel Santos.

Im Juni hatten beiden Seiten bereits die Einstellung der Feindseligkeiten vereinbart. In den folgenden Verhandlungen gab es dann den Durchbruch, jetzt wollen die Regierung und die Guerillakämpfer ein für alle Mal das Kriegsbeil begraben. Die FARC hat dem Vorhaben zugestimmt, alle Waffen unter Aufsicht der Vereinten Nationen abzugeben. Aus der Rebellengruppe wird eine politische Partei, die Mitglieder sollen resozialisiert werden.

Ein weiterer Aspekt der Einigung ist die Entschädigung der Opfer des Konfliktes beziehungsweise der Hinterbliebenen der zehntausenden Toten. Des weiteren sind im Friedensvertrag Aspekte wie Besitzrechte, die Einstellung des Drogenhandels und eine Landwirtschaftsreform geregelt.

Der FARC wird angelastet, in der Vergangenheit zahlreiche Entführungen ausgeführt zu haben – wie die Verschleppung der ehemaligen kolumbianischen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt.

Die kolumbianische Regierung machte die FARC darüber hinaus für Taten wie den Bombenanschlag auf den Club “El Nogal” in der Hauptstadt Bogotá im Februar 2003 verantwortlich.

Der jetzt ausgehandelte Friedensvertrag soll im September unterzeichnet werden und Anfang Oktober der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden.

Verhandlungen auch mit der ELN? “Diese politische Möglichkeit nicht vergeuden!”

euronews-Reporter Vincenc Batalla sprach mit Adriana Benjumea, der Direktorin von Humanas, einem kolumbianischen Forschungszentrum für Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit, über den Friedensprozess.

euronews:
Präsident Juan Manuel Santos sagte, der Konflikt mit der FARC sei beendet. Dieser dauerte ein halbes Jahrhundert und ist der längste Lateinamerikas. Stimmen Sie der Einschätzung des Präsidenten zu?

Adriana Benjumea:
Natürlich. Hier in Kolumbien empfinden wir das als eine realistische und richtige Einschätzung, dass der Konflikt beendet ist. Kolumbien wird jetzt ein Land, das sich dem Frieden zuneigt – und wir, die Bürger, haben auch das Recht, in einem friedlichen Land zu leben. Das, was der Präsident sagt, ist richtig: Wir können sagen, dass der Konflikt in Kolumbien beendet ist.

euronews:
Die Einigung umfasst sechs Punkte, die am 2. Oktober von den Kolumbianern in einer Volksabstimmung bestätigt werden müssen. Wird das Volk mit ‘Ja’ stimmen?

Benjumea:
Es ist sehr wichtig für alle, dass mit ‘Ja’ gestimmt wird. Wir sind überzeugt, dass all die Leute, die für Menschenrechte sind, ‘Ja’ zum Frieden sagen. Wir werden weder die Chance auf Frieden noch die Einigung zwischen der FARC und der Regierung aus unseren Händen gleiten lassen.

“Es braucht Garantien, um die FARC-Mitglieder am politischen und sozialen Dialog zu beteiligen”

euronews:
Inwieweit könnte der ehemalige Präsident Álvaro Uribe diese Einigung behindern? Denn er ist dagegen.

Benjumea:
Nur eine Minderheit, die ohne Zweifel rechts steht, ist für den Krieg. Doch wir sind überzeugt, dass das Vorgehen des ehemaligen Präsidenten Uribe keinen Platz mehr in einem Land hat, das von dem Tag träumt, an dem es ohne Waffenlärm und in einer Demokratie aufwacht, die ohne Waffengewalt aufgebaut wurde.

euronews:
Die FARC soll ihre Waffen innerhalb von sechs Monaten abgeben. Gibt es Garantien, dass sie das vollständig tun wird?

Benjumea:
Ja, es gibt Garantien. Es wurde eine Überwachungskommission mit Vertretern der Vereinigung der lateinamerikanischen und karibischen Staaten, der FARC, der kolumbianischen Regierung und der Vereinten Nationen gebildet. Es wurden Sicherheitsbestimmungen ausgehandelt. Die Menschen in den betroffenen Gebieten überwachen ebenfalls, ob die Einigung eingehalten wird.

euronews:
Es soll mehrere Maßnahmen geben, um die Guerilla-Kämpfer in das politische Leben Kolumbiens einzugliedern. Erscheint Ihnen das möglich?

Benjumea:
Es braucht Garantien, um sie am politischen und sozialen Dialog zu beteiligen, damit es Reformen gibt, die unser Land verbessern.

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euronews:
Es gibt auch noch die Guerilla-Gruppierung ELN: Gibt es für die ebenfalls eine Lösung?

Benjumea:
Es gibt im Moment viele Menschen, die Verhandlungen mit der ELN (Ejército de Liberación Nacional, zu deutsch: Nationale Befreiungsarmee) fordern. Alle Voraussetzungen sind gegeben. Die ELN und die Regierung wollen Gespräche. Man muss sich an einen Tisch setzen und vom Friedensvertrag zwischen Regierung und FARC profitieren, um diese politische Möglichkeit nicht zu vergeuden. Erst dann könnte man sagen, dass es wirklichen Frieden in Kolumbien gibt.

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