IHK fordert Stichtagsregelung für Geflüchtete

IHK fordert Stichtagsregelung für Geflüchtete
Von Hans von der Brelie
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Die Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern will Geflüchtete in Ausbildung und Arbeit bringen.

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Im Herbst 2015, also bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der jüngsten “Flüchtlingskrise”, schlossen Politik und Wirtschaft in Deutschland einen sogenannten Integrationspakt. Sicher, um eine abschließende Bilanz zu ziehen, ist es viel zu früh. Doch IHK-Hauptgeschäftsführer Driessen hat für Euronews-Reporter Hans von der Brelie trotzdem einige belastbare Daten parat: “2016 konnte ein Drittel der Flüchtlinge in Ausbildung oder Arbeit gebracht werden”, zieht Driessen eine Art allererste Zwischenbilanz. Darauf könne die bayerische Wirtschaft durchaus stolz sein, denn einfach sei das nicht gewesen. Eine volle Integration in den Arbeitsmarkt dauert aber länger, meint Driessen unter Verweis auf diverse Forschungsergebnisse, “mindestens sieben Jahre”.

Der IHK-Manager pflegt eine klare, emotionslose, fakten- und problemorientierte Sprache. Driessen konstatiert: “Die Integrationsbereitschaft ist bei denjenigen höher, die aus politischen Gründen nach Deutschland gekommen sind.” Bei Wirtschaftsflüchtlingen stelle man oft überzogene Erwartungen fest. Für alle Gruppen gelte: Die Komplexität und die hohen Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes würden völlig unterschätzt.

Wenn man sich die Zahl der Abbrecherquoten (im Bereich Ausbildung und Lehre) aber auch andere Faktoren ansehe, dann stelle man fest, dass insbesondere Geflüchtete aus asiatischen Herkunftsländern und dem Irak schneller auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuss fassten als Migranten aus eingen Staaten Afrikas. Auch bei Iranern gebe es häufiger Probleme. Bei Syrern sei die Bilanz gemischt.

Doch sehr häufig bekommt die IHK positive Rückmeldungen aus den bayerischen Betrieben, die Motivation der ausländischen Azubis sei oft sehr hoch – und insgesamt sei die Quote der Abbrecher im Vergleich zu den deutschen Azubis sogar niedriger. Die mündlichen Prüfungen seien in der Regel machbar. “Die Stunde der Wahrheit schlägt in der schriftlichen Prüfung”, so Driessen, denn manche Fragen seien oft kompliziert formuliert. Man arbeite derzeit daran, die Prüfungstexte zu vereinfachen und Wege zu finden, die Prüfungszeiten zu verlängern.

Die gelegentlich vorgetragene Forderung, die theoretischen Prüfungen in der jeweiligen Muttersprache der Geflüchteten abzunehmen, lehnt IHK-Manager Driessen hingegen strikt ab, “das wäre integrationsfeindlich”. Der Kunde spreche ja ebenfalls Deutsch, “also muss ich auch erwarten, dass sich der künftige Arbeiter mit dem Kunden auf Deutsch verständigen kann”.

“Wirtschaft, Politik und Gesellschaft haben die große Zahl der Flüchtlinge sowohl als Bedrohung als auch als Chance gesehen”, erinnert sich Peter Driessen an die Situation 2015. Und was ist daraus geworden? “Wir haben in den vergangenen eineinhalb Jahren etwa 180.000 Flüchtlinge nach Bayern bekommen. 2016 nahmen 80.000 dieser Geflüchteten ein Praktikum, eine Arbeit oder sogar ein echtes Ausbildungsverhältnis auf”, so Driessen.

In Bayern werden derzeit etwa 3500 Flüchtlinge in Betrieben ausgebildet, die von der “IHK”: https://www.ihk-muenchen.de/ihk/documents/Projektmanagement/Leitfaden-Fl%C3%BCchtlinge-in-Ausbildung-und-Arbeit.pdf betreut werden. Hinzu kommen 1500 Azubis und Lehrlinge in bayerischen Handwerksbetrieben. IHK-Hauptgeschäftsführer Driessen: “5000 Flüchtlinge in Ausbildung, das ist eine herausragende Leistung und die Ausbildungsbetriebe sind in der Summe sehr zufrieden.”

Die größten Probleme? Spracherwerb und Bürokratie, meint Peter Driessen. “Was die Betriebe nach wie vor nervt, ist der sehr komplizierte Umgang mit den Behörden, insbesondere mit den Ausländerämtern, da haben wir Licht und Schatten… und ein echtes Verbesserungspotential.” Offenbar werden Regeln von Landratsamt zu Landratsamt, von Ausländerbehörde zu Ausländerbehörde, von Regierungsbezirk zu Regierungsbezirk sehr unterschiedlich ausgelegt.

Das gelte insbesondere für die sogenannte 3-plus-2-Regel, die auf Initiative der IHK im Bundesintegrationsgesetz durchgesetzt worden sei. “Drei Jahre während der Ausbildung gilt ein Abschiebeschutz und auch zwei Jahre danach, damit die Kenntnisse im Beruf vertieft werden können”, erklärt Driessen. Im Prinzip laufe das gut. Allerdings gebe es offene Fragen: Gelte die Regel nur bei dualer Ausbildung? Oder auch bei Fachschulen? “Vor dem Hintergrund des großen Fachkräftemangels und der Bereitschaft der Wirtschaft, einen eigenen Beitrag zur Integration zu leisten indem über Ausbildung die Integration gefördert wird, wünschen wir uns eine vereinheitlichte Auslegung durch die Ausländerbehörden”, kritisiert Driessen.

Peter Driessens Wunsch an die künftige Bundesregierung:

“Führt einen Stichtag ein! Alle Flüchtlinge, die vor diesem Datum da waren, im Frühjahr 2016 oder zum Jahreswechsel 2015/16, da sollte es ein erleichtertes Verfahren geben, damit man aus diesen komplizierten bürokratischen Dingen herauskommt.”

Mehr Informationen zum Thema Flüchtlinge und IHK München finden Sie unter diesem Link.

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