"Nebel im August" - Ein Film über die vergessenen "Euthanasie"-Opfer

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Von Euronews
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Kai Wessels eindringlicher Film erinnert an die "Euthanasie"-Morde im Nationalsozialismus aus der Sicht eines Jungen.

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Kai Wessels Nebel im August über die “Euthanasie”-Morde im Nazi-Reich ist ein erschütternder und dringend notwendiger Film über ein bis heute verdrängtes Tabu-Thema. Er erzählt am Beispiel des Jungen Ernst Lossa, wie Ärzte und Pfleger im Dienst eines irren Rassenwahns ihre Patienten umbrachten. Sebastian Koch oblag die schwierige Aufgabe, den Mörder im weißen Kittel, im Film heißt er Dr. Walter Veithausen, zu verkörpern.

Sebastian Koch: “Für mich als Schauspieler geht es darum, diese Logik einer verfremdeten Sichtweise so auszustatten, dass sie in sich stimmt. Deswegen ist da auch kein maliziöses Lächeln dabei, also, der steht auf, der Veithausen und guckt in den Spiegel und denkt, er macht da eine ganz wichtige Arbeit für das deutsche Volk. Und er glaubt daran. Und dieses Daranglauben, das macht es so spannend, weil das ja an sich nichts Böses ist, weil er sagt, das ist gut, was wir heute als Mord sehen.”

Unbedingt. Ansehen. „Nebel im August“: Getötet in der Heilanstalt « https://t.co/fXrT2yF70Dhttps://t.co/jA0zFdXYsV via DiePressecom</a></p>— Julya Rabinowich (JulyaRabinowich) 13 octobre 2016

Ein Film mit hochkarätiger Besetzung

Bekannt ist Regisseur Kai Wessel für seine Verfilmung der Klemperer-Tagebücher und den zweiteiligen Fernsehfilm “Die Flucht”. Sein neues, hochkarätig besetztes Drama wurde bereits mit dem Bayerischen Filmpreis für die beste Regie und den Friedenspreis des Deutschen Films, “Die Brücke” ausgezeichnet. Neben Sebastian Koch als Anstaltsarzt beeindruckt Ivo Pietzcker in der Rolle des Ernst Lossa.

„Wir wollten Nazis keinen NSDAP-Stempel auf die Stirn geben.“ Regisseur #KaiWessel über “Nebel im August” ARTHAUS</a> <a href="https://t.co/2a3hRcfRYr">https://t.co/2a3hRcfRYr</a></p>— DKultur (DKultur) 1 octobre 2016

Kai Wessel: “Das waren nach wie vor sehr aufwendige Castings, die wir gemacht haben, wirklich sehr aufwendig. Und Ivo war natürlich von Anfang an ein Kandidat, gar keine Frage. Wir haben viel probiert und ausprobiert. Wir wollten ganz sicher sein, und wir waren am Ende ganz sicher: Ivo ist der Richtigste.”

Ivo Pietzcker, der schon in dem Familiendrama “Jack” für Aufsehen sorgte, war während der Dreharbeiten erst zwölf Jahre alt, interessierte sich jedoch sehr stark für den Stoff.

Ivo Pietzcker: “Ich bin sehr geschichtsinteressiert und ich lese auch viele Bücher, nicht unbedingt sachlich, aber halt auch Geschichten. Und ja, dadurch wusste ich schon Sachen über die Euthanasie, ich war da jetzt nicht total unwissend.”

Tötungsmethode: Himbeersaft und E-Kost

Schon bald erkennt Ernst, dass immer mehr Kinder nach dem abendlich verabreichten “Himbeersaft” sterben und versucht, dem geheimen Morden auf den Grund zu gehen, was ihm am Schluss selbst zum Verhängnis wird.

Eine weitere Tötungsmethode war der systematische Nahrungsentzug durch Verabreichung einer speziell dosierten Hungerkost, auch als “E-Kost” (“Euthanasie-Kost” ) bezeichnet

Sebastian Koch: “Ich bin überzeugt, dass der Veithausen sich nie als Täter gesehen hat, sondern als wissenschaftlicher Wegbereiter für etwas, an das er glaubt. Und diese E-Kost zu erfinden, also eine Ernährung zu erfinden, der man sämtliche Nährstoffe entzieht, der Patient glaubt, dass er isst, verhungert aber beim Essen, ein relatives humanes Sterben, also aus Sicht von Veithausen wiederum, Vorsicht. Da war der stolz drauf. Das fand er toll. Da hat er auch Applaus gekriegt von den Nazis. Er konnte entscheiden nach 1941, wer sterben muss und wer nicht. Und er konnte das human und sehr deutsch und gründlich erledigen. Und das ist eine Perfidie, die ist unglaublich.”

Späte Erinnerung

Ernst Lossas Mörder kamen weitgehend ungeschoren davon. Der Anstaltsleiter, der im wirklichen Leben Dr. Valentin Faltlhauser hieß, wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, eine Strafe, die er wegen angeblicher Haftunfähigkeit bis zu seiner Begnadigung 1954 nie absaß.

Die Forschung geht derzeit von insgesamt 300.000 Opfern des sogenannten Euthanasie-Programms in Europa aus. Allerdings liegen verlässliche Zahlen insbesondere für Osteuropa noch nicht vor.

Seit 2014 gibt es in Berlin ein neues Denkmal, das an die “Euthanasie”-Opfer” erinnert, den ersten zentral organisierte Massenmord der Nazis.

Der blaue Wahnsinn: das neue T4-Mahnmal für die NS-Euthanasie-Opfer! t4eu</a> <a href="http://t.co/NB2bpIF9fe">pic.twitter.com/NB2bpIF9fe</a></p>— Stefan Schenck (StefanSchenck) 22 août 2014

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