Juan Pablo Escobar: Mit meinem Vater verbinde ich schlimmste Brutalität

Juan Pablo Escobar: Mit meinem Vater verbinde ich schlimmste Brutalität
Von Euronews
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Pablo Escobar beherrschte während der 80er Jahre Kolumbiens Kokainhandel. Heute setzt sich sein Sohn für ein Ende der von Drogen verursachten Gewalt ein.

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Er ist der Sohn eines der mächtigsten Drogenbarone aller Zeiten. Nach dem Tode seines Vaters 1993 verließ Juan Pablo Escobar Kolumbien und lebte unter einem anderen Namen. Er wollte seinen eigenen Weg gehen und setzte sich in aller Welt für Frieden und Versöhnung ein. Während eines Besuchs in Lyon gab uns Juan Pablo Escobar einen Einblick in das Leben seines Vaters, des Gründers des einst scheinbar unbesiegbaren Medellin-Kartells.

Yolanda Sánchez,:
Juan Pablo Escobar, Sie haben sehr lange nicht über ihren Vater gesprochen. In den vergangenen paar Jahren haben Sie zwei Bücher über ihn geschrieben und an einer Dokumentation über ihn mitgewirkt. Warum wollen Sie jetzt über ihn sprechen?

Er war schlimmer, als er im Fernsehen dargestellt wird

JPE:
Ich glaube, als sein Sohn habe ich das Recht dazu, denn ich habe Zugang zu Informationen aus der Vergangenheit. Das Bild, das die Öffentlichkeit von Pablo Escobar hat, ist falsch. Mir, seinem Sohn, fällt es zu, die Wahrheit über ihn zu sagen. Ich persönlich habe davon keinen Vorteil. Ganz im Gegenteil, denn in Wirklichkeit war mein Vater schlimmer, als er in Filmen oder Fernsehserien dargestellt wird.

euronews:
Einige betrachten ihn als eine Art Robin Hood, andere als skrupellosen Drogenhändler. Wie war er wirklich?

JPE:
Robin Hood stammt von der Presse. Die Medien haben meinen Vater so genannt, weil er soziale Projekte finanzierte, die der Staat vernachlässigte. Er baute Wohnungen, Krankenhäuser, Schulen und Sportanlagen und das brachte ihm bei den sozial Schwachen viel Sympathie ein. Es schützte ihn aber auch vor Strafverfolgung. Das Leben meines Vaters war voller Widersprüche: Er baute Sportanlagen, um Jugendliche von den Drogen fernzuhalten, aber er finanzierte sie mit Drogenerlösen.

euronews:
In Ihrem ersten Buch beschreiben Sie, was Sie davon abhielt, wie Ihr Vater zu werden. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

JPE:
Die schlimmste Gewalt, die man sich vorstellen kann. Selbst Quentin Tarantino wäre nicht auf die Gewaltexzesse gekommen, die diese Familie und das ganze Land unter meinem Vater ertragen mussten.

euronews:
Und als Sohn?

Er liebte seine Familie bedingungslos

JPE:
Als Sohn habe ich nur die besten Erinnerungen an ihn als Vater und die schlimmsten an seine Gewalttätigkeit. Von allem, was über Pablo Escobar geschrieben wurde, stimmt nur, dass er seine Familie bedingungslos liebte.

euronews:
Was kritisieren Sie an ihm?

JPE:
Wenn ich ihm gegenüber saß,so wie wir beide jetzt, habe ich ihm tausend Mal gesagt, dass ich seine Bombenattentate, Entführungen und die Ermordung von Menschen ablehne, weil seine Gewalttätigkeit immer wieder auf uns zurückschlug.

euronews:
Sehen Sie drei Jahre nach der Veröffentlichung Ihres ersten Buches Veränderungen in der öffentlichen Wahrnehmung Ihres Vaters?

Ich würde Millionen Bücher verkaufen, wenn ich Lobgesänge auf ihn schriebe

JPE:
Das Ungleichgewicht zwischen der Wahrheit und den Geschichten, die über meinen Vater erzählt werden, ist offensichtlich. Und das liegt an einem Element — der Verherrlichung. Ich würde statt einigen Tausend Büchern Millionen verkaufen, wenn sie Lobgesänge auf meinen Vater wären.

Ich kann anderen nicht verbieten, dieselben Geschichten über meinen Vater zu erzählen wie ich selbst. Aber der Unterschied wird in einem Brief deutlich, den ich nach der Veröffentlichung meines zweiten Buches von einem 13-jährigen Jungen erhielt. Er schrieb mir, er habe schon als Achtjähriger alles über meinen Vater gewusst. Er hatte es von seiner Großmutter in Argentinien gehört und in Filmen und Serien gesehen. Er sagte, er habe so werden wollen wie mein Vater, aber nachdem er mein Buch gelesen hatte, wollte er Journalist werden.

euronews:
Was sagen Sie zu jungen Leuten, für die Ihr Vater ein Idol ist, und die wie Pablo Escobar sein wollen?

Wir hungerten wegen des vielen Geldes

JPE:
Ich würde sie auffordern, die Realität zu betrachten und nicht die glorifizierte Version im Fernsehen. Was hat man von einer Villa, in der niemand auf einen wartet? Ich war mit meinem Vater auf der Flucht und wir hatten Millionen von Dollar aber nichts zu essen. Geld soll doch den Hunger fernhalten, aber wir hungerten wegen des Geldes. Es verursachte Tod, Gewalt, das Verschwinden von Angehörigen. Die Gewalt nimmt einfach kein Ende. Ich würde niemandem diese Welt empfehlen, denn ich kenne keinen Drogenhändler, der seinen Ruhestand genießt.

euronews:
Mehr als 20 Jahre nach dem Tod Pablo Escobars nehmen Kokainproduktion und -konsum weiter zu. Warum scheitert der Kampf gegen Drogen?

Das Verbot von Drogen ist ein schmutziges Spiel

JPE:
Der Kampf gegen Drogen wird seit Jahrzehnten verloren, weil das Verbot von Drogen ein schmutziges Spiel ist und die beste Propaganda für den Konsum von Rauschgift. Drogen lassen sich nicht verbieten, weil die Mächtigen davon profitieren, vor allem die Amerikaner. Sie lenken uns mit ihren kleinen Skandalen ab, aber verschweigen, was ich in meinem neuen Buch beschreibe — die Verbindungen meines Vaters zur CIA und der DEA, der Anti-Drogenbehörde der USA. Mit ihnen gemeinsam schmuggelte er die Drogen.

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euronews:
Gefährden Drogenhandel und Kokaproduktion den Friedensprozess in Kolumbien?

JPE:
So lange Drogen in meinem Land verboten sind, wird es dort Krieg geben. Das gilt auch für alle anderen Länder. Das Verbot ist der Hauptgrund für die Gewalt. Ich glaube, wir sollten versuchen, uns mit den Drogen zu versöhnen. Mit Maschinengewehren finden wir keine Lösung, denn die Drogenhändler haben die größten Maschinengewehre.

euronews:
Ist Aufklärung dabei der wichtigste Aspekt?

JPE:
Aufklärung ist mit Abstand die mächtigste Waffe gegen Drogen. Ich kann mir kein Kind vorstellen, das mehr Kontakt hatte mit Drogen und Drogenkonsum als ich während der 80er Jahre. Mein Vater erklärte mir das Problem so gut, dass ich mich erst mit 28 traute, Marijuana auszuprobieren.

euronews:
Jahrelang wollten sie kein Vater werden. Was werden Sie ihrem Sohn über seinen Großvater sagen oder werden Sie ihn vor ihm verbergen?

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Irgendwann wird er wissen, welche Verbrechen sein Großvater begangen hat

JPE:
Seit er zwei Jahre alt ist, erzähle ich ihm über Pablo Escobar. Natürlich fange ich nicht damit an, ihm Prohibition oder Drogenhandel zu erklären. Er weiß bereits, dass Pablo Escobar sein Großvater war. Ich will ihm beibringen, wie wichtig Respekt und Liebe im Leben sind, denn genau das würde ihm mein Vater geben, wenn er am Leben wäre. Irgendwann wird er genau wissen, welche Verbrechen sein Großvater begangen hat, damit er einen anderen Weg wählen kann, sollte er in die Versuchung kommen, so wie Pable Escobar zu werden.

euronews:
Wir danken Ihnen für dieses Interview.

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