Parlamentswahl in Russland lässt viele kalt

Parlamentswahl in Russland lässt viele kalt
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Von Andrea Büring
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Am Sonntag wählt Russland ein neues Parlament – auf Russisch: die Duma.

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Am Sonntag wählt Russland ein neues Parlament – auf Russisch: die Duma. Die Wahl hätte eigentlich am 4. Dezember stattfinden sollen, wurde aber vorgezogen. Beobachter rechnen damit, dass es dadurch mehr Enthaltungen geben wird.

Die Wahl lässt viele Russen kalt. Nur 9% geben an, den Wahlkampf verfolgt zu haben, 43% hätten ihn komplett ignoriert. Das geht aus Umfragen des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada hervor.

Mögliche Zusammensetzung der Duma

Die Meinungsforscher rechnen mit einem Sieg der Putin-Partei “Einiges Russland”, deren Kandidat ist der scheidende Ministerpräsident Dmitri Medwedew. Laut Umfragen des Lewada-Instituts kommt die Partei wohl nur auf 41,1% der Stimmen und verlöre damit ihre parlamentarische Mehrheit, die bei 300 Sitzen liegt.
Präsident Wladimir Putin zeigte sich in den vergangenen Tagen demonstrativ an Medwedews Seite.

Die Kommunisten unter Gennadi Sjuganow würden laut Umfrage nicht mehr zweitstärkste Kraft in der Duma. Nur 7,4% der Russen sind demnach bereit, sie zu wählen. Mehrheit der Wähler sind Rentner. Er selbst ist 72 Jahre alt, doch für einen Nachfolger will er bisher keinen Platz machen.

Gute Chancen ausrechnen kann sich laut Lewada die Liberaldemokratische Partei des Ultranationalisten Wladimir Zhirinovski. Demnach wird sie zweitstärkste Kraft mit 12,6% der Stimmen.

Der Chef von “Gerechtes Russland”, Sergei Mironow, ist optimistisch, dass auch seine Partei weiter in der Duma bleibt. Alle vier genannten Kräfte unterstützen Mironow zufolge Präsident Putin.

Opposition

In der Tat werden der Opposition wenig Chancen ausgerechnet, in die Duma einzuziehen – obwohl die 7%-Hürde auf 5% heruntergesetzt wurde.

Selbst der Partei PARNAS unter der Führung des früheren Ministerpräsidenten Michail Kassjanow wird es wohl nicht gelingen, genügend Wähler zu mobilisieren.

Obwohl Russland in der Rezession steckt und die Gehälter zum ersten Mal seit 15 Jahren sinken, ist Putins Zug noch längst nicht abgefahren. Er istn beliebt wie immer.
Beobachtern zufolge bereitet er bereits seine Kandidatur für die Präsidentenwahl 2018 vor.

Expertentalk

Marina Ostrovskaya, euronews:
Am Sonntag wählen die Russen ein neues Parlament. Kann diese Wahl die politische Landschaft verändern und die Machtverhältnisse in Russland verschieben? Der Direktor des russischen Meinungsforschungsinstituts VCIOM Waleri Fjodorow wird die Lage für uns einschätzen. Ihren jüngsten Umfragen zufolge wird die Partei “Einiges Russland” die Wahl auf jeden Fall gewinnen. Gleichzeitig nimmt ihre Beliebtheit aber auch ab. Wie können Sie sich das erklären?

Waleri Fjodorow, VCIOM:
Während der vergangenen drei Monate ging der Rückhalt für die Partei “Einiges Russland” von 45% auf 39% herunter. Und zwar stetig, nicht ganz plötzlich.
Laut der letzten Umfrage, die wir am Wochenende abgeschlossen haben, stoppt dieser Trend jetzt. Heute liegt die Zustimmung für Einiges Russland bei etwa 41,5 %.
Nun ist das Schicksal der Wahl besiegelt. Wir stellen fest, “Einiges Russland” hat alle Kräfte mobilisert und den Präsidenten um Hilfe gebeten. Jetzt will ich meine Prognose abgeben: Selbst wenn die Partei weniger Stimmen als in vorhergehenden Wahlen erhält, so wird sie diesmal trotzdem zwischen 43 und 45% erreichen, vielleicht sogar 47% der Stimmen.

euronews:
Wer profitiert von den Wählern, die unzufrieden mit der regierenden Partei sind?

Waleri Fjodorow, VCIOM:
Wir konnten einen wachsenden Rückhalt für die russischen Liberaldemokraten beobachten. Beim letzten Mal schafften sie gerade eben den Sprung ins Parlament. Doch diesmal scheinen sie die zweitstärkste Kraft zu werden mit möglicherweise 11% der Stimmen.
Die Kommunisten haben diesmal deutlich weniger Zulauf und werden wahrscheinlich nicht mehr zweitstärkste Kraft.
Es gibt die sozialdemokratische Oppositionspartei “Gerechtes Russland”, die das letzte Mal 13% erreichte, dieses Mal wird es wohl nur für 6 oder 7% reichen.

euronews:
Und die außerparlamentarischen Parteien? Haben Jabloko, Parnas oder die Rentnerpartei Russlands eine Chance?

Waleri Fjodorow:
Jabloko wird schätzungsweise auf 3% kommen. Ein großer Erfolg für die Partei, denn durch die 3% hat sie Anrecht auf finanzielle Unterstützung des Staates. Dadurch kann sie die nächsten Wahlen leichter vorbereiten. Die Präsidentenwahl ist für Frühling 2018 festgesetzt.
Die Rentnerpartei Russlands ist ein eher seltsames Konstrukt. Es gibt keine Führung, aber sie hat einen guten Namen und schlaue Themen. Das Problem der russischen Renten ist sehr aktuell ebenso wie das der sozialen Gerechtigkeit. Ich kann nicht ausschließen, dass sie 3 bis 4% schafft.
Die Rodina-Partei hat auch gute Aussichten, um auf 2 bis 3% zu kommen.
Aber Parnas wird kaum mehr als 1% der Stimmen auf sich vereinen.

euronews:
Was halten Sie davon, die Wahl vom Dezember auf den September vorzuziehen? Wird das die Wahlbeteiligung beeinflussen?

Waleri Walerjewitsch Fjodorow:
Wir gehen von einer geringeren Beteiligung aus. Dafür wird es viele Gründe geben. So gibt es einen Wechsel bei der Zusammensetzung der Zentralen Wahlbehörde, die strenger gegen Fälschungen vorgehen wird. Menschenrechtsaktivistin Ella Pamfilowa ist die neue Direktorin. Die Kommission wird Wahlfälschungen von nun an ernster nehmen, auch wenn sie die Beteiligung betreffen.
Eine Rolle spielt auch die Jahreszeit. Die Wähler hatten noch nicht genug Zeit, den Wahlkampf zu verfolgen und ihre Kräfte zu mobilisieren.
Diesmal fand der Wahlkampf zwei bis drei Wochen lang statt, früher waren es anderthalb bis zwei Monate.

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