Sonderermittler zum Berliner Terroranschlag: "Es gab grobe Fehler"

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"Es hätte eine reelle Chance gegeben, Amri in Haft zu nehmen"

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Zehn Monate nach dem islamistischen Terroranschlag auf
einem Berliner Weihnachtsmarkt hat ein Sonderermittler schwere Fehler verschiedener deutscher Polizeibehörden und anderer Stellen festgestellt.
Der frühere Bundesanwalt Bruno Jost kritisiert in seinem Abschlussbericht für den Berliner Senat zu Ermittlungen rund um den Attentäter Anis Amri besonders die Berliner Kriminalpolizei, aber auch die Polizei in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

Amri war als sogenannter islamistischer Gefährder bekannt. Er hätte wegen seines Drogenhandels und gefälschter Ausweise höchstwahrscheinlich verhaftet und in Untersuchungshaft gesperrt
werden können, sagte Jost.

Anschlag in Berlin: Koalition streitet um Opferbeauftragten https://t.co/mp4QEXyNAcpic.twitter.com/8z9tMIF2fH

— Berliner Morgenpost (@morgenpost) 4 septembre 2017

Bruno Jost, Sonderermittler:

“Es gab hier grobe Fehler und dazu zähle ich zum Beispiel den Verlauf der Observation und der TKÜ – Telekommunikationsüberwachung -, ich würde sagen, es gibt keine mathematische Gewissheit, dass man Amri hätte festnehmen können und in Haft nehmen können. Aber es hätte – wenn alles gut gelaufen wäre – eine reelle Chance gegeben.”

So hätte die Kripo in Berlin Amri im Sommer 2016 viel länger
observieren müssen. Bei einer Festnahme in Friedrichshafen
sei «fast alles falsch gemacht worden, was man falsch machen
kann»: Die Vernehmung sei oberflächlich und nicht an Amris Status als
islamistischer Gefährder orientiert gewesen. Die Polizei habe sein
Handy nicht beschlagnahmt. Außerdem hätte sich sowohl die
Kriminalpolizei Berlin als auch die in NRW einschalten müssen und
Amri dort befragen müssen. «Es gab eine realistische Chance, ihn dort
aus dem Verkehr zu ziehen.»

Abschlussbericht: Verheerende Bilanz von Sonderermittler Bruno Jost im Fall #Amri. #breitscheidplatzhttps://t.co/zRol9p4Gvnpic.twitter.com/e8xyiSOdwm

— Der Tagesspiegel (@tagesspiegel) 12 octobre 2017

Das LKA Berlin habe Amri im Februar 2016 kurz festgehalten
und sein Handy beschlagnahmt. Die Daten aus dem Handy seien aber
nicht ausgewertet worden, obwohl möglicherweise wichtige Kontakte zu
islamistischen Unterstützern daraus hervorgegangen wären.

Die Zusammenarbeit der Drogenfahnder und der Terrorismusexperten sei dabei fehlerhaft
gewesen und die Ergebnisse entsprechend schlecht. Auch die
Generalstaatsanwaltschaft hätte da «ein Auge drauf haben müssen».
Jost betonte: «Da lag wirklich einiges im Argen.»

Nach dem Anschlag wurde schnell die Identität des Täters bekannt.
Der Berliner Senat verlangte vom LKA Informationen über Amri. In
dieser sogenannten Führungsinformation vom 22. Dezember 2016 seien
von einem der Autoren die Fakten über das Ausmaß von Amris
Drogenhandel «absichtlich verschwiegen» worden, wie Jost festhielt.

BERLINS INNENSENATOR FORDERT BUNDESTAGS-UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) forderte einen
Untersuchungsausschuss des Bundestags zu dem Terroranschlag. Die
Fehler vor dem Anschlag seien länderübergreifend und auch auf
Bundesebene begangen worden, sagte er zur Begründung. Auch die Rolle
des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums von Bund und Ländern (GTAZ) und des Bundeskriminalamts (BKA) müsse hinterfragt werden.

Am 19. Dezember war der Tunesier Amri mit einem Lastwagen in eine
Menschenmenge gerast, elf Personen wurden getötet, den Fahrer des
Wagens hatte Amri zuvor schon ermordet. Amri wurde vier Tage später
von der italienischen Polizei bei Mailand erschossen.

su mit dpa

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