Kather: Wir fordern Haftbefehle gegen Folter-Verantwortliche in Syrien

Kather: Wir fordern Haftbefehle gegen Folter-Verantwortliche in Syrien
Copyright 
Von Hans von der Brelie
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

Gemeinsam mit dem Berliner Menschenrechtsverein ECCHR haben syrische Folteropfer Klage bei der deutschen Generalbundesanwaltschaft eingereicht.

Alexandra Lily Kather ist Rechtsberaterin und Syrienexpertin, sie arbeitet für das Berliner Menschenrechtszentrum ECCHR und hilft Überlebenden syrischer Gefängnisfolter, den Rechtsweg zu beschreiten. Nach dem Weltrechtsprinzip können schwere Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Foltervorwürfe überall verfolgt und geahndet werden, auch dann, wenn kein unmittelbarer Bezug zwischen Ort des Verbrechens (etwa Syrien) und Ort der Gerichtsbarkeit (beispielsweise Karlsruhe in Deutschland) besteht.

Folterüberlebende – Syrer, die nach Deutschland fliehen konnten – und ECCHR haben in Zusammenarbeit mit dem syrischen Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunni eine Liste der “großen Fische” erstellt, die laut Organigramm und Befehlsstruktur als politische oder militärische Befehlsgeber, Mitwisser und Schreibtischtäter des syrischen Foltersystems gelten: Ali Mamluk, Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros, Abdelfattah Qudsiyeh, stellvertretender Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros, Rafiq Shehadeh, von Juli 2012 bis März 2015 an der Spitze des militärischen Nachrichtendienstes Syriens, Muhamad Mahalla, Leiter des militärischen Nachrichtendienstes seit April 2015, Jamil Hassan, Leiter des Geheimdienstes der syrischen Luftwaffe, Muhammad Khallouf (alias Abou Ezzat), Leiter der berüchtigten Foltereinheit 235 und Shafiq Masa, Leiter der Foltereinheit 215.

Das Interview mit ECCHR-Rechtsberaterin Alexandra Lily Kather wurde auf Englisch geführt. Euronews-Reporter Hans von der Brelie traf Kather in der Berliner Zentrale des ECCHR. Im Folgenden können Sie Ausschnitte des Gespräches in deutscher Übersetzung nachlesen.

Hans von der Brelie (Euronews):
Was bezwecken Sie mit dieser Klage vor der Generalbundesanwaltschaft Karlsruhe?

Alexandra Lily Kather (ECCHR Berlin):
Es handelt sich bislang um vier Gruppen von Klagen, die (2017) bei der Generalbundesanwaltschaft eingereicht wurden. Unser Ziel ist es jetzt, dass seitens der Generalbundesanwaltschaft personenbezogene Ermittlungen eingeleitet werden. Da sich die Verdächtigen nicht auf deutschem Staatsgebiet aufhalten, sie sind nicht hier, verlangen wir, dass Haftbefehle gegen sie ausgestellt werden, zunächst deutsche Haftbefehle, dann europäische und schließlich internationale Haftbefehle.

Hans von der Brelie (Euronews):
Wer genau soll zur Verantwortung gezogen werden?

Alexandra Lily Kather (ECCHR Berlin):
Die Hauptverantwortlichen für die systematische und weitverbreitete Folter in Syrien sind diejenigen, die an der Spitze der Befehlskette stehen. Das ist zunächst Ali Mamluk, der Direktor des Nationalen Sicherheitsbüros. Er steht in ständigem Kontakt mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Verantwortung tragen auch die Direktoren der vier syrischen Geheimdienste, insbesondere Jamil Hassan, er steht an der Spitze des Geheimdienstes der syrischen Luftwaffe.

Hans von der Brelie (Euronews):
Warum machen Sie insbesondere diesen Personenkreis verantwortlich für Folter in syrischen Gefängnissen?

Alexandra Lily Kather (ECCHR Berlin):
Diese Personen wissen von den fortgesetzten und andauernden Verbrechen, deshalb sind sie die Hauptverantwortlichen für diese Kriegsverbrechen und die Folter. Diese Personen erhalten tägliche Berichte über die Gewaltverbrechen, die in diesen speziellen Haftzentren verübt werden. Darüber hinaus schließt dieser Personenkreis auch die Befehlsgeber mit ein, also diejenigen, die den Befehl zur Gewaltanwendung (gegenüber Gefangenen) gegeben haben. Sie haben zudem eine allgemeine Atmosphäre geschaffen, die systematische und weitverbreitete Folter in den Haftzentren ermöglichte und begünstigte.

Hans von der Brelie (Euronews):
Wenn wir von Folter in syrischen Haftzentren sprechen, handelt es sich dabei um Einzelfälle?

Alexandra Lily Kather (ECCHR Berlin):
Wir können absolut nicht von vereinzelten Fällen sprechen. Die Gewalt, die dort ausgeübt wird, wird regelmäßig ausgeübt, sie ist extrem brutal und sie wird mit System ausgeübt.

Hans von der Brelie (Euronews):
Was bezwecken die Machthaber damit?

Alexandra Lily Kather (ECCHR Berlin):
Die Zivilgesellschaft soll zerstört werden, der Gemeinschaftsgeist und das Engagement der Opposition sollen zerstört werden. Die Folter ist gezielt gegen politische Gegner des Regimes von Baschar el-Assad gerichtet.

Hans von der Brelie (Euronews):
Sie beschreiten den Klageweg in Deutschland, was erhoffen Sie sich davon?

Alexandra Lily Kather (ECCHR Berlin):
Langfristig gesehen kann unsere Arbeit dazu beitragen, das internationale Strafrecht hier bei uns in Deutschland zu stärken. Und selbst wenn es zu keinen Verhandlungen kommen sollte, dann könnten diese Dossiers, diese Fallakten, mit denen die deutsche Generalbundesanwaltschaft nun arbeitet eines Tages für Ermittlungen und Strafverfolgung auf internationaler Ebene von Nutzen sein, wenn einmal solch ein für Syrien zuständiger internationaler Strafgerichtshof eingerichtet werden sollte in Zukunft.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Folter in Syrien: Überlebende klagen an, Karlsruhe ermittelt

Hat Frankreich aus den Terroranschlägen von 2015 seine Lehren gezogen?

Deutschland im Energie-Wahlkampf: Wo weht der Wind des Wandels?