Kolumbiens Friedensreferendum: Enthusiasmus, Hoffnung und Zweifel

Kolumbiens Friedensreferendum: Enthusiasmus, Hoffnung und Zweifel
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Von Andrea Büring
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Die Kolumbianer stimmen an diesem Sonntag über das “Friedensabkommen zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen”: ab.

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Die Kolumbianer stimmen an diesem Sonntag über das “Friedensabkommen zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen”: ab. Diese hatten am vergangenen Wochenende grünes Licht für den Vertrag gegeben, der Anlass zur Hoffnung gibt, dass das Land nach fünf Jahrzehnten nun doch zur Ruhe kommen kann. Die Waffen schweigen seit dem 29. August.

“Wir haben einstimmig beschlossen, den Konflikt zu beenden und einen stabilen und dauerhaften Frieden aufzubauen. Wir sind fest überzeugt, dass das die Grundlage für den Wandel ist, den das ganze Land so sehr will,” meint der Anführer der kolumbianischen Guerilla-Organisation FARC “Timochenko”.

Es tiempo de paz, de amor y reconciliación. Es tiempo de perdonar y excluir el odio. Silvia Berrocal victima Chinita pic.twitter.com/en71bzW6Cd

— Pastor Alape (@AlapePastorFARC) 30. September 2016

Ein langer Weg zum Frieden

2012 hatten die Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc-Anführern in Kuba begonnen. Was für Zugeständnisse an die Rebellen gemacht werden sollten und wie Gerechtigkeit geschaffen werden kann, das waren Hauptthemen.

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos sagte, “zum ersten Mal haben wir die Opfer in den Mittelpunkt der Lösung gestellt. Ihr Recht auf die Wahrheit, auf Gerechtigkeit, auf Wiedergutmachung.”

Was sieht die Vereinbarung vor?

Laut Friedensvereinbarung müssen die Regierung und die Rebellen den Menschen in den armen Gegenden Land, Anleihen und Basis-Dienstleistungen zur Verfügung stellen.

Die FARC wird zu einer politischen Partei mit zehn Sitzen im Kongress.

Die etwa 7.000 Farc-Kämpfer müssen innerhalb von 180 Tagen ihre Waffen abgeben und sich in eine der 28 Entwaffnungszonen begeben, die von den Vereinten Nationen festgelegt wurden. Die UNO spielt eine wichtige Rolle beim Friedensprozess.
Sie werden zwei Jahre lang eine Rente bekommen und eine Einmalzahlung von umgerechnet 610 Euro.

Die Farc hat eingewilligt, die Kokainproduktion aufzugeben. Die Regierung will den Koka-Bauern helfen, sich anders ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Für politische Verbrechen soll eine Amnestie gelten, aber nicht für Massaker, Folter und Vergewaltigung.

Können die Narben der Vergangenheit heilen?

In den vergangenen fünf Jahrzehnten starben fast 260.000 Kolumbianer (fast 80% Zivilisten) und mehr als sechs Millionen waren im eigenen Land auf der Flucht.

Nicht alle Gewalt geht jedoch auf das Konto der Farc, sondern auch rechte Guerillas trugen dazu bei. Es wird dauern, bis die Narben Kolumbiens heilen.

Einblicke in die Verhandlungen

Bei den Verhandlungen war auch die religiöse Gemeinschaft Sant’Egidio involviert.

Cecilia Cacciotto, euronews:
“Gianni La Bella, Sie waren bei den Verhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC als Vermittler dabei. Sie wohnten der Unterzeichnung bei und sind gerade eben erst aus Kolumbien zurückgekehrt. Wie beschreiben Sie die Stimmung im Land? Denken die Menschen, dass Frieden durch diesen Vertrag möglich wird?”

Gianni La Bella, Sant’Egidio:
“Die Unterzeichnung des Vertrags wurde mit großem Enthusiasmus gefeiert. Die Kolumbianer haben mehr als 52 Jahre lang auf Frieden gewartet. Die Zeremonie wurde im ganzen Land verfolgt. Die Freude wird jedoch überschattet von Zweifeln. Die Menschen wollen Frieden, gleichzeitig haben sie Angst, dass er nicht hält.”

euronews:
“Kolumbiens rechtskonservative Politiker haben das Abkommen heftig kritisiert. Ist es das beste Ergebnis, das man erreichen konnte?”

Gianni La Bella:
“Es ist ein komplexes Abkommen von mehr als 290 Seiten, das den Friedensprozess begleiten wird. Wie bei jedem Abkommen gibt es auch hier Kompromisse und es wird lange dauern, bevor es zur Versöhnung kommt. Doch jetzt muss der Vertrag in konkrete Tatsachen umgesetzt werden.”

euronews:
“Die Verhandlungen dauerten vier Jahre lang. Zweifellos gab es kritische Momente. Haben Sie jemals gedacht, Sie könnten scheitern?”

Gianni La Bella:
“Am schwierigsten waren die Verhandlungen über eine strafrechtliche Verfolgung der FARC-Guerillas. Müssen sie ins Gefängnis oder nicht? Das war die schwerste Frage, die Diskussionen dauerten monatelang. Viele Menschen arbeiteten an einer Lösung, die für Gerechtigkeit sorgt, bei der nicht nur Strafe, sondern auch die Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft im Fordergrund steht.”

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euronews:
“Was wird am 3. Oktober passieren?”

Gianni La Bella:
“Sobald die Regierung die Ergebnisse verkündet, wird der Vertrag Schritt für Schritt und gemäß seiner Zeitvorgaben umgesetzt.
FARC-Guerrillas werden in Übergangszonen umgesiedelt, eine Art neue geschaffene Siedlungen. Nach und nach werden sie ihre Waffen abgeben und durch eine regierungsnahe Miliz vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt. Dann müssen sie sich für ihre Taten verantworten.”

euronews:
“Sant’Egidio wird die Umsetzung der Vereinbarung verfolgen. Wie lange wird es dauern, bis es Kolumbien richtig stabil wird?”

Gianni La Bella:
“Es wird sehr lange dauern. Natürlich haben wir eine Umsetzung in der Vereinbarung beschleunigt, allerdings muss der Prozess auch in den Herzen und Köpfen der Kolumbianer stattfinden. Der Vertrag wird das Verhalten der Menschen beeinflussen, was nicht innerhalb eines Tages geschieht. Es ist wirklich wichtig, dass die internationale Gemeinschaft, die Zivilbevölkerung und die Kirche sich einsetzen, um den Versöhnungsprozess zu unterstützen.”

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