Wo sind die Milliarden für Griechenland geblieben?

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Griechische Schulden: Die versteckten Gewinne der nationalen Zentralbanken.

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Ohne den Rettungsplan der Europäischen Kommission, der EZB und des IWF wäre Griechenland wahrscheinlich vor fünf Jahren pleitegegangen. Es hätte womöglich den Euro aufgegeben, was das gesamte Bankensystem der Eurozone erschüttert hätte.

Das dritte Hilfspaket für Griechenland seit 2010 in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro läuft im August 2018 aus. Athen hofft bis dahin, das nötige Vertrauen an den Finanzmärkten wieder zu gewinnen, um sich eigenständig Geld zu leihen. Von den Hunderten von Milliarden, die mobilisiert wurden, um das Land zu unterstützen, wurden fast 27 Milliarden von den Zentralbanken der Eurozone verwendet, um griechische Schulden zu kaufen, was die Spekulation stoppen sollte.

Fünf Jahre später wissen wir, dass diese Käufe von Staatsanleihen sehr lukrativ waren. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, hat kürzlich in einem Brief an Europa-Abgeordnete geäußert, dass die nationalen Zentralbanken des Euroraums seit 2012 insgesamt 7,8 Milliarden Euro an Zinsen verdient haben. Wer hat am meisten profitiert? Und was ist aus diesem Geld geworden? Eine Euronews-Recherche.

Opazität

Wir haben die Europäische Zentralbank um Information gebeten, wie sich diese Zins-Milliarden unter den Mitgliedstaaten des Euroraums verteilen. Vergebens. “Aus rechtlichen Gründen ist es nicht möglich, für die Mitgliedstaaten Summen zu nennen, die von den nationalen Zentralbanken an Griechenland überwiesen wurden”, so eine europäische Quelle.

Wir dann haben dieselbe Frage an mehrere nationale Zentralbanken gestellt – unmöglich, in Irland, Italien oder Griechenland mehr zu erfahren. In Spanien zum Beispiel hat die Banco de Espana nach unseren Berechnungen 984,42 Millionen Euro eingefahren, ließ aber wissen, dass sie uns keine Details “über die Verteilung der Einnahmen aus dem Kaufprogramm griechischer Staatsanleihen geben könne, diese Zuteilung sei nicht öffentlich”… passend zu den eigenen Vorschriften.

Auch in Luxemburg musste die Presse eigene Berechnungen vornehmen.
Die Banque de France verwies auf ein Dokument des Rechnungshofs, was uns erlaubt, etwas klarer zu sehen.

Wer hat was erhalten?

Nach unseren Berechnungen hat die Buba (Deutsche Bundesbank) mit rund 2,003 Milliarden Euro am meisten von diesen Beteiligungen profitiert. Logisch: Die Buba ist der größte Aktionär der Europäischen Zentralbank. Die deutsche Presse erwähnte unter Bezugnahme auf staatliche Quellen eine geringere Zahl (1,34 Milliarden Euro).

Zwei andere Zentralbanken verdienten ebenfalls erheblich. Zum Beispiel die Banque de France (fast 1,578 Milliarden Euro) und die Banca d’Italia (fast 1,370 Milliarden Euro). Zum Vergleich: Malta, der kleinste Staat in der Eurozone, erhielt Berichten zufolge 7,21 Millionen Euro.

Woher kommen diese Zinsen?

Es sind Erträge aus griechischen Wertpapieren, die von den nationalen Zentralbanken des Eurosystems im Rahmen des Programms für die Wertpapiermärkte (Securities Markets Programme, SMP) erworben wurden. So konnten öffentliche Schuldtitel auf den Sekundärmärkten erworben werden, “um einen übermäßigen Anstieg der Zinssätze der von der Staatsschuldenkrise betroffenen Mitgliedstaaten der Eurozone zu verhindern”, wie der französische Rechnungshof anmerkt.

Geld für Griechenland?

Im Rahmen einer Vereinbarung zwischen den Gläubigern Griechenlands im Jahr 2012 hatten die Mitgliedstaaten der Eurozone, die griechische Anleihen gekauft hatten, zugesagt, die Zinserträge der griechischen Zentralbank zurückzugeben.

Fünf Jahre später ist das nicht so ganz eingetreten.

Warum? Dazu der französische Rechnungshof: Nach der Entscheidung der Griechen, den von ihren Gläubigern im Gegenzug für die Freigabe der letzten Beihilfetranche vorgeschlagenen Reformplan (im Juni 2015) abzulehnen, hat “die Eurogruppe (bestehend aus den Finanzministern der Länder der Eurozone ) beschlossen, die Übertragung der Einnahmen aus den PMT- (= SMP ( “Securities Markets Programme”) ???) und ANFA-Portfolios auf Griechenland auszusetzen.” (ANFA: Agreement on Net Financial Assets, Vereinbarung über Netto-Finanzanlagen).

Mit anderen Worten, nur ein Teil der Zinsen wurde tatsächlich zurückgegeben. Laut Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, sind “4,3 Milliarden Euro” seit 2012 umverteilt worden. Laut griechischen Europaabgeordneten der radikalen Linken würden jedoch noch fast 6,213 Milliarden fehlen (Kumulierung der Zinserträge aus dem SMP-Programm und denen aus dem ANFA-Programm).

Wer hat also das Geld zurückgegeben und wer nicht?

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Hier tut das Bankgeheimnis seine Wirkung. Nach unseren Informationen haben die Banque de France und die Banque du Luxembourg die Zinserträge ausgezahlt. Ob diese Zinsen auch tatsächlich in Griechenland angekommen sind, wollte das französische Wirtschaftsministerium nicht beantworten. In Deutschland berichtete die Presse, dass seit 2015 die deutschen Zinseinnahmen tatsächlich in Deutschland geblieben seien. Eine Art “Bestrafung” gepaart mit “einem Druckmittel”, sagt Christopher Dembik, Leiter der Makroökonomischen Forschung bei der Saxo Bank.

Gewinne und Verluste

Laut einem Ökonomen einer großen Bank, würden die nicht zurückgezahlten Beträge für bessere Tage auf Konten der einzelnen nationalen Zentralbanken geparkt – mal abwarten, ob Griechenland seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nachkommt. Der französische Rechnungshof legt jedoch nahe, “die fehlende Zahlung der für 2015 und 2016 fälligen Beträge an Griechenland” sei “endgültig”. Auf jeden Fall, wenn es Griechenland gelingt, die 7,8 Milliarden, die ihm zustehen, wiederzuerlangen, wird dieses Geld zweifellos dazu dienen, neue Fristen für seine Schulden zu finanzieren “, schätzt Christopher Dembik.

Man sieht sich 2018

Das Versprechen, die Zinserträge der Länder der Eurozone an Griechenland zurückzugeben, könnte im zweiten Halbjahr 2018 wieder auf die Tagesordnung kommen, wenn der dritte Hilfsplan in Athen zu Ende geht. Kürzlich hat die Eurogruppe erklärt, dass sie Verhandlungen aufgenommen hat, die in den kommenden Monaten zu einem Erfolg führen könnten … oder nicht.

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von Christophe Garach, Sigrid Ulrich

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