Ohnmacht und Resignation - Was sich in 5 Jahren in Jerusalem verändert hat

Ohnmacht und Resignation - Was sich in 5 Jahren in Jerusalem verändert hat
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Von Isabel CES II
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Die Atmosphäre ist düster, die Stimmung angespannt dieser Tage in den Straßen der Altstadt von Jerusalem.

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Die Atmosphäre ist düster, die Stimmung angespannt dieser Tage in den Straßen der Altstadt von Jerusalem. Ganz anders als vor fünf Jahren, als Mahmud Abbas bei der UNO die Aufnahme von Palästina als 194. Staat beantragte.

Seither haben die Palästinenser bei der UNO nur einen Beobachterstatus erreicht.

Eine Lösung des Konflikts im Nahen Osten scheint in weite Ferne gerückt. Die Palästinenserregierung in Ramallah scheint sich mit dem Status Quo zufriedenzugeben. Die Verantwortlichen erhalten in gewissem Umfang internationale Hilfe. In den Straßen von Ramallah stehen Luxuslimousinen und Einkaufszentren, doch für die allermeisten Bewohner der Palästinensergebiete haben sich die Lebensbedingungen verschlechtert.

Im muslimischen Teil der Altstadt von Jerusalem, wo Polizei und Armee einst nur diskret agierten, stehen die Sicherheitskräfte jetzt an fast jeder Kreuzung, vor fast jeder Tür.
Überwachungskameras säumen die Stadtmauer von Jerusalem, erbaut von Süleyman I., dem “Prächtigen”.

Alle Fahrzeuge, die nicht von Israelis gelenkt werden, können jederzeit gestoppt werden – ohne ersichtlichen Grund: “Das ist ein Befehl des Oberkommandierenden!” Als Touristin bin ich in zwei Wochen zwei Mal angehalten worden. Grund für die erhöhte Sicherheitsstufe sind die jüngsten Anschläge in Jerusalem. Nachdem am 9. Oktober 2016 zwei Israelis erschossen worden waren, wurde die Altstadt komplett abgeriegelt.

Selbst ein muslimischer Mann, der auf den Arzt für seine schwer kranke Frau wartete, musste erst mit den Sicherheitskräften verhandeln. Nach langen Minuten durfte der Doktor schließlich das Löwentor passieren, um die Frau zu behandeln.

Die angespannte Stimmung führt auch dazu, dass die Touristen aus aller Welt sich kaum lange in Jerusalem aufhalten. Im Muslimischen Teil der Alstadt klagen die Händler darüber, dass die – meist israelischen -Touristenführer die Kunden erst gar nicht durch die Straßen geleiten.
Amer Bakri, der einen Laden in der Via Dolorosa besitzt, öffnet nur noch einen Tag pro Woche. “Es gibt ohnehin keine Kunden”, schimpft er. Bakri arbeitet jetzt als Koch.
Der Markt am Damaskustor, wo einst Bauern die mageren Produkte der Umgebung und Krimskram verkauften, wurde aus Sicherheitsgründen gleich ganz geschlossen.

Dafür gibt es immer mehr Häuser mit israelischen Fahnen – auch im muslimischen Teil von Jerusalem, wie Berichte israelischer Nichtregierungsorganisationen belegen . Palästinensern wird – anders als den Israelis – nicht erlaubt, ihre Häuser zu erweitern, Baugenehmigungen werden ihnen systematisch verweigert.

Das Haus von Rami Nabulsi war wegen starken Schneefalls im Winter 2008 teilweise eingestürzt. Er hatte das Gebäude wieder aufgebaut, doch ein israelisches Gericht befahl ihm, seine Bauarbeiten rückgängig zu machen, da das Haus vorher nicht existiert habe – auch wenn Fotos das Gegenteil beweisen.
Das teuer wieder aufgebaute Dach musste Rami Nabulsi
für 40 000 Schekels, mehr als 9.500 Euro, wieder einreißen lassen. “Ein Vermögen habe ich verloren”, beklapt Rami.
Doch er berichtet auch von seiner Nachbarin, einer Christin, die es noch schlimmer getroffen hat. Sie musste ihr Haus verkaufen, weil ihr trotz des baufälligen Zustands ihrer Wohnung die Erlaubnis zu den Reparaturarbeiten verweigert wurde.
Als eine jüdische Familie das Haus gekauft hatte, wurde die Erlaubnis für die Bauarbeiten erteilt.
Viele der Häuser jüdischer Familien erinnern an Bunker. Die Kinder spielen auf der Terrasse im obersten Stockwerk – Soldaten überwachen die Straßen.

Ein anderes Problem sind die fehlenden öffentlichen Transportmittel zwischen den palästinensichen Wohngebieten. Um die 31 Kilometer, die Ost-Jerusalem von Hebron trennen, zurückzulegen, muss man in Bethlehem umsteigen. Die Fahrt dauert so mindestens zwei Stunden. Noch länger dauert die Fahrt ins 63 Kilometer von Jerusalem entfernte Nablus. Da die Stadt als besonders aufständisch gilt, ist sie häufig komplett abgeriegelt. Die Kontrollen an den Checkpoints mit Fahrzeugwechsel gelten auch für Krankenwagen, aus denen die Patienten aus- und umsteigen müssen.

An Feiertagen wie dem jüdischen Jom Kippur – wie zuletzt am 12. Oktober 2016 – wird die neun Kilometer lange Fahr von Jerusalem nach Bethlehem zum Risiko. Wenn alle normalen Straßen abgesperrt sind, bleiben nur noch die steinige Wege über die Hügel.
Am Straßenrand steht verlassen der zerstörte Wagen eines Palästinensers, der es gewagt hatte, während eines Verbots zu fahren.

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Auf dem Tempelberg – Al-Aqsa-Moschee für die Muslime – ist die Stimmung besonders aufgeheizt.
In nur einer Stunde habe ich auf dem Gelände der drittheiligsten Moschee des Islam drei israelische Besuchergruppen gesehen, wobei die Besucher von fast ebensovielen Soldaten begleitet wurden.
Die Muslime beobachten diese Besuche mit Argwohn, fürchten von ihrem Heiligtum vertrieben zu werden.

In Hebron klagen die Palästinenser, sie würden von den israelischen Siedlern geradezu verfolgt.

Ohnmacht und Resignation machen sich breit. Ein Taxifahrer erklärt mir, dass Palästinensische Autonomiebehörde die Kommunalwahlen verschoben habe, aus Angst, die radikale Hamas könne den Sieg davontragen.

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2017 ist der 50. Jahrestag der israelischen Besetzung des Westjordanlandes und von Ost-Jerusalem, und es drängt sich der Gedanke auf, dass mit der Ermordung von Jitzhak Rabin 1995 nicht nur ein Politiker, sondern der Friedensprozess gestorben ist.

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