Das sagt die internationale Presse zu Merkels erneuter Kandidatur

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Angela Merkel will’s noch mal wissen: Sie kandidiert erneut um das Amt als deutsche Kanzlerin.

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Angela Merkel will’s noch mal wissen: Sie kandidiert erneut um das Amt als deutsche Kanzlerin. Die Reaktionen sind gemischt. Die einen sprechen von einem guten Schritt, anderen sagen, dieser Schritt berge Risiken. Wir haben einige Stimmen der internationalen Medien für Sie zusammengetragen.

Die italienische Zeitung “Corriere della Sera” schreibt
Die Entscheidung, wieder zu kandidieren, ist risikoreich aber unvermeidlich. Wird sie gewinnen? Heute sagen die Umfragen ja, aber es ist nicht klar, welche Allianzen sie eingehen muss, um zu regieren. Eines ist sicher: Es wird eine neue Angela Merkel sein. Die Öffnung für die Flüchtlinge hat ihre politische Linie verändert. Und die Aussicht, dass sie 2021 nicht für eine fünfte Amtszeit antreten muss, macht sie ein wenig mutiger. Ein wenig.

Die linksgerichtete Zeitung “Pravda” aus der Slowakei schreibt
In der derzeitigen politischen Unsicherheit nach dem Brexit-Votum, nach dem Sieg Donald Trumps in den USA und vor den französischen Präsidentschaftswahlen richtet sich die Aufmerksamkeit noch mehr als üblicherweise auf Angela Merkel. Wenn sie im nächsten Jahr gewinnt und erneut Kanzlerin wird, wäre es ihre vierte Amtszeit. Und Angela Merkel könnte noch recht lange an der Spitze Deutschlands stehen. Die Frage ist eher, ob ihr die eigene Unersetzlichkeit selbst zusagt. Die Suche nach einem Nachfolger rückte wegen aktueller Probleme immer wieder in den Hintergrund. Der russische Feldzug gegen die Ukraine, die Gefahr eines möglichen Grexits, die Flüchtlingskrise, der Brexit, die Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat – bei all diesen globalen Ereignissen hat sich jeder gefragt: Was macht Merkel?

Die Wiener Zeitung “Der Standard” schreibt
Sie, der man so oft und so lange nachgesagt hat, sie stehe eigentlich für nichts und ändere ihre Positionen, wie es gerade opportun ist, gilt nun vielen im In- und Ausland als wichtigste Führungsperson, als “letzte Verteidigerin des liberalen Westens”, wie die New York Times schrieb. Allerdings resultiert Merkels vermeintliche Stärke auch aus der Schwäche anderer “Großer” in Europa. Theresa May ist in Großbritannien mit dem Brexit beschäftigt, François Hollande – unbeliebt wie nie zuvor – blickt ängstlich der Präsidentenwahl und der Bedrohung durch den Front National im Frühjahr entgegen. Apropos: Der vierte Wahlkampf Merkels wird anders als die ersten drei. Zum ersten Mal gibt es eine ernstzunehmende rechtspopulistische Opposition, nämlich die AfD. Diese dürfte sich über Merkels Entscheidung freuen, ist die Kanzlerin doch ihr Feindbild Nummer eins.

Die konservative Zeitung “Lidove noviny” aus Tschechien kommentiert
Angela Merkel ist die bestimmende Persönlichkeit Deutschlands in der letzten Dekade. Das ist schlicht eine Tatsache, welche selbst diejenigen anerkennen müssen, die ihr alles Mögliche vorwerfen: etwa, dass ihr eine feste ideologische Basis fehlt, dass sie Probleme wie ihr einstiger Mentor Helmut Kohl aussitzt und dass sie die deutschen Grenzen übereilt für Flüchtlinge geöffnet hat. An all der Kritik ist etwas dran. Sie verlangt nach Reflexion, nach politischer Konkurrenz und nach einer Alternative. Doch wenn Merkel sich entschieden hätte, nicht noch einmal zu kandidieren, welche glaubwürdige Alternative für den Spitzenposten würde sich dann anbieten? De facto gibt es keine. Auch das ist Teil von Merkels Erfolg, denn sie besetzt selbst die Rolle der unentbehrlichen Mutter der Nation.

Die italienische Zeitung “La Repubblica” meint
Die Zukunft wird zeigen, ob die großzügige Ankündigung von Angela Merkel ein Wagnis oder eine Wahl als Folge der politischen Rationalität ist: In der Lage eine Antwort auf die Herausforderungen zu geben, die die deutsche Politik vor unbekannte Fragen stellen wird – wie den unvermeidlichen Wandel Deutschlands zu einem Land der Einwanderung. Oder die Entschlossenheit, die Führung von ganz Europa auf sich zu nehmen, in einem Moment, in dem diese Aufgabe unaufschiebbar scheint. Man denke nur im Osten an den bedrohlichen Aktivismus Russlands unter Putin oder im Westen an das wahrscheinliche Entfernen eines Amerikas unter Trump. Deutschland wäre aus historischen und geopolitischen Gründen als erstes dran, die schmerzhaften Folgen zu spüren.

Die rechtsliberale spanische Zeitung “El Mundo” sagt
Die deutsche Kanzlerin hat bekanntgegeben, dass sie bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr erneut als Spitzenkandidatin der konservativen Partei antreten wird. Merkel ist zweifellos nicht nur die beste Option, um den Aufschwung des Rechtsextremismus in ihrem Land zu bremsen. Sie kann zudem nicht nur die Stärke der Europäischen Union garantieren, sondern auch die Erfüllung der Politik des Wachstums und der Ausgabendisziplin.

Die liberale schwedische Tageszeitung “Sydsvenskan” kommentiert
Eine Geschichte mit vertrautem Geist schreitet in diesen Tagen mit schweren Schritten durch die westliche Welt: Rechtsextremismus, Nationalismus und der Geist des Isolationismus. In den USA ging aus diesem Geist Donald Trump als Sieger der Präsidentschaftswahl hervor. Im Mai nächsten Jahr kann Frankreich an der Reihe sein. Am Sonntagabend kam jedenfalls eine gute und lang erwartete Nachricht: Angela Merkel bestätigte auf einer Pressekonferenz, dass sie nach den deutschen Wahlen 2017 für eine vierte Amtszeit als Kanzlerin zur Verfügung steht. Routiniert und respektiert ist Merkel die vereinigende Kraft in Europa und der EU – und der gesamten freien Welt – so sehr gebraucht in diesen Zeiten, wo so vieles andere ins Wanken geraten ist.

Die russische Tageszeitung “Kommersant” kommentiert
Noch 2014 waren viele Medien in Deutschland überzeugt, dass Angela Merkel ihr Amt vorzeitig aufgibt. Aber dann sickerte durch, dass die Bundeskanzlerin eine erneute Kandidatur mit ihren Beratern bespricht. Offen war eigentlich nur, wann und wie sie diese Absicht erklären wird. Nun hat Merkel die Chance, mit ihrem vierten Wahlsieg und einer vollen Amtszeit in einem Atemzug mit Konrad Adenauer und Helmut Kohl genannt zu werden. Nach Ansicht von Politologen gehört es zu einem der Geheimnisse der langen Dienstzeit von Merkel, aussichtsreiche Konkurrenten zu beseitigen und dann zu fragen: Wer, wenn nicht ich?

Die “Neue Zürcher Zeitung” schreibt
Merkel ist unentbehrlich, wird so suggeriert. Ihre vierte Kandidatur soll als ebenso natürliche Fügung erscheinen wie ihre durch die Bundestagswahl in zehn Monaten folgende Wiederwahl zur Kanzlerin. Bundeskanzlerin Alternativlos also, genau so, wie Merkel zu regieren pflegt. Diese Sichtweise ist ebenso unsinnig wie Merkels stete Behauptung während der Euro-Krise, die immer neuen Milliardenkredite an Griechenland seien alternativlos, wolle man ein “Scheitern Europas” verhindern. Und sie ist genauso falsch wie Merkels Beharren während der Flüchtlingskrise im letzten Jahr, Hunderttausende von Migranten müssten unkontrolliert ins Land gelassen werden, da man die Grenze ohnehin nicht kontrollieren könne. Alternativlos ist Angela Merkel allenfalls für die CDU, weil die Chefin talentierte Konkurrenten um den Parteivorsitz stets verhindert hat. Nach der Beruhigung der Flüchtlingskrise glaubt heute kaum jemand, dass die Union ohne Merkel bessere Wahlchancen hätte. Deshalb hat sich neben der CDU auch die CSU nach theatralischem Grollen hinter Merkel gestellt.

Die niederländische Zeitung “de Volkskrant” ist der Ansicht
Mit ihrer Kandidatur gibt Merkel in einer Zeit, in der das Vertrauen in die etablierte politische Ordnung gering ist, ein wichtiges Signal. Es ist eine Zeit, in der Politiker aus Eigennutz oder aus Risikovermeidung zu Alleingängen neigen. Merkel aber bleibt, auch wenn ihr Wahlsieg alles andere als sicher ist. Angela Merkel ist zu diesem Zeitpunkt am besten geeignet, Europa auf dieser bizarren Weltbühne zu vertreten. Wegen ihrer Erfahrung und dem Respekt, den sie genießt, aber auch weil sie die widerborstige geopolitische Realität kennt und keine unrealistisch hohen Erwartungen nährt. Ja, Angela Merkel hat in den Krisen, mit denen Brüssel in den letzten Jahren zu kämpfen hatte, die Initiative ergriffen. In der Eurokrise, im Ukrainekonflikt und in der Flüchtlingskrise. Das hat sie sowohl zur Königin von Europa gemacht, aber auch zur bösen Hexe. Darüberhinaus sind alle drei “Lösungen”, die unter deutscher Führung zustande kamen, wacklig geblieben. Und im Falle des Flüchtlingsdeals mit Erdogan, auch höchst umstritten. Das wird Merkel anhaften und sie noch mehr zur Personifizierung der Glaubwürdigkeitskrise machen, in der sich die EU befindet.

Die “Stuttgarter Zeitung” kommentiert
Unter den schwächelnden Partnern erscheint Merkel noch am stärksten. In einer Europäischen Union, die mehr von Zentrifugalkräften als vom Zusammenhalt beherrscht wird, mag Merkels Dauerkanzlerschaft wie ein Hort der Stabilität wirken. Doch gerade in Europa will keiner, dass Deutschland sich als Großmacht aufführt. Dazu fehlten sowohl finanzielle Mittel als auch militärische Stärke – und nicht zuletzt politischer Rückhalt in der Heimat.

Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” schreibt
Vor einem Jahr war Sigmar Gabriel nahezu unangefochten, weil die SPD froh sein konnte, dass sich jemand “opfern” würde. Jetzt rechnen sich einige an der Parteispitze aus, dass jemand anderes besser geeignet wäre, die Chance zu nutzen, die sich gegen eine nicht mehr ganz so souveräne Merkel biete. Andrea Nahles und Olaf Scholz waren schon vor Monaten im Gespräch. Stattdessen ist nun Martin Schulz ins Spiel gebracht worden, Außenminister zu werden und Kanzlerkandidat, ohne je innenpolitisches Parkett betreten zu haben, das ist ein tollkühner Gedanke. Schulz erginge es wie Steinmeier und Steinbrück – vor der Kandidatur galten sie als Idealbesetzung, danach als Fehlgriff. Mit Gabriel könnte es umgekehrt laufen. Er ist der beste Wahlkämpfer seiner Partei und könnte Bündnisse schmieden, die anderen zu riskant sind.

Die “Süddeutsche Zeitung” aus München ist folgender Meinung
Wenn Merkel nicht nur dank der Dauer-Schwäche ihrer politischen Gegner für eine vierte Amtszeit gewählt werden will, wird sie nicht umhinkommen, den Deutschen klar zu sagen, was sie mit diesem Land vorhat. Sie braucht eine neue Begründung für eine weitere Kanzlerschaft. Der Leitantrag für den CDU-Parteitag – er ist der Nukleus für das Wahlprogramm – gibt da jedenfalls noch keine Antwort.

“Der Tagesspiegel” aus Berlin schreibt
Zunächst einmal: Es wäre ein Witz gewesen, hätte Merkel hingeworfen. So wäre es nämlich in ihrer eigenen Partei empfunden worden. Die CDU ist doch auf sie ausgerichtet wie nie eine Partei zuvor auf irgendjemanden. Aber wofür will Merkel die Macht haben? Wozu sie behalten? Wohin will sie mit dem Land? Die Aufgabe lautet, den Kurs Deutschlands festzulegen, aber nicht in einer Art Geheimkabinett wie in vorigen Jahrhunderten. Dem Populismus entgegenzutreten, verlangt Fakten, immer wieder Fakten, und Transparenz. Wirklich etabliert ist, wer keine Debatte fürchtet.

“Die Welt” aus Berlin meint
Die Entscheidung, die Angela Merkel spätestens mit Donald Trumps Wahlsieg aus der Hand genommen wurde, ist gefallen. Die Bundeskanzlerin tritt zu einem politischen Gegenangriff an, der immer mehr wie der Ausbruchsversuch aus einem Kessel aussieht. Rund um Deutschland drängen Populisten an die Macht, weil herkömmliche politische Anschauungen, Institutionen und Verfahrensweisen ihren Stellenwert einbüßen. Es geht Merkel um die Stabilisierung der politischen Mitte – einer Mitte, die immer mehr Menschen nicht mehr als Mitte empfinden. Es geht ihr um die Verteidigung der westlichen Werte, die so manche Wähler gar nicht mehr als ihre Werte betrachten. Trump, Putin und Le Pen stellen die westliche Welt auf den Kopf, und den deutschen Wahlkampf auch. Merkel setzt darauf, dass sie trotz der Flüchtlingskrise den Satz “Keine Experimente” verkörpert. Sie will Kohls Kraftakt von 1989/90 wiederholen, diesmal in der Weltpolitik. Und glaubt, trotz aller Skepsis, dass sie das schafft.

(Quelle: dpa)

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