Warum all der Streit um die Trauerfeier für Helmut Kohl (†87)?

Warum all der Streit um die Trauerfeier für Helmut Kohl (†87)?
Von Kirsten Ripper mit DPA
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Der SPIEGEL titelt “Kampf um einen Toten – Das vergiftete Erbe des Helmut Kohl”, im Magazin kommen Fans des Altkanzlers wie Martin Walser und Weggefährten wie Michail Gorbatschow (86) zu Wort, aber es gibt auch viel Kritik .

Dass es dem langjährigen deutschen Bundeskanzler bis zu seinem Tod nicht gelungen ist, seine Familie zu versöhnen, macht die Trauerfeier kompliziert. Laut STERN wollte sich Helmut Kohl in den letzten Jahren gar nicht mit seinen Söhnen treffen und den Zwist beenden.
Kohls zweite Frau Maike Kohl-Richter soll die Idee von einem europäischen Staatsakt aufgebracht und mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker darûber gesprochen haben, bevor Angela Merkel davon erfuhr. Und Kohls Söhne durften sich nicht vom Vater verabschieden. Auf dem Foto (oben) steht Walter Kohl in Ludwigshafen-Oggersheim vor verschlossener Tür und wird nicht zum Sarg durchgelassen.

Kohls Sohn Walter fordert Staatsakt für den Vater in Berlin

In der ZEIT fordert Kohls ältester Sohn Walter (53) einen Staatsakt am Brandenburger Tor in Berlin mit einem ökumenischen Requiem und einem Großen Zapfenstreich. “Ich bin überzeugt, dass diese Idee bei voller Gesundheit seine Zustimmung gefunden hätte”, sagte Walter Kohl.

Auch der SPIEGEL schreibt: “Schon lange lässt sich nicht mehr genau auseinanderhalten, was der Wille des Kanlzers ist und was der Wille der neuen Frau.”

Walter Kohl will nicht zur nach dem Staatsakt in Straßburg geplanten Totenmesse und Beerdigung in Speyer kommen. “Mit der Entscheidung für ein Begräbnis in Speyer soll sein politisches Lebenswerk von seiner Frau Hannelore getrennt werden”, sagt der Sohn.

Auf Wunsch von Maike Kohl-Richter soll es am 1. Juli ein Requiem im Dom von Speyer geben, und Helmut Kohl soll auf dem Kapitelsfriedhof in Speyer beerdigt werden. Der Sohn möchte eine Beerdigung an der Seite von seiner Mutter, Kohls erster Frau Hannelore. Sie liegt seit ihrem Tod in Oggersheim 2001 im Familiengrab auf dem Friedhof Ludwigshafen-Friesenheim, wo auch Helmut Kohls Eltern beerdigt sind.

Der Unternehmer Walter Kohl – der geschieden und in zweiter Ehe verheiratet ist – hat mehrere Ratgeber-Bücher geschrieben, in denen es um Versöhnung geht. Am Todestag von Helmut Kohl stand Walter Kohl zusammen mit seinen Kindern Johannes (20) und Leyla (15) vor dem Haus von deren gerade verstorbenen Großvater in Oggersheim – und Maike Kohl-Richter wollte sie nicht hereinlassen.

Bei der schlichten Gedenkfeier für Helmut Kohl im Bundestag sagte Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU): “Es versteht sich beinahe von selbst, dass Art und Ort der Würdigung einer herausragenden politischen Lebensleistung in und für Deutschland bei allem Respekt nicht nur eine Familienangelegenheit sind.“

Orban statt Merkel und Steinmeier?

Doch es geht nicht nur um Straßburg, Speyer oder Berlin. Offenbar wollte die Witwe bei der EU-Trauerfeier den ungarischen Regierungschef Viktor Orban sprechen lassen, aber nicht die deutsche Kanzlerin. Noch 2016 hatte Orban Kohl in Oggersheim besucht, doch in der EU ist Ungarns Ministerpräsident wegen seiner restriktiven Flüchtlingspolitik mehr als umstritten.

Bei seinen letzten öffentlichen Auftritten hat Helmut Kohl immer wieder die Einheit Europas beschworen. Doch die bis zuletzt unaufgeklärte CDU-Parteispendenaffäre und der Streit darüber mit wichtigen Vertretern des politischen Lebens in Deutschland übeschattet auch die Trauer. Dazu sagte Norbert Lammert im Bundestag: “Manche Fehler räumte Kohl selbst ein. Dass sein Abschied nach dem Verlust der Regierungsverantwortung auch aus der aktiven Politik so wurde, wie es in der Formulierung seines Biografen Hans-Peter Schwarz die Umstände der “kreativen Verschleierung von Parteispenden” am Ende erzwangen, hängt wieder mit der außergewöhnlichen, bisweilen auch außergewöhnlich sturen Persönlichkeit Kohls zusammen.”

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte nach Kohls Wahlniederlage 1998 gegen Gerhard Schröder, dem Altbundeskanzler vorgeworfen, er habe Akten aus seiner Amtszeit vernichtet. Als Kanzleramtschef setzte Steinmeier Untersuchungen gegen Kohl in Gang, die aber keine Aktenvernichtung ans Licht brachten.
Angela Merkel hatte sich nach der Spendenaffäre um die Schwarzen Kassen der Kohl-Partei 1999 Angela als CDU-Generalsekretärin von ihrem Mentor Helmut Kohl distanziert.

Viele sehen in den Versuchen von Maike Kohl-Richter, Merkel und Steinmeier bei den Trauerfeiern auszuklammern, eine Art späte Rache.

Walter Kohl kritisiert die Pläne für das Begräbnis seines Vaters. marcbrost</a> hat <a href="https://twitter.com/DIEZEIT">DieZEIT mit ihm gesprochen: https://t.co/EWeCsqKYGt

— Tobias Dorfer (@tobiasdorfer) 23. Juni 2017

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